Nach wie vor sorgen sich viele Bundesbürger um ihre Altersvorsorge. Doch ist das Geldvermögen in der Pandemie stark gewachsen. Deshalb könnte nun ein guter Zeitpunkt für den Vermögensaufbau sein.
Von Gastautor Gerd Hübner

Die Deutschen sind Europameister. Zumindest was das Sparen anbelangt. Laut einer Studie der ING Diba legten die Bundesbürger im Corona-Jahr 2020 fast 390 Milliarden Euro zurück. Das waren 45 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit liegen deutsche Sparer innerhalb Europas zum achten Mal in Folge auf Platz eins dieser Untersuchung.
Deutsche fürchten sich vor finanziellen Lücken im Alter
Insgesamt, so eine Berechnung der DZ Bank, ist das Geldvermögen der deutschen Privathaushalte in 2020 damit auf 7,1 Billionen Euro gewachsen – ein Rekordniveau. Gleichzeitig aber bleibt die Altersvorsorge auf der Strecke. Beim aktuellen DIA-Deutschland-Trend Vorsorge gaben nur 28 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Ansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge für ausreichend halten.
Mehr als 70 Prozent gehen also von einer finanziellen Lücke im Alter aus. "Da viele Menschen, weil sie in der Pandemie weniger ausgeben konnten, nun mehr Geld zur Verfügung haben, erscheint das eine gute Gelegenheit, die Altersvorsorgeproblematik anzugehen", meint Petra Ahrens von der Maiestas Vermögensmanagement.
Doch wie setzen Sparer das um? "Zunächst", erläutert Titus Schlösser von der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH, "braucht es eine Anlagestrategie. Anleger sollten sich überlegen, wie viel Geld sie kurzfristig, zum Beispiel für wichtige Anschaffungen, brauchen, und auf welchen Teil sie langfristig verzichten können."
Vermögensaufbau: 50-30-20-Regel beachten
Schwieriger sei es zwar für Menschen, die während der Krise finanzielle Einbußen hatten. "In jedem Fall aber kann das Führen eines Haushaltsbuches helfen, um zu sehen, wofür man Geld ausgibt, wo man einsparen kann und wie viel für die Vorsorge übrig bleibt", so Ahrens. Das geht mit der 50-30-20-Regel, nach der 50 Prozent des verfügbaren Einkommens für Fixkosten eingeplant werden sollten, etwa 30 Prozent für Freizeit und 20 Prozent für den Vermögensaufbau.
Wer nun an die konkrete Umsetzung geht, sollte auf Flexibilität achten, rät Ahrens. "Die Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, finanziell flexibel zu bleiben", sagt sie. Deshalb bieten sich ein Sparplan auf Fonds oder Exchange Traded Funds oder fondsgebundene Produkte an. "Je nach Situation lassen sich Einzahlungen dabei stoppen oder erhöhen und man kann in Notlagen schnell auf das Geld zugreifen", so die Expertin. Der zusätzliche Charme von Sparplänen: Wer wenig Geld zur Verfügung hat, kann diese schon ab 25 Euro im Monat abschließen.
Anlageexperten raten zu Aktien
Als Anlageform selbst raten die Anlageexperten zu Aktien. Die gute Nachricht: "Aufgrund der negativen Zinsen, die allmählich bei vielen Kunden ankommen, sind Aktien inzwischen positiver besetzt", stellt Schlösser fest. Das belegen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts: Demnach stieg die Zahl der Aktionäre hierzulande in 2020 um 2,7 Millionen.
"Allerdings dürfte manches davon unter die Rubrik Spekulation fallen", meint Ahrens. "Zwar kann man mit Spielgeld in den Bitcoin oder Trendthemen wie Wasserstoff investieren, für den Vermögensaufbau aber eignet sich nur ein über Länder und Branchen breit gestreutes Portfolio sowie Investments in Firmen, die seit Jahren wachsen, etabliert sind und deren Geschäftsmodelle sich in Krisen als robust erwiesen haben."
Wichtig sei laut Schlösser, sich vorab über mögliche zwischenzeitliche Verluste im Klaren zu sein. "Junge Sparer können für die Altersvorsorge dann nahezu vollständig in Aktien investieren, Anlegern, die vor dem Renteneintritt stehen und längerfristig anlegen können, rate ich zu einem Aktienanteil von gut 60 Prozent", sagt er.
"Wer die genannten grundsätzlichen Regeln beachtet, regelmäßig spart und flexibel bleibt, ist damit auf künftige Krisen gut vorbereitet und hat die Chance, auch im aktuellen Umfeld seine Vorsorgelücke zu schließen", so Ahrens Fazit.
Interview: "Aktien sind Investments in Produktivkapital"
Im Interview erläutert Titus Schlösser von Portfolio Concept, warum sich Aktien für den Vermögensaufbau besonders gut eignen.
Herr Schlösser, Aktien gelten hierzulande vielen als Spekulationsobjekt. Sind sie das wirklich?
Titus Schlösser: Nein. Aktien bieten vielmehr die Möglichkeit, sich am Produktivkapital einer Volkswirtschaft zu beteiligen. Das heißt, Aktionäre sind Anteilseigner an Unternehmen, an deren Vermögen, deren Knowhow und so weiter. Hat eine Firma ein attraktives Geschäftsmodelle, dann hat sie gute Aussichten, langfristig zu wachsen und ihren Wert zu steigern. Und davon profitieren Sie als Aktionär.
Welche Rendite können Anleger erwarten?
In der Vergangenheit brachten Aktien über lange Zeiträume sechs bis acht Prozent. Wichtig ist hier die langfristige Sichtweise. Denn kurzfristig sind zwar heftige Kursverluste möglich, mit der Länge der Haltedauer sinkt aber die Verlustwahrscheinlichkeit. Wenn Sie über 15 bis 20 Jahre eine gut diversifizierte Aktienanlage planen, reduziert sich diese deutlich.
Warum sind Aktien derzeit besonders attraktiv?
Entscheidend sind die Nominal- und Realrenditen. Auf dem Sparbuch bekommen Sie eine Nominalrendite von null Prozent. Wenn Sie davon die Inflationsrate abziehen, erhalten Sie die reale Rendite. Die Europäische Zentralbank strebt eine Inflation von zwei Prozent an. Das heißt, Sparer müssen bei einem Sparbuch mit einem jährlichen realen Wertverlust von rund zwei Prozent rechnen. Das Geld verliert also jedes Jahr an Kaufkraft.
Wie sieht das bei Aktien aus?
Die Dividendenrendite europäischer Aktien zum Beispiel beträgt derzeit rund drei Prozent. Damit liegt die reale Rendite noch bei einem Prozent, ohne Berücksichtigung möglicher Kursgewinne. Solange die Zinsen niedrig bleiben, sind Aktien folglich klar im Vorteil.