Ein Umbau-"Trick" ermöglicht es schon 16-Jährigen, unabhängig von Bus und Bahn, mit einem Fiat 500 zu fahren. Azubis in ländlichen Regionen können so bequem den Ausbildungsbetrieb oder die Berufsschule erreichen. So funktioniert der "Ellenator".
Steffen Guthardt
Es ist Montag, 6.30 Uhr. Für Azubi Thomas Jörg war das früher höchste Zeit zum Aufstehen. Schließlich benötigt er über eine Stunde, um von seinem Wohnort Prem im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau in die Berufsschule zu kommen. Zwar beträgt die Entfernung nur 25 km, aber in der ländlichen Region sind die öffentlichen Verkehrsmittel sehr überschaubar.
Heute bleibt Thomas noch 40 Minuten liegen. Der 16-Jährige ist nämlich inzwischen stolzer Besitzer eines Fiat 500 und kann sich ganz entspannt und unabhängig auf den Schulweg machen.
Doch Moment – wie ist es möglich, dass ein 16-Jähriger mit einem eigenen Auto unterwegs ist? Schließlich kann der benötigte Führerschein Klasse B laut Gesetz erst ab 18 oder beim begleitenden Fahren mit 17 Jahren erworben werden .
Mit über 80 km/h auf die Autobahn
Ein Umbau-"Trick" macht es möglich. Auf die Idee ist Kfz-Meister Wenzel Ellenrieder gekommen. Der Inhaber des Autohauses Ellenrieder im schwäbischen Dösingen/Westendorf suchte für seinen älteren Sohn ein Fahrzeug, um in der Ausbildung unabhängig von den Eltern zu sein.
Die auf dem Markt angebotenen Modelle, wie das italienische Dreirad Ape, entsprachen nicht seinen Vorstellungen. Da wurde Ellenrieder auf das 2013 geänderte Recht für den Führerschein A1 (Leichtkrafträder) aufmerksam, der bereits mit 16 Jahren gemacht werden kann. Dort ist die bisherige Beschränkung des Spitzentempos auf 80 Stundenkilometer weggefallen . Das Bundesverkehrsministerium begründet, dass die EU-weite Führerscheinregelung keine Sonderauflagen für die Fahrerlaubnis A1 mehr erlaubt. Entsprechend musste die Ausnahme von 80 km/h gestrichen werden. Jedoch ist die Leistung von A1-Fahrzeugen durch die Grenzen von 125 cm3 mit maximal 11 kW und ein Leistungsgewicht von 0,1 kW/kg nach wie vor begrenzt.
Ellenrieder hatte eine Idee: Kleinwagen wie VW Polo und Seat Ibiza könnte er so umbauen, dass sie künftig auch ohne den Führerschein Klasse B gefahren werden dürfen. Die Z ielgruppe sind minderjährige Azubis, aber auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, die z.B. wegen einer starken Sehschwäche kein Auto fahren dürfen.
Zwei Ränder sind gleich eins
Ellenrieders Herausforderung bestand darin, aus einem vierrädrigen Auto ein Dreirad zu machen, dass die Zulassung vom TÜV bekommt. Zunächst tüftelte er an einer Hinterachse mit nur einem Rad. Doch die Umsetzung scheiterte an der hohen Traglast für das eine Rad. Die Lösung: Ellenrieder setzte die beiden Räder auf der Hinterachse so nah nebeneinander, dass die Spurweite insgesamt 46,5 cm beträgt. Damit gelten die beiden Räder gesetzlich gerade noch als ein Rad und die Traglast ist kein Problem mehr.
Nach dem Bau mehrerer Prototypen bekam der so genannte "Ellenator" schließlich die Straßenzulassung. Ellenrieder hat sich den Umbau eines Dreirads zum Pkw inzwischen patentieren lassen und ein eigenes Unternehmen für die Ellenator-Produktion gegründet. Nebenher betreibt er weiter sein Autohaus.
"Die Nachfrage ist groß und die Interessenten kommen aus dem ganzen Bundesgebiet. Derzeit bauen wir etwa drei Fahrzeuge pro Woche um", sagt Verkaufsleiter Klaus Flagner. Viel Werbung für den Ellenator kann die Firma allerdings nicht betreiben, weil sonst die Wartezeiten für die Kunden zu lang würden. Der Grund seien fehlende Fachkräfte, um die aufwendigen Umbauten schneller bewältigen zu können.
Sicherheit eines Autos bleibt erhalten
Kunden von Ellenrieder müssen für den Umbau inklusive Gutachten 5.000 Euro bezahlen. Zudem benötigen sie einen Fiat 500. "Dieses Auto ist mit seinem geringen Leergewicht und dank seiner Konstruktionsweise perfekt für den Umbau geeignet", sagt Flagner. Beim Umbau bleiben die Sicherheitsassistenten des Pkw erhalten. Auch als Cabrio oder Automatik lässt sich der Ellenator fahren.
Ulrike Jörg, Mutter von Azubi Thomas, sieht das Geld gut angelegt: "Wir sind total zufrieden mit dem Ellenator und können unseren Alltag viel entspannter und unabhängiger bewältigen." Dabei glaubte Sohn Thomas zunächst an einen Scherz, als ihm in der Fahrschule ein Bild vom Ellenator gezeigt wurde. Seine Meinung änderte sich schlagartig mit der ersten Testfahrt. "Der Ellenator fährt sich eigentlich wie ein normales Autor, nur eben nicht ganz so schnell", sagt Thomas. Die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sei zwar für die Landstraße ausgelegt, reiche aber auch aus, um LKWs auf der Autobahn zu überholen.
Mit seinem ungewöhnlichen Gefährt sorgt Thomas für viel Aufsehen: "Einmal wurde mein Sohn schon von der Polizei angehalten. Die Beamten interessierten sich jedoch nur dafür, wie das alles funktioniert", so Mutter Ulrike. Auch in der Schule ist das Interesse am Ellenator groß. "Meine Freunde wollen mitfahren und manche haben sich schon einen eigenen Ellenator zugelegt", sagt Thomas.