Noch gibt es in Deutschland keine generelle gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das dürfte sich aber bald ändern. Worauf sich Arbeitgeber einstellen müssen – und warum es so wichtig ist, sich heute auf das Arbeitsrecht von morgen vorzubereiten.

Wann beginnt die Arbeit, wann endet sie, welche Pausen hat der Mitarbeiter gemacht? Viele Arbeitgeber erfassen diese Informationen schon heute. Tag für Tag. Und für jeden einzelnen Mitarbeiter. Das macht zwar Mühe, hat aber enorme Vorteile: Eine akribische Arbeitszeiterfassung vereinfacht nicht nur die Buchführung und Lohnabrechnung, sondern gibt Betrieben auch die Kontrolle über die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung inklusive Überstunden. Arbeitnehmer profitieren ebenfalls, denn durch eine exakte Zeiterfassung können sie stets belegen, wann und wie lange sie gearbeitet haben. Eine generelle Pflicht zur Zeiterfassung gibt es in Deutschland derzeit zwar nicht. Das könnte sich allerdings schon bald ändern.
Ursächlicher Grund dafür ist ein Urteil, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2019 gesprochen hat. Die Luxemburger Richter entschieden: Der Schutz des Arbeitnehmers und die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG) verlangen von allen Unternehmen, ein System zur Erfassung der täglichen effektiv geleisteten Arbeitszeit zu schaffen. Bestätigt wurde diese Ansicht im September 2022 durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Darin beriefen sich die Richter auf das deutsche Arbeitsschutzgesetz, das schon jetzt eine generelle Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten fordere.
Zwar geht die Tendenz von Politik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren eher dazu, immer mehr Flexibilität bei den Arbeitszeitmodellen und damit auch Lockerungen bei der Arbeitszeitdokumentation einzuführen – Stichworte wie Homeoffice und Vertrauensarbeitszeiten sind dabei zu nennen, doch die Rechtsprechung fordert den Gesetzgeber nun auf, gesetzliche Klarheit zu schaffen im Bundesarbeitszeitgesetz. Vor allem kleinere Unternehmen, die derzeit noch keine Zeiterfassung anbieten, wurden durch diese Entscheidung verunsichert, was zu tun ist. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) arbeitet derzeit an einer Gesetzesnovelle. Bisher steht aber noch nicht fest, wann diese in Kraft tritt und welcher Vorgaben sie Unternehmen wirklich macht.
Bis der Gesetzgeber Neuregelungen verabschiedet hat und sie in Kraft getreten sind, gilt in Deutschland zwar die alte Rechtslage weiter. Angesichts der bevorstehenden Novelle tun Unternehmen aber gut daran, ihre derzeitige Praxis bei der Arbeitszeiterfassung schon einmal auf den Prüfstand zu stellen. So können sie mögliche Defizite erkennen und auf die kommenden Änderungen besser reagieren.
Für wen ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht?
"Auch wenn in Deutschland noch keine generelle Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit besteht, gibt es doch etliche Fälle, in denen eine Aufzeichnung dann doch vorgeschrieben ist", erklärt Viola Bischoff, Rechtsberaterin bei der Handwerkskammer Konstanz. Sonderregeln etwa gelten für geringfügig Beschäftigte, die nicht im privaten Bereich arbeiten und für Wirtschaftsbereiche, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr besteht. Sie sind im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt. Dazu zählen etwa das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, Speditions-, Transport und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau sowie die Fleischwirtschaft. Auch Zeitungszustellerinnen und -zusteller sowie Beschäftigte bei Paketdiensten müssen regelmäßig ihre Arbeitszeit aufzeichnen. Damit sind auch viele Branchen betroffen, die für das Handwerk relevant sind.
Für jeden Arbeitgeber relevant sind zudem die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Es enthält zwei Vorschriften, die ebenfalls eine Pflicht zur Zeiterfassung normieren – wenn auch nur in begrenztem Umfang: § 16 Abs. 2 verpflichtet Arbeitgeber, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen. Wenn ein Arbeitnehmer an einem Werktag also mehr als acht Stunden Dienst tut, muss das besonders niedergelegt werden. Zudem gibt es eine Aufzeichnungspflicht, wenn an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird.
