Die Kosten für Baumaterial steigen und die Verfügbarkeiten sind schwierig – besonders bei Baustoffen mit langen Lieferketten und hohem Energieaufwand in der Herstellung. So kommt es, dass Baustroh als Dämmstoff immer häufiger nachgefragt wird. Wie Stroh schon heute im Gebäudebau eingesetzt wird.
Baustroh kann quasi vom Landwirt nebenan direkt auf die Baustelle kommen. Kurze Wege und eine Verarbeitung ohne vorherige Bearbeitungsschritte sind aktuell ein großer Pluspunkt. Doch wer an Stroh denkt, denkt vielleicht auch an den Brandschutz. Oder es bestehen Bedenken, ob ein derart uneinheitlicher Baustoff baurechtliche Standards erfüllen kann. Doch die Sorgen sind unbegründet. Nur loses Stroh ist leicht entflammbar. Und bei den baulichen Vorgaben zur Energieeffizienz ist der Baustoff schon in der aktuellen Praxis angekommen.
Adina Lange ist Zimmerin, Bautechnikerin und arbeite in der Weiterbildung am Norddeutschen Zentrum für Nachhaltiges Bauen in Verden. Außerdem ist sie ein Vorstandsmitglied beim Fachverband Strohballenbau Deutschland, der auf seiner Website ein ausführliches FAQ zum Einsatz von Stroh beim Bauen bereitstellt. Im Interview erklärt die Handwerkerin, warum Stroh als Dämmstoff gerade jetzt gefragter wird.
Interview mit Adina Lange vom Fachverband Strohballenbau
Wie verbreitet ist es bislang, Stroh als Dämmstoff einzusetzen?
Adina Lange: Im Vergleich zu industriellen Dämmstoffen ist die Verwendung von Strohballen im Bauwesen noch relativ gering. Das Interesse daran steigt stetig. Wir gehen von jährlich 50 Bauvorhaben in Deutschland aus, die mit Baustrohballen gedämmt werden. Der Trend dürfte sich fortsetzen, weil ein 36cm dicker Strohballen Passivhaus-Qualitäten mit sich bringt und uns eine drastische Energieeinsparung im Gebäudesektor bevorsteht. Vor allem für unsere Bestandsgebäude.

Stroh als Dämmstoff mit guter Ökobilanz
Spricht man vom Bauen mit Stroh oder von Strohhäusern, dann ist damit gemeint, dass die Häuser mit Stroh gedämmt sind. Oder gehört da mehr dazu?
Die Begrifflichkeiten sind hier nicht klar voneinander zu trennen. Der Strohballen kann als Baustrohballen verwendet werden. Hierzu benötigt er bestimmte Eigenschaften. Bauen mit Stroh kann aber auch das Bauen mit Einblasstroh oder Strohbauplatten meinen. Stroh hat eine hervorragenden Ökobilanz und eignet sich sehr gut als Dämmstoff. In der Regel werden die Strohballen nicht lasttragend als Gefachedämmung in einer Holzrahmenständer-Konstruktion verbaut und dann direkt verputzt. Es werden auch Strohballen in anderen Bauteilen verwendet wie z.B. bei einer aufgeständerten Bodenplatte oder auf dem Dach. Einen wesentlichen Unterschied macht es, wenn die Strohballen statische Funktionen im Gebäude übernehmen. Dann spricht man von einer lasttragenden Bauweise. Da aber in beiden Bauweisen ein großer Anteil der Wände aus Strohballen errichtet sind, wird in beiden Fällen von Strohhäusern bzw. Strohballenhäusern gesprochen.
Wie teuer ist das Dämmen mit Stroh im Vergleich zu anderen Dämmstoffen?
