Viele Betriebe klagen über Hindernisse bei Geschäften im EU-Ausland. Einige Handwerksunternehmen halten den Binnenmarkt als unvollkommen, der ZDH fordert kluge Ideen.
Auf welchem Feld war und ist die Europäische Gemeinschaft denn mal wirklich erfolgreich? Bei dieser Frage verweisen EU-Politiker fast reflexartig auf den Binnenmarkt, der in diesem Monat seinen 30. Geburtstag feiert. Auch bei den jüngsten Krisen – der Bekämpfung der Pandemie als auch bei der Bewältigung der anhaltenden Energieprobleme – hätte sich der Binnenmarkt gegenüber einzelstaatlichem Durchwurschteln als überlegen erwiesen.
Der Grundgedanke für dieses Kernvorhaben zur Freizügigkeit in der europäischen Gemeinschaft klang einfach und gut: ob im Waren- und Güterverkehr oder bei der Erbringung von Dienstleistungen sollte es zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Grenzen mehr geben. Genauso für Arbeitskräfte sowie für Finanzdienstleistungen.
"Bis heute keinen funktionierenden Binnenmarkt"
In der Praxis sollte dies heißen, dass ein in einem Mitgliedstaat zum Verkauf zugelassenes Produkt ohne Weiteres auch in anderen EU-Ländern auf den Markt gebracht werden darf. Bei den Dienstleistungen ist es bis heute komplizierter, weil etwa besondere Sozialvorschriften im so genannten Zielland eingehalten werden müssen. Doch ob manche nationale oder regionale Vorschriften wirklich notwendig sind, darüber gibt es auch nach 30 Jahren noch manchen Streit.
Deutsche Handwerksunternehmen, die grenzüberschreitend – etwa in Frankreich, Österreich oder Luxemburg — tätig waren, sind oder dies planen, können ein Lied von der Unvollkommenheit des viel beschworenen Binnenmarkts singen. Manche haben den Eindruck, dass hohe gesetzliche und bürokratische Hürden in der ausländischen Zielregion zuvorderst ausländische Konkurrenz verhindern sollen.
Aber nicht nur für manche Klein- und Mittelbetriebe ist der Binnenmarkt ein Fremdwort. Nüchtern erklären selbst Vorstandsmitglieder deutscher Baukonzerne, dass es in der EU bis heute schlichtweg keinen funktionierenden Binnenmarkt gibt – sowohl für Baudienstleistungen wie auch für Bauprodukte. Lediglich in Dänemark würden öffentliche Auftraggeber lautstark nach Angeboten aus dem EU-Ausland rufen, weil sonst der einzige heimische Anbieter die Preise diktieren könnte.
ZDH fordert weniger Bürokratie und kluge Ideen
Dennoch, der Binnenmarkt ist eine Erfolgsgeschichte, heißt es im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Besonders grenznahen Handwerksbetrieben hätten sich zahlreiche neue Geschäftsfelder eröffnet und Kundenbeziehungen etabliert. Allerdings sei er auch kein Selbstläufer. So gelte es zum Beispiel gegen "destruktive Harmonisierungsversuche" aus Brüssel frühzeitig einzuschreiten.
Das gemeinsame Ziel der Vollendung des Binnenmarkts lasse sich nicht mit immer neuen Harmonisierungsforderungen aus Brüssel erreichen. Wichtiger sei dem ZDH, wenn es den EU-Gesetzgebern endlich gelingen würde, den Betrieben weniger Bürokratie aufzuerlegen. Die hohen EU-Gehälter seien nicht länger zu rechtfertigen, wenn die EU-Behörde nur wie ein Tanker agiere, der blind für das Wirtschaftsleben nur eine Richtung kenne, so ein Brüsseler KMU-Interessensvertreter. Gefordert seien vielmehr kluge Ideen für eine einfachere Umsetzung bestehender Binnenmarktinstrumente.
Enttäuschendes Entlastungspaket
Wenig verspricht sich das Handwerk von dem "KMU-Entlastungspaket", das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union im September des Vorjahrs angekündigt hatte. Dieses Paket und die geplante Revision der Richtlinie zum Kampf gegen den Zahlungsverzug will die Kommission zu Beginn der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, also nicht vor Juli, vorlegen, heißt es in der EU-Behörde. Damit bleiben den EU-Gesetzgebern in dieser Legislaturperiode nur wenige Monate Zeit für die Beratung und mögliche Annahme neuer Regelungen. Die Kommission habe verpasst, für dieses Jahr ein klares Signal zu senden, kleine und mittlere Unternehmen spürbar zu entlasten, kritisiert der ZDH. Dieses "Weiter-wie-bisher ohne die außerordentliche Krisensituation einzubeziehen", verstärke die Sorge, "dass in Brüssel nicht in einer dem Ernst der wirtschaftlichen Lage angemessenen Weise politisch gehandelt und entschieden wird", so ZDH-Generalsekretär Schwannecke.