"Kontakte beschränken", "Großveranstaltungen absagen" – die aktuelle Diskussion weckt in der Veranstaltungsbranche ungute Erinnerungen an den vergangenen Winter. Die Warnung: Viele hielten das nicht noch mal durch.

Bundesweit hagelt es Stornierungen für Messestände, Konzerte, Kleinkunstveranstaltungen, Festivals, Jahresversammlungen. Die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts und der Bundesregierung, auf die Durchführung von Großveranstaltungen zu verzichten, würgen das Veranstaltungsgeschäft ein weiteres Mal ab, wie Verbände warnen. Mit wirtschaftlichen Folgen über die Branche hinaus.
Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft spricht sogar von einem "Todesstoß" für die Branche. Für Restaurants, Theater oder Konzerthäuser gilt immer häufiger 2G – Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Auch Schausteller und Messeveranstalter sind angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen alarmiert. Von finsteren und ungewissen Aussichten sprach am Dienstag, den 16. November, die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft.
Christian Eichenberger vermietet mit der Frankfurter Party Rent Group Partybedarf und engagiert sich seit Kurzem in der Bundeskonferenz für mehr staatliche Hilfe. "Wir sind seit 20 Monaten in der Vollkatastrophe", sagt er. 40 bis 50 Prozent der einst knapp zwei Millionen Beschäftigten hätten der Branche schon den Rücken gekehrt. Viele waren Freiberufler und Solo-Selbstständige. Laut Ifo-Institut sehen sich 70 Prozent der Betriebe in ihrer Existenz bedroht.
Abgesagte Weihnachtsmärkte: Warnungen auch aus dem Handwerk
"Die Altersrückstellungen sind aufgebraucht, Lebensversicherungen gekündigt, die Konten leer beziehungsweise überzogen", erklärt Schausteller-Präsident Albert Ritter. Die Schausteller fürchten nun um die Weihnachtsmärkte – ihr einziges nennenswertes Geschäft, bis im Frühjahr die Kirmessaison wieder beginnt.
Erst am 16. November sagte die Stadt München den Christkindlmarkt ab. Die 2G-Regel sei auf dem Marienplatz nicht kontrollierbar. Die Verwaltung prüfe einen finanziellen Ausgleich für die Standbetreiber, hieß es.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte in der vergangenen Woche für eine Absage der Weihnachtsmärkte in seinem Bundesland geworben. Kritisch äußerte sich Frank Wagner, Präsident der Handwerkskammer Chemnitz. Denn auch für Händler und Gastronomen seien die Weihnachtsmärkte ein wichtiger Umsatzbringer. "Man bereitet sich seit Wochen und Monaten auf die Märkte vor und investiert viel Geld für Material und Personal. Und zwei Wochen vor Beginn will der Ministerpräsident alle gemachten Zusagen nicht mehr einhalten. Damit werden Existenzen zerstört", so Wagner.
Messeverband: "Die Rezepte des vergangenen Winters schmecken nicht mehr"
Der Verband der deutschen Messewirtschaft (Auma) warnte die künftige Bundesregierung vor "Aktionismus". "Die Rezepte des vergangenen Winters schmecken nicht mehr", formulierte Verbandschef Jörn Holtmeier. Empfehlungen wie die des Robert Koch-Instituts, pauschal jegliche Veranstaltungen abzusagen, seien angesichts der Impfquoten unter Erwachsenen kaum mehr nachvollziehbar.
81 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Event-Branche 2019 nach einer Studie der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft. Eichenberger geht davon aus, dass knapp 50 Milliarden Euro an indirekten Umsätzen dazu kommen – weil etwa Messebesucher abends noch ausgehen und Festivalgäste Hotelzimmer buchen. 200 Euro pro Gast kämen so in die Städte.
Bundeskonferenz fordert, Überbrückungshilfen zu verlängern
Die Bundeskonferenz fordert deshalb, Wirtschaftshilfen aus Überbrückungsprogrammen und die Kurzarbeit für den Sektor zu verlängern – bis zu sechs Monate nach einer vollständigen Öffnung. Schließlich liege der Vorlauf für Großveranstaltungen bei sechs bis zwölf Monaten. Ähnlich wie der Tourismus brauche man auch einen eigenen Beauftragten in der Bundesregierung.
Angesichts der steigenden Inzidenzzahlen in Deutschland fordern auch die Bundesländer mit großer Mehrheit eine Verlängerung der Corona-Überbrückungshilfe III Plus über das Jahresende hinaus. Das zeigt das Ergebnis einer Abfrage unter den Landeswirtschaftministerien und Senatsverwaltungen, die der Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz, Andreas Pinkwart (FDP), durchführte. Die Überbrückungshilfe III Plus, das zentrale Kriseninstrument der Bundesregierung, ist bislang bis Ende 2021 befristet. Die Überbrückungshilfe bekommen Unternehmen mit einem coronabedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent. Erstattet werden fixe Betriebskosten.
"Außer Brandenburg und Schleswig Holstein haben sich alle anderen Länder für eine Verlängerung ausgesprochen", fasste der NRW-Wirtschaftsminister das Ergebnis in einem Brief an den geschäftsführenden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zusammen. Pinkwart sprach sich für eine Verlängerung der Hilfen bis zum März 2022 aus. Gleichzeitig äußerten die Länder die "dringliche Bitte", die Frist für die Schlussabrechnung der Corona-Hilfen "angemessen zu verlängern", um die Bewilligungsstellen zu entlasten. dpa/ew