Arbeits- und Pausenzeiten: Das gilt rechtlich
Nicht nur Arbeitszeiten sind in Deutschland genau geregelt. Das Gesetz schreibt auch vor, wann und wie lange Beschäftigte eine Pause einlegen müssen. Besonders strikt sind die Regeln für minderjährige Erwerbstätige. Einen Überblick über alle gültigen Regelungen für Arbeits- und Pausenzeiten finden Sie hier.>>>
Doch so verlockend es klingt, nur Überstunden und Feiertagsarbeit zu dokumentieren: Einen Gefallen tun sich Arbeitgeber damit nicht. Der Grund: "Wenn die reguläre Arbeitszeit nicht aufgezeichnet wird, kann naturgemäß auch die Überzeit nicht dargelegt werden", warnt Viola Bischoff. Schon deshalb sind auch kleine Betriebe gut beraten, über ein allgemeines Zeiterfassungssystem nachzudenken.
Dafür sprechen auch die Regelungen des sogenannten Nachweisgesetzes. Es regelt in § 2 Abs 1, dass die vereinbarte Arbeitszeit und die Vergütung eines Mitarbeiters schriftlich niederzulegen sind. "Aus dieser Regelung resultiert zwar keine ausdrückliche Pflicht zur Zeiterfassung", sagt Rechtsexpertin Bischoff. Ohne sie kommt es im Fall eines Streits aber zu einer Beweislastumkehr zulasten des Handwerksbetriebs. Der Arbeitgeber muss dann belegen, wie lange der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet und welchen Lohnanspruch er entsprechend hat. Das dürfte ihm ohne detaillierte Aufzeichnungen kaum gelingen.
Arbeitszeiterfassung: Welche Daten gehören dazu – was muss der Arbeitgeber dokumentieren und wie muss er mit den Daten umgehen?
Um Arbeitszeiten rechtssicher zu dokumentieren, müssen Arbeitgeber den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Beschäftigten aufzeichnen. Wichtig: Pausenzeiten gehören nicht zur Arbeitszeit, sind also herauszurechnen. "Die Dokumentation muss innerhalb von sieben Tage erfolgen", erklärt Viola Bischoff.
Grundsätzlich genügt es, die Aufzeichnungen zwei Jahre lang aufzubewahren. Da die Zeiterfassungen aber meist auch Grundlagen der Lohnbuchhaltung sind, können sie bis zur allgemeinen buchhalterischen Aufbewahrungsfrist gespeichert werden – in der Regel sechs Jahre.
>>> Infos zu den exakten Aufbewahrungsfristen gibt es hier. <<<
In welcher Form müssen Arbeitgeber Arbeitszeiten erfassen?
In welcher Form Arbeitgeber Arbeitszeiten erfassen – ob aufgrund einer gesetzlichen Pflicht oder für die eigene Buchhaltung – ist ihnen derzeit (noch) selbst überlassen. "Damit kann die Erfassung zum Beispiel in sehr kleinen Betrieben händisch in einer Tabelle oder einem Kalender erfolgen", so die Expertin. "Wer für die Lohnabrechnung und die Buchhaltung eine elektronische Zeiterfassung nutzt, sollte darauf, achten, dass diese Systeme die notwendigen Schnittstellen zu den anderen Buchhaltungsprogrammen haben."
In der Praxis finden sich heutzutage vielfältige elektronische Erfassungsmodule – von der kostenlosen App bis zu aufwendigen Systemen.
Was gilt bei der Arbeitszeitfassung für den Datenschutz?
Bei jeder Arbeitszeiterfassung erhebt der Arbeitgeber personenbezogene Daten seiner Mitarbeiter und muss entsprechend die strengen Datenschutzregeln der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beachten. Das gilt insbesondere, wenn sie dabei auf digitale Systeme setzen und – zum Beispiel über eine App – nicht nur die Einsatzzeiten eines Beschäftigten erfassen, sondern auch ein Bewegungsprofil erstellen. In diesem Fall müssen Arbeitgeber von den betreffenden Kollegen eine Einwilligung zur Erhebung und Speicherung der Daten nach der DSGVO einholen.
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