Was Fachkräfte für Speiseeis anders machen Handwerksberuf Eismacher: Wo Speiseeis noch echte Zutaten hat

Vor den Eisdielen bilden sich wieder Schlangen – der Sommer kommt. Beim Speiseeis hat man 2022 allerdings die Qual der Wahl. Es könnte kaum mehr Sorten geben. Aber sind die mit den außergewöhnlichen Namen die guten – und vor allem wirklich selbst gemacht? Wo steckt noch Handwerk drin? Und wo echte Zutaten?

Henrike Weihs von Lieblingseis
Henrike Weihs macht Lieblingseis: Sie verarbeitet für ihr Speiseeis nur frische Zutaten und keine künstlichen Aromen und Zusatzstoffe. - © Lieblingseis

Cremig, bunt und oft prangt oben drauf eine Erdbeere, ein Stück Melone oder auch mal die Verpackung eines bekannten Schokoriegels – aufgetürmte Eisberge in den Eisvitrinen locken wieder. Und sie mogeln nicht selten. Ob das, was oben drauf prangt auch tatsächlich im Eis ist, weiß niemand. Und niemand ist daran gebunden, in ein Erdbeereis auch tatsächlich Erdbeeren hineinzugeben oder in ein Pistazieneis richtige Pistazien. Aromen reichen aus und Fertigmischungen statt Handarbeit. Zwar gibt es die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) speziell für Speiseeis. Sie legen fest, was und wie viel einer Zutat in einzelnen Eissorten enthalten sein sollte. Gesetzlich verpflichtend sind diese Vorgaben allerdings nicht. Und es gibt auch keine rechtliche Definition für die Werbung mit Begriffen wie aus "eigener Herstellung" oder "selbst gemacht".

Als Laie muss man sich auf die eigenen Geschmacksnerven verlassen. Denn den Unterschied kann man schmecken – und er ist vielen Eisliebhabern auch wichtig. Davon profitieren die wirklich handwerklich arbeitenden Speiseeishersteller wie Henrike Weihs im oberschwäbischen Biberach oder Falk Rahn in Berlin. Bei beiden Eismachern sucht man die dicken Eisberge in den Vitrinen vergebens. Stattdessen findet man jeweils eine Liste mit Sorten, deren Namen auf Eigenkreationen mit ausgewählten Zutaten hindeuten.

So steht auf der Eiskarte von Henrike Weihs Florentiner Mandeleis, Early Grey, Orange-Karotte-Kokos, aber auch edle Schokolade und echte Vanille. Die beiden Letztgenannten müssen sein, denn auch wenn Henrike Weihs mit ihrem "Lieblingseis" – so heißt ihre Eismanufaktur – für besondere Eissorten aus handwerklicher Herstellung steht, sind die Klassiker die am meisten verkauften. Die Nachfrage schwankt allerdings je nach Wetter, Jahreszeit und Trends folgend.

Henrike Weihs von Lieblingseis
Henrike Weihs stellt ihr Speiseeis noch wirklich handwerklich her. - © Lieblingseis

"Wenn es richtig heiß ist, geht Gurke-Melone besonders gut oder Blaubeer-Himbeer", erzählt die Speiseeisherstellerin. Wird es herbstlich sei alles mit Gewürzen befragt – oder gar ihr Anti-Grippe-Eis. Die Sorte steht tatsächlich hin und wieder auf der Karte, auch sie ist beliebt und "es gab sie schon vor Corona", kommt Weihs der Frage nach dem Ursprung zuvor. "Als sich bei mir eine Erkältung anbahnte, kam ich auf die Idee, alles, was dagegen hilft in ein Eis zu packen – sozusagen als Shot gegen Grippe", berichtet sie weiter und zählt dann die Zutaten auf, die Farbe und Geschmack der Sorte prägen: verschiedene Zitrusfrüchte wie Orange, Blutorange, Zitrone und Limette, dazu frischer Ingwer und rosa Pfeffer.

Auch wenn einige Sorten von Lieblingseis eher experimentell klingen, kommt es Henrike Weihs nicht darauf an, mit möglichst außergewöhnlichen Bezeichnungen zu punkten, sondern mit dem Geschmack. Ihr ist es wichtig, keine künstlichen Zutaten zu verwenden. Deshalb braucht die Herstellung von gutem Eis Zeit – etwa wenn aus frischer Pfefferminze ein Auszug für das Minzeis entstehen soll. Das dauert dann schon mal drei bis vier Tage. Die Sorte kann nicht ad hoc entstehen, sondern dann, wenn der Geschmack stimmt. Zeit nimmt sich die ehemalige Hoteldirektorin auch bei der Auswahl der Zutaten. So berichtet sie, wie schwierig es etwa ist, Melonen zu finden, die den richtigen Reifegrad haben.

