Rund ein Viertel aller beruflichen Ausbildungsverträge in Deutschland wird jedes Jahr vorzeitig gelöst. Ein gewichtiger Grund: die mangelhafte Kommunikation zwischen Betrieb und Azubi. Das besagt eine aktuelle Studie des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) der Georg-August-Universität Göttingen. Vor allem Mini- und Kleinbetriebe seien betroffen, das sie nicht über die nötigen Ressourcen verfügen. Wie können kleine Betriebe dem entgegenwirken?
Sebastian Wolking

Laut Berufsbildungsbericht des Bildungsministeriums wurden im Jahr 2014 - neuere Zahlen liegen noch nicht vor - rund 143.000 Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst. Die Quote liegt damit bei 24,6 Prozent, fünf Jahre zuvor waren es erst 22,1 Prozent. Eine Tendenz ist also erkennbar — nur leider geht sie in die falsche Richtung.
36 Prozent der Hauptschüler brechen ab
Vor allem in Kleinbetrieben endet das Lehrjahr oft jäh und enttäuschend. "Diese Betriebe stehen oft unter hohem wirtschaftlichem Druck und haben wenige finanzielle und personelle Freiräume, um in die Gestaltung der Ausbildung zu investieren", schreiben die Autoren des Göttinger SOFI in ihrer Studie. "In dieser Konstellation wird eine Vertragslösung vor allem wahrscheinlicher, wenn der Betrieb für den Auszubildenden kaum als Lernort erfahrbar wird, sondern vom ersten Tag an vor allem als Arbeitsort erlebt wird."
Der Trend ist für das Handwerk durchaus bedrohlich, immerhin bilden Klein- und Kleinstbetriebe 44 Prozent aller Azubis aus. Doch die Zahl der Ausbildungsbetriebe schrumpft, während die Qualität der Bewerber - zumindest subjektiv - oftmals zurückgeht. Und je unqualifizierter ein Lehrling, desto wahrscheinlicher sein Scheitern. Von den Hauptschülern brechen über 36 Prozent ihre Ausbildung verfrüht ab, bei den Azubis ohne Schulabschluss sind es 37 Prozent, auch Migrantenkinder haben eine ähnliche hohe Quote. Eine Problematik, die sich angesichts des Zustroms an - vielfach unqualifizierten - Flüchtlingen in Zukunft noch verschärfen könnte.
Ausbildung: Diese Probleme haben Kleinbetriebe
Das SOFI macht folgende Gründe dafür aus, dass Ausbildungsverhältnisse in Kleinbetrieben oft scheitern:
- Viele Kleinbetriebe verfügen oft nicht über die notwendigen Ressourcen, um Lehrlinge angemessen zu betreuen.
- Sie weisen oft stark Hierarchien auf, wobei es das Machtgefälle dem Auszubildenden schwerer mache, seine Interessen zu artikulieren.
- Gleichzeitig würden hochgradig personalisierte Arbeitsbeziehungen eine sachliche Kommunikation verhindern, Ausbilder und Auszubildende im Konfliktfall daher oft "ungepuffert", also ohne vermittelnde Personen oder Instanzen, aufeinandertreffen.
Besonders gefährdet sind nach den Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) Restaurantfachleute, von denen rund die Hälfte vorzeitig die Brocken hinschmeißt. Auch Köche, Friseure und Gebäudereiniger brechen überdurchschnittlich oft ab, ganz im Gegensatz zu Bankkaufleuten oder Elektronikern.
Astrid Ries führt einen Hutmacherladen in Hannover. Sie beschäftigt drei Mitarbeiterinnen, eine Gesellin, eine Aushilfskraft und eine Auszubildende zur Modistin. In zehn Jahren habe es nur zwei vorzeitige Vertragsauflösungen ihrer Azubis gegeben, erzählt sie. Die Arbeitsatmosphäre sei gut, erst kürzlich wurde ihre Auszubildende von der Handwerkskammer Hannover zur Kammersiegerin 2016 gekürt. "Wir sind auf Augenhöhe und sie merken, dass sie hier viel und gut lernen", sagt sie über ihre Lehrlinge. "Sie können zu mir kommen, wenn sie das Gefühl haben, es stimmt irgendwas nicht. Das tut leider nicht jeder.“
Wertschätzung, Feedback, offene Tür
Ziel sollte es ohnehin sein, eine Feedback-Kultur im Betrieb zu institutionalisieren. Regelmäßige Feedback-Gespräche geben Azubis die Gelegenheit, all das auf den Tisch zu bringen, das ihnen unter den Nägeln brennt. Dabei muss es nicht immer um das große Ganze gehen, auch für kleine Alltagsprobleme oder regelrechte Bagatellen sollte Platz sein. Sorgen ernst nehmen, wertschätzend miteinander umgehen, das ist nach Auffassung vieler Betriebe ohnehin der Schlüssel. Dafür muss niemand Samthandschuhe anziehen oder auf klare Ansagen verzichten. Aber die Dinge nach und nach erklären, Hintergrundwissen vermitteln, Einblicke geben - das hilft den Lehrlingen, Zusammenhänge zu verstehen und im Betrieb zu wachsen.
Kommunikation mit Azubis: Was Betriebe tun können
- Klare Ansprechpartner für die Auszubildenden benennen
- Regelmäßige Anleitungs- und Feedbackgespräche zwischen Ausbilder und Azubi durchführen
- Dem Auszubildenden generell die Möglichkeit einräumen, Frust abzulassen und Kritik zu üben
- Regelmäßige Weiterbildung des Ausbildungspersonals, um Konfliktlösungs- und Kommunikationsfertigkeiten zu stärken
- Dem Azubi von Anfang an eine realistische Erwartungshaltung vermitteln
Was aber all die Kommuniationsmaßnahmem kaum ersetzen können, ist die richtige Bewerberauswahl. Bei Astrid Ries müssen Bewerber genuines Interesse mitbringen, ein Vorstellungsgespräch absolvieren und zwei Tage zur Probe arbeiten. "Man muss sehen, ob die handwerkliche Begabung da ist", sagt sie.
Generell hilfreich: Praktika oder zumindest ein Schnuppertag, damit auch die Azubis einschätzen können, ob die Stelle wirklich prädestiniert ist für sie. Wenn das - neudeutsch: Matching - passt, dann sinkt das Risiko für einen vorzeitigen Ausbildungsabbruch schon von vornherein ganz erheblich.