Deutsche Arbeitnehmer sind gestresst und ständig beruflich aktiv. Die Diagnose Burnout hat Hochkonjunktur. Gesundheitsminister Bahr setzt sich deshalb für ein neues Präventionsgesetz ein. Arbeitsministerin Von der Leyen plädiert für klare Regeln, wann Arbeitnehmer per Handy und Mail erreichbar sein müssen. Die Krankenkassen sparen jedoch gerade bei den Präventionskosten.

Aufputschmittel, um beim Arbeiten lange durchzuhalten und viel zu leisten, gehören für immer mehr Deutsche zum Alltag. Das ergab erst kürzlich der Fehlzeitenreport der AOK. Zwar sinkt die Zahl der Krankschreibungen in Deutschland immer mehr ab, aber trotzdem leiden auch viele Arbeitnehmer unter steigenden Belastungen und der ständigen Erreichbarkeit. Der Stress hat jedoch auch gesundheitliche Folgen.
Um den Belastungen möglichen Folgeerkrankungen vorzubeugen, sollte jeder möglichst einen Ausgleich schaffen und Gesundheitsprävention betreiben. Viele Krankenkassen werben mit Fitnessprogrammen, Entspannungskursen und anderen Maßnahmen, für die die Versicherten auch noch Bonuspunkte sammeln und am Ende Geschenke oder Geld bekommen können.
Weniger Rückengymnastik und Burnout-Prävention
Mehr ausgeben wollen die Kassen allerdings nicht. Nach Angaben des "Spiegels" sparen sie sogar explizit bei der Gesundheitsvorsorge ihrer Mitglieder. Von 2008 bis 2012 kürzten sie die Ausgaben für Anti-Stress-Maßnahmen und Gesundheitsförderung um 30 Prozent auf durchschnittlich 3,41 Euro pro Versicherten und Jahr. Zusätzlich versuchen die Krankgeschriebenen so schnell wie möglich wieder zum Arbeitsplatz zurückzuschicken.
Um diese Praxis jetzt besser zu kontrollieren und mehr Menschen zur Gesundheitsvorsorge zu motivieren, möchte die Bundesregierung nun ein neues Präventionsgesetz einführen. Es soll die Kassen ab 2014 dazu verpflichten, für jeden Versichertem sieben Euro für Prävention auszugeben. Über den Entwurf soll am Mittwoch der Gesundheitsausschuss des Bundesrates beraten. Im Bundestag ist der Beschluss dafür bereits gefallen.
Wie das Nachrichtenmagazin berichtet, sind von den Kürzungen vor allem Individualmaßnahmen für die Versicherten betroffen, heiße es in einem internen Vermerk des Gesundheitsministeriums. Dazu zählen etwa Wirbelsäulengymnastik oder Burnout-Prävention – wichtige Maßnahmen speziell für körperlich arbeitende Menschen gerade im Handwerk.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) forderte die von SPD und Grünen regierten Länder auf, dem Gesetz am 20. September – zwei Tage vor der Bundestagswahl – in der Länderkammer doch noch zuzustimmen. Zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, mehr Geld für die Gesundheitsvorsorge in Betrieben und in Kitas und Schulen gerade in sozialen Brennpunkten seien besonders wichtig, mahnte Bahr in der "Welt".
Zusätzlich nahm es Bezug auf die Meldungen, dass krankgeschriebene Arbeitnehmer von den Krankenkassen sehr schnell wieder zurück an den Arbeitsplatz geschickt werden. Er möchte diese Praxis nun erschweren. "Falls Krankschreibungen pauschal, massenhaft und nur nach Durchsicht der Akten zurückgewiesen werden, dann ist das nicht in Ordnung", sagte Bahr. Er sprach sich dafür aus, in Zweifelsfällen genaue Untersuchungen zur Pflicht zu machen.
"Leistungsbereitschaft nicht zwangsweise einschränken"
Gegen die steigenden Belastungen in der Arbeitswelt möchte auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgehen. Sie plädiert deshalb für Maßnahmen gegen störende E-Mails und Anrufe von Arbeitgebern in der Freizeit der Mitarbeiter. Und sie geht mit gutem Beispiel voran. Aber auch in Wirtschaft und Verwaltung zeigen immer mehr Chefs Verständnis für die nötigen Ruhephasen ihrer Mitarbeiter.
So wollen immer mehr Konzerne und auch Behörden der ständigen Erreichbarkeit einen Riegel vorschieben. Nachdem zuletzt mehrere Unternehmen wie die Autobauer Daimler, VW und BMW Richtlinien für eine Funkstille nach Feierabend und im Urlaub verschärft hatten, zog jetzt das Bundesarbeitsministerium nach: In einem neuen Kodex verpflichtet sich das Ressort von Ursula von der Leyen (CDU), Mitarbeiter nur noch in Ausnahmefällen außerhalb der Dienstzeit zu kontaktieren.
Zwar wächst in der Wirtschaft das Verständnis für ein Gegensteuern. Insgesamt müsse aber jede Firma selbst wissen, wie sie Burnout-Gefahren begegnet, meldet der Arbeitgeberverband BDA. "Die deutschen Arbeitgeber gehen verantwortungsvoll mit Arbeitszeit und Freizeit ihrer Mitarbeiter um", heißt es aus dem Verband. Zugleich dürfe man freiwilligen Einsatz nicht dämpfen: "Engagement und Leistungsbereitschaft sollten nicht zwangsweise eingeschränkt werden." dhz/dpa