Eis essen im Eissalon statt in der Eisdiele

Lieblingseis
Bei Lieblingseis gibt es Eissorten nach eigenen Rezepten – Klassiker und besondere Sorten. - © Lieblingseis

Im Eissalon von Lieblingseis in der Innenstadt von Biberach und auch im neuen Laden im rund 30 km entfernten Ulm findet man deshalb auch nicht jeden Tag die selbe Eisauswahl. 14 Sorten sieht die Auslage vor und 14 gibt es jeden Tag – aber in wechselnder Zusammenstellung. Henrike Weihs verkauft das Eis übrigens bewusst im "Eissalon" statt in der "Eisdiele". Sie möchte sich abgrenzen von dem, was man normalerweise von der klassischen Eisdiele erwartet. Denn "Lieblingseis" ist eben anders.

Dass die Speiseeisherstellerin in diesem Jahr ihren zweiten Eissalon eröffnet, war 2016, als sie mit Lieblingseis startete, eigentlich nicht vorgesehen. Bis dahin hatte sie einen Job mit 25 Mitarbeitern und viel Stress, aus dem sie raus wollte. "Ich wollte einen kleinen Laden und mit höchstens zwei bis drei Leuten zusammen und da eben leckeres Eis machen, mehr nicht", sagt sie. Angehalten hat dies aber nicht lange. Denn allzu kleine Mengen zu produzieren lohnt sich kaum. Da müsse man schon betriebswirtschaftlich ehrlich sein.

Deshalb hat Henrike Weihs angefangen ihr Eis auch in Becher abzufüllen und Eistruhen damit in kleinen Hofläden aufzustellen und am eigenen Werksverkauf. Außerdem verkauft sie die Becher in einem Supermarkt vor Ort. Mit dieser Strategie konnte Lieblingseis auch die schwierige Coronazeit etwas ausgleichen. Das gleiche gilt für die Eis-Nebensaison im Herbst und Winter. In der Weihnachtszeit ist außerdem die Hochsaison der Eistorten von Lieblingseis, die Weihs ganz individuell auf Anfrage fertigt.

Speiseeis mit ehrlichen Zutaten

Eisbecher á la Bananasplit oder Erdbeertraum mit Sahnebergen und Schirmchen sucht man dagegen sowohl bei Lieblingseis als auch bei der Berliner Eisdiele Vanille & Marille vergeblich. Beide handwerklichen Eismacher setzen auf die Kugeln und dass sich die Eisliebhaber an den Vitrinen ihre eigene Zusammenstellung wählen. Sie sollen das Eis pur genießen und vor allem schmecken, was drin ist.

Vanille&Marille
Vanille & Marille ist eine Berliner Eismanufaktur, die noch komplett handwerklich arbeitet. - © Vanille&Marille

Falk Rahn ist der Inhaber von Vanille & Marille und derjenige, der das stadtweit beliebte Eis kreiert und mittlerweile in sechs Läden verkauft. Bei ihn heißen die Klassiker "Schokolade Venezuela 73%" und "Original Tahiti Vanille, Polynesien". Rahn ist sicher, dass die meisten Eisliebhaber den Unterschied zu Eis aus Fertigmischungen mittlerweile kennen – und vor allem schmecken. "Wenn ich richtige Früchte verwende, echte Vanille oder eben richtige Schokolade statt nur Kakaopulver schmeckt man das", sagt er. Dazu komme der Anteil der enthaltenen Luft, die beim Handwerkseis begrenzt ist. So können große Maschinen in der Industrie – ähnlich wie beim Softeis – Luft hineinpumpen in beliebiger Menge. "Wir geben unsere fertige Eismischung in die Maschine und beim Rühren kommt dann etwa ein Drittel Luft dazu, mehr nicht", sagt der Eismacher.

Um es deutlich zu machen sagt er: "Luft kostet nichts, Zutaten schon." Dabei erwähnt er auch, dass die derzeit stark steigenden Kosten natürlich auch Eismacher treffen. Für seine Tahiti-Vanille liegt der Kilopreis derzeit beispielsweise bei rund 600 Euro. Das ist allerdings eine sehr teure Sorte. Im Vergleich dazu liegt der Preis für Madagaskar-Vanille bei etwa der Hälfte. Den Unterschied macht aber die Tatsache aus, dass viele Eismacher statt echter Schoten nur Aroma verwenden, erzählt Rahn. "Das schmeckt man aber auch." Ähnlich sieht es mit anderen Zutaten aus. "Das liegt aber nicht nur am Ukraine-Krieg, sondern etwa auch an schlechten Ernten im vergangenen Jahr", so Rahn. Für seine Grundzutaten wie Milch, Sahne und Zucker muss er aktuell etwa doppelt so viel bezahlen wie noch im vergangenen Jahr. So musste er auch die Preise anheben.