Momentan sind die Kosten für energieintensive Baustoffe stark gestiegen. Das ist bitter für die Bauherrenschaft, aber notwendig um die wahren Kosten zu enttarnen. Klimabelastende Produktionen sollten zu Recht teurer sein und ökologisch, nachwachsende Baustoffe günstiger. Momentan zeichnet sich das auch ab. Dennoch sind sowohl konventionelle, als auch andere nachwachsende Dämmstoffe teurer als Strohballen, zum Teil doppelt so teuer. Schließlich kann der Ballen vom Acker nebenan kommen und überzeugt allein durch seine Eigenschaften, ganz ohne teure Werbekampagnen.
Vorteil: die regionale Verfügbarkeit von Stroh als Dämmstoff
Welche Rolle spielt der aktuelle Baumaterialmangel – steigt das Interesse an solchen Alternativen, weil die herkömmlichen Stoffe schlechter verfügbar sind?
Ja, das ist durchaus möglich. Lange Lieferzeiten sind derzeit an der Tagesordnung und regional verfügbare Strohballen können auch kurzfristig lieferbar sein. Hierzu gibt es ein Netzwerk von Landwirt*innen, die in ganz Deutschland Baustroh-Qualität vorhalten und liefern.
Baustroh gibt es in fertigen Montagesystemen. Was genau bedeutet hierbei "Montagesysteme" – gehört mehr dazu, als die Strohballen selbst?
Ja, ein Montagesystem ist in der Regel eine Halterung oder Rahmung für die Ballen. Diese sind in der Regel aus Holz, können aber auch aus einer Konsole oder Ähnlichem bestehen.
Welche Vor- und Nachteile haben diese Systeme und wie groß ist die Nachfrage?
Strohballenbau kann in Vorfertigung errichtet werden. Es gibt einzelne Firmen, die ganze Wandelemente liefern und vertreiben. Sie sind auf örtlich ansässige Handwerksfirmen angewiesen, die diese Elemente aufrichten. Das Angebot ist hier noch überschaubar, auch weil für viele Bauherr*innen die Regionalität mit kurzen Transportwegen wichtig sind. Mitunter wollen sie auch selber mit Hand anlegen und Strohballen in die Holzkonstruktion einbauen. Häufiger ist eine regionale Vorfertigung bei den Handwerksbetrieben in der Halle. Strohballen kann man aber auch als insitu verbauen, das heißt auf der Baustelle ist der Rohbau aus Holzrahmenelementen mit einem regensicheren Unterdach gerichtet. Dann werden die Strohballen angeliefert, trocken im Haus eingelagert und an den stehenden Wänden eingebaut. Der Vorteil ist, dass es beim Richten noch kein Stroh in den Wänden gibt, was nass werden kann. Außerdem ist die Montage der Wände einfacher und auch für kleine Firmen und Soloselbstständige wird sie ohne große Vorfertigungsstraße möglich. Ein Nachteil ist dann aber die längere Bauzeit vor Ort und dass der Einbau der Strohballen leicht erschwert ist vor Ort – denn man muss ja gegen die Schwerkraft arbeiten.
Baustoff Stroh: kein Industrieprodukt mit immer gleichen Werten
Müssen sich Baufirmen, die diese Systeme anbieten wollen, beim Bauen auf Besonderheiten einstellen oder lässt sich das verwenden wie jeder andere Dämmstoff auch?
Wer mit Stroh bauen möchte, sollte sich vorab im Klaren darüber sein, dass es ein landwirtschaftliches Produkt ist und nicht wie ein Industrieprodukt immer gleich von den Abmessungen und der Rohdichte ist. Wenngleich die Ballenqualitäten mit der dazugehörigen Presstechnik sehr fortgeschritten und digitalisiert sind. Bei der Verarbeitung der fertigen Montagesysteme ist auf die Angaben der Anbieter zu achten. Hier können wir keine allgemeinen Aussagen treffen. Wer Strohballenbau selbst als Firma anbieten möchte, sollte sich mit der vorhandenen Literatur auseinandersetzen. Wir empfehlen Weiterbildungskurse oder die Mitarbeit auf einer Strohbaustelle.
Infos zum Bauen mit Stroh gibt es unter anderem …