Veganes Essen ist beliebt – nicht nur bei denen, die sich rein pflanzlich ernähren. Auch immer mehr Bäckereien erweitern ihr Sortiment. Das gilt vor allem bei den süßen veganen Backwaren. Ei, Butter und Milch kann man oftmals einfach und ohne teure Ersatzprodukte austauschen. Fachwissen und Übung sind aber nötig. Tipps fürs vegane Backen.
Kichererbsenwasser mit Johannisbrotkernmehl und Backpulver gemischt – als sogenanntes Aquafabe – kann Eischnee in Baisers oder Meringues eins zu eins ersetzen. Doch es geht noch oftmals einfacher, tierische mit pflanzlichen Zutaten in Backwaren auszutauschen: Margarine statt Butter, Haferdrink statt Kuhmilch und Apfelmus statt Ei. Im Ergebnis sind Kuchen, Torten und süße Teilchen beim Bäcker vegan. Und das ist zunehmend gefragt. Viele Bäckereien reagieren.
Vegane Backwaren: Verbraucher sind neugierig
Noch sind es zwar nur zwei Prozent der Deutschen, die sich ausschließlich vegan ernähren. Zumindest ergibt das der aktuelle Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Doch nicht nur deren Zahl steigt langsam an, sondern vor allem auch die Neugier vieler Verbraucher, Veganes auszuprobieren und sich hin und wieder rein pflanzlich zu ernähren. So gaben 71 Prozent der Befragten im Rahmen dieser Ernährungsstudie "Neugier" als Hauptgrund für den Kauf veganer Alternativprodukte an.
Die Veganer und all diejenigen, die den Konsum tierischer Produkte einschränken möchten, sind zunehmend auch die Zielgruppe der Bäckereien und Konditoreien. Zwar könnte man meinen, dass die meisten Backwaren von Haus aus nur rein pflanzliche Zutaten enthalten. Das stimmt aber nur bedingt. Süßes Gebäck enthält sogar meist Butter, Sahne, Ei und Honig. Soll es als veganes Backwerk angeboten werden, bedarf es einen Ersatz für die tierischen Zutaten.
Um Bäckereien zu helfen, das Sortiment mit veganen Alternativen zu erweitern, hat die Albert Schweitzer Stiftung gemeinsam mit dem Bäckereiberater Thomas Backenstos einen Leitfaden entwickelt. Dieser stellt den Markt der veganen Backwaren und deren Zielgruppe vor und gibt konkrete Handlungsempfehlungen – inklusive Rezeptteil. Thomas Backenstos ist selbst Bäcker- und Konditormeister und betont, dass Bäckereien auf die Nachfrage nach veganen Speisen reagieren sollten. "Ich bin überzeugt, dass es für den Bäcker in naher Zukunft eine Rolle spielt, ob er sein Sortiment mit veganen Produkten erweitert. Meiner Meinung nach sind es auch nicht nur die reinen Veganer, die das Angebot zu schätzen wissen, sondern die Flexitarier, die gerne mal einen fleischlosen Tag einlegen und so auf den Geschmack kommen", sagt Backenstos.
Vegane Backwaren: Keine Nischenprodukte mehr
Die Idee einen Leitfaden für Bäckereien zu entwickeln entstand, als der Berater vor ein paar Jahren den gesellschaftlichen Wandel spürte – Nachhaltigkeit, Tierwohl und andere Begriffe waren plötzlich stärker in aller Munde und in den Medien. "Bis dahin hat vegane Ernährung eine Nische besetzt und dementsprechend war auch das Angebot an veganen Backwaren begrenzt." Das ändert sich allmählich – vor allem in den großen Städten und Regionen mit vielen Studenten und jüngeren Altersstrukturen. "Im ländlichen Raum besteht natürlich auch Bedarf. Aber hier braucht man dafür eine entsprechend angepasste Vermarktung", erklärt Thomas Backenstos, der heute statt in der Backstube vor allem als Organisationsberater arbeitet.
Dass es sich lohnt, das Sortiment mit veganen Backwaren zu erweitern und damit keinen kurzfristigen Trend, sondern eine langfristige Entwicklung zu unterstützen, zeigt auch die vegane Marzipanstange der Bäckerei Schneider aus dem Rheinland. Schon seit dem Jahr 2016 gehört dieses Plunderteilchen in die Auslagen der über 100 Filialen. "Es waren viele Kundenanfragen, die uns zu diesem Schritt angespornt haben", berichtet Wolfgang Hoehne, der Geschäftsführer der Bäckerei. Zum Start hat Hoehne die Marzipanstange explizit beworben, aber dann hat sie sich bis heute weiterhin erfolgreich verkauft.
"Veganes Gebäck bräunt ein wenig schlechter"
Was im Sortiment der Bäckerei Schneider sonst noch vegan ist, steht online explizit aufgelistet und auch hier zeigt sich: "Vegane Produkte sind in der Bäckerbranche nichts Ungewöhnliches. Wenn man ein wenig auf die Zutaten achtet, kann man vieles vegan herstellen", sagt Hoehne. Vor allem Brot und Brötchen kann man sehr leicht ohne tierische Zutaten herstellen. "Im Feingebäck ist das schon etwas schwieriger", bestätigt der Geschäftsführer.