So teuer ist die Kugel Eis

Wie bei Lieblingseis kostet eine Kugel mittlerweile 1,90 Euro und beide Eismacher sagen, dass sie eigentlich über zwei Euro verlangen müssten, damit es sich rechnet. Falk Rahn hat seine Preise von 1,60 Euro auf 1,90 Euro erhöht und liegt nach eigenen Aussagen damit noch unter dem Berliner Durchschnitt bei den kleinen Eisdielen mit einem ähnlich hohen Qualitätsanspruch. Dabei rechnet er künftig mit noch weiteren Preissteigerungen für ihn selbst, da sich hohe Energiepreise ja erst verzögert bei den Lebensmittelpreisen zeigen. Außerdem werde der Anstieg des Mindestlohns Ende des Jahres und vor allem dann in der nächsten Eissaison höhere Kosten verursachen.

Ernuss Brownie von Vanille&Marille
Gefragt sind Eissorten mit Stückchen: Dabei kommen oftmals Kuchen, Kekse oder Schokolade ins Speiseeis wie hier bei der Sorte Erdnuss mit selbst gebackenem Brownie. - © Vanille&Marille

Gefragte Sorten richten sich bei Vanille & Marille in diesem Jahr an zwei Trends aus: So folgen dem mit Abstand am beliebtesten Schokoladeneis – gut zehn Prozent macht es bei Rahn in der Verkaufsmenge aus – Pistazieneis und dann Sorten wie Blueberry-Cheesecake und Erdnuss-Brownie. Es sind die mit Stückchen aus Keks oder Kuchen drin. Daneben ist veganes Eis abseits von reinen Sorbets gefragt. So hat Vanille & Marille 2022 auch zwei neue vegane Sorten im Sortiment: Sorrentina Haselnuss auf einer Hafermilchbasis und spanische Mandel auf Mandelmilchbasis. Außerdem gibt es Schoko-Kokos auf Basis von Kokosmilch. Dieses ist aber schon länger erhältlich.

Insgesamt gehören zu den Sorten, die Falk Rahn kreiert hat, um die 60, aber nicht alle sind immer erhältlich bzw. setzt er manche auch mal über Jahre aus. "Es ist ein Spagat zwischen Kontinuität und Wechsel", berichtet er. Seine Kunden freuen sich immer über neue Sorten, aber er muss auch die bewährten bedienen – ansonsten drohe Enttäuschung.

Vanille&Marille
Handwerklich hergestelltes Eis enthält weniger Luft und mehr frische Zutaten. - © Vanille&Marille

Neue Sorten beim Speiseeis: Neben den Zutaten ist die Konsistenz entscheidend

Eine neue Sorte entsteht bei ihn sowohl durch eigene Idee, aber auch oft durch Anregungen von Mitarbeitern oder Kunden. Er selbst steht dafür oft lange in der Eisküche. Denn nicht nur die Geschmackskombination und die Verfügbarkeit von Zutaten entscheidet mit, sondern beim Speiseeis oft auch die Konsistenz. "Zu Ostern haben wir ein Eierliköreis gemacht. Das konnten wir allerdings nur im Becher verkaufen, weil es einfach zu weich war", erzählt Rahn. Die Herausforderung war für ihn, ein Eis zu schaffen, das auch wirklich nach Eierlikör schmeckt. Da er Geschmacksrichtungen auch nur komplett ohne künstliche Zusätze entstehen lassen möchte, war die Menge an Eierlikör nicht unerheblich. Alkohol verändert allerdings den Gefrierpunkt und so schmolz das Eis schnell.

Ähnliches hat er auch erlebt bei der Entwicklung eines wirklich karamelligen Karamelleises – ganz ohne Aroma. Das Problem war auch hier, dass zu viel an Zucker den Gefrierpunkt beeinflusst. Langes Tüfteln war die Folge – und ein Kompromiss, der etwas schneller aus der Waffel läuft als andere Sorten. Doch der ehrliche Geschmack steht für Falk Rahn an erster Stelle. Mittlerweile ist das Karmelleis aber dennoch zu einer sehr beliebten Sorte geworden. Der Berliner Eismacher selbst nennt als Lieblingssorte übrigens wie viele andere auch das Schokoladeeis – gerne kombiniert mit etwas Fruchtigem.

Das Lieblingseis Henrike Weihs ist dagegen "Sikarni" – ein Joghurteis mit Kurkuma und Kardamom.