Für die veganen Backwaren nutzen die rheinländischen Bäcker Ersatzprodukte wie Sojamilch und Bohnenmehl usw. Bei den Fetten muss darauf achten, dass keine tierischen Produkte enthalten sind. Dabei sei das Backverhalten fast gleich zu dem mit tierischen Zutaten. Nur: "Vegane Produkte bräunen etwas schlechter", so Wolfgang Hoehne. Dabei sorgten aber geringfügige Anpassungen am Backprogramm schnell für Abhilfe. Der Geschäftsführer sieht für Bäckereien durch die Sortimentserweiterung weder einen steigenden Aufwand noch höhere Preise beim Einkauf – entsprechend auch nicht im Verkauf. "Unsere veganen Produkte sind nicht teurer wie die anderen Backwaren. Das entspricht nicht unserer Politik."
Vegan Backen: Eier sind am schwierigsten zu ersetzen
Etwas anders sieht das Manuela Hagenmaier von der Bioland-Bäckerei Scholderbeck aus Weilheim bei Stuttgart. Auch diese Bäckerei hat viele verschiedene Verkaufsstellen in der Region und ein breites Sortiment an Backwaren. Schon seit einigen Jahren gehören vegane Sorten dazu. "Die Nachfrage ist in den letzten Jahren gestiegen und der Trend lässt bisher nicht nach", sagt sie.
Die Menschen haben ihrer Ansicht nach ein neues Bewusstsein für gesunde Ernährung entwickelt und "dies wird sich hoffentlich so schnell nicht ändern." Für das vegane Backen bedarf es nach Ansicht der Bäckereimitarbeiterin dennoch "Fingerspitzengefühl, Übung und Fachwissen."
So seien vor allem Eier backtechnisch am schwierigsten zu ersetzen. Ersatzprodukte könnten sich auf das Backverhalten und den Geschmack auswirken. So bedürfe es an Erfahrung, qualitativ hochwertige vegane Backwaren herzustellen – und auch mehr Aufwand. Zudem seien die Ersatzprodukte – in Bioland-Qualität – etwas teurer als die herkömmlichen Zutaten. "Durch diese Faktoren werden die veganen Produkte letztendlich leider auch teurer", berichtet Manuela Hagenmaier.
Das tut der Nachfrage und dem Absatz der veganen Backwaren aber keinen Abbruch. "Als Bio-Bäckerei sind wir Anlaufstelle für Ernährungsbewusste. Es wird immer wichtiger, vegane Produkte anzubieten", so Hagenmaier. Vor allem im "süßen Bereich" würden Kunden speziell danach fragen – mit anhaltend starkem Interesse. Um den Kunden schnell und einfach zu zeigen, welche Produkte vegan sind, kennzeichnet die Bäckerei Scholderbeck sowohl das vegane als auch die anderen veganen Backwaren sichtbar auf den Preisschildern der Auslagen mit einem Symbol.
Vegane Backwaren: Sortiment schrittweise aufbauen
Zu einer deutlichen, aber eher zurückhaltenden Kennzeichnung rät auch Thomas Backenstos, wenn Bäckereien beginnen wollen, ihren Kunden auch vegane Alternativen anzubieten. "Vegan" auf das Preisschild zu schreiben, hält er anfangs nicht für sinnvoll. "Ein Piktogramm ist der bessere Weg, um den Kunden langsam mit auf den Weg zu einer alternativen, nachhaltigen Ernährung zu bewegen", sagt er und rät auch Bäckern zu einem schrittweisen Ausbau des Sortiments: "Ich empfehle immer, fangt mit einem Produkt an, bis es perfekt ist. Wenn man Spaß daran findet und der Kunde es annimmt, sollte man weitermachen."
Wenn man dann ein gewisses Level erreicht habe, sollte man die veganen Neuheiten dann auch entsprechend auf Instagram oder Facebook bewerben. "Hier zeigt sich aus der Erfahrung heraus die größte Möglichkeit, sein veganes Sortiment zu präsentieren und somit ein neues Kundenklientel zu erreichen", berichtet der Bäckerberater von seinen Erfahrungen.
Tipps hat er auch für das vegane Backen an sich. Und das ist aus seiner Sicht oftmals nicht aufwendiger – aber mit anderen Handgriffen verbunden – und auch nicht teurer. So entfalle beim klassischen Rührkuchen etwa das Aufschlagen der Butter; zudem seien Butter und Eier vergleichsweise teure Zutaten. Damit der Rührkuchen gut werde, brauche es dafür aber eine hochwertige Margarine. Am Ende kommt man also zu einer ähnlichen Bilanz.
Vegane Ersatzprodukte: Großhandel hat Nachholbedarf
Die Grundzutaten, die man fürs vegane Backen braucht, finde man somit auch alle im Großhandel auf Lager. "Geht es um spezifische Dinge wie Seidentofu, Sojajoghurt oder Milchalternativen, besteht hier noch Nachholbedarf", sagt Backenstos, der den vielen hoch verarbeiteten veganen Ersatzprodukten eher skeptisch gegenübersteht. Vegane Backwaren lassen sich meist sehr einfach ohne die meisten Ersatzprodukte herstellen. Das zeigt auch der Leitfaden.
"Ich stand letztens vor einem zehn Meter langen Regal veganer Produkte bei einem neu eingerichteten Lebensmitteleinzelhändler und fragte mich, ob vegane Fischstäbchen oder Sahneaufschlagalternativen die Welt braucht", sagt der Bäckermeister. Schaue man auf die Zutatenliste, hat dies seiner Ansicht nach mit veganer, gesunder Ernährung nicht mehr viel zu tun. "Da die Produkte eine enorme Energiedichte haben – viel Zucker, viel Fett und künstliche Stabilisatoren und Geschmacksverstärker enthalten – kann man auch als Veganer an Diabetes sterben", sagt er etwas scherzhaft.