Die Ampelkoalition und die Union haben sich auf eine einheitliche Linie bei der Bürgergeld-Reform verständigt. Diese beinhaltet deutliche Veränderungen zum ursprünglichen Gesetzesentwurf.

Vertreter der Ampel-Fraktionen und der Union haben sich auf eine gemeinsame Linie bei der Bürgergeld-Reform geeinigt. "Es ist ein tragfähiger Kompromiss", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zeigte sich nach den Beratungen zufrieden. "Die Vertrauenszeit wird komplett gestrichen", sagte er mit Blick auf eine wichtige Forderung der Union. Über den Kompromiss muss jetzt der Vermittlungsausschuss abstimmen, bevor er am Freitag in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden kann. Ziel ist es, das bisherige Hartz-IV-System durch das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 abzulösen.
Keine Vertrauenszeit
Der gefundene Kompromiss sieht deutliche Veränderungen zum ursprünglichen von der Ampel beschlossenen Gesetzesentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vor. So soll es wegen der massiven Kritik der Union keine Vertrauenszeit von sechs Monaten zu Beginn des Bezugs von Bürgergeld geben. Vielmehr sollen Empfänger vom ersten Tag an mit Leistungskürzungen rechnen müssen, sollten sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, betonte Merz. Dabei sollen die Leistungskürzungen gestaffelt werden.
Von Anfang an gestaffelte Leistungskürzungen
Kommt ein Bezieher von Bürgergeld der Pflicht zur Mitwirkung nicht nach, soll er beim ersten Mal für einen Monat zehn Prozent weniger Leistung bekommen. Wiederholt sich der Fall, sollen für zwei Monate zwanzig Prozent gestrichen werden. Sollte es nochmals dazu kommen, werden 30 Prozent für drei Monate gestrichen. Höhere Sanktionen als 30 Prozent sind nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2019 nicht möglich. Ursprünglich sollte es eine Vertrauenszeit von sechs Monaten geben, in der Leistungskürzungen von zehn Prozent nur in Ausnahmefällen möglich gewesen wären. Etwa dann, wenn ein Leistungsbezieher die vereinbarten Termine mit dem Jobcenter mehrmals nicht nachkommt.
Karenzzeit halbiert – Schonvermögen vermindert
Eine Verständigung konnten Ampel und Union darüber hinaus beim so genannten Schonvermögen und bei der Karenzzeit erreichen. So soll die Karenzzeit auf ein Jahr halbiert werden. In dieser Zeit müssen Leistungsbezieher das Ersparte nicht aufbrauchen. Die Altersvorsorge wird davon komplett ausgenommen und geschützt. Verschont werden soll dabei ein Vermögen von 40.000 Euro für die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft und jeweils 15.000 Euro für jede weitere Person innerhalb des Haushalts. Nach den bisherigen Beschlüssen sollte niemand innerhalb einer Karenzzeit von zwei Jahren sein Vermögen antasten müssen, sollte es nicht 60.000 Euro beziehungsweise 30.000 Euro für jede weitere Person innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft übertreffen.
Höhere Zuverdienstgrenzen als im Hartz-IV-System
FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel zeigte sich insbesondere mit den geplanten Zuverdienstregeln zufrieden. "Für mich ist ein Kernstück der Reform die Reform der Zuverdienstregeln", betonte er. Dafür habe die FDP lange gekämpft. Mit dem Bürgergeld lohne sich Anstrengung jetzt mehr. Denn vom Zuverdienst sollten Leistungsempfänger künftig mehr Geld behalten dürfen als es im heutigen Hartz-IV-System möglich sei. Dies gelte insbesondere auch für junge Menschen, die aus Hartz-IV-Familien kommen. Sie sollen nach den Worten Vogels künftig von ihrem Minijob die vollen 520 Euro (bisher: 184 Euro) beziehungsweise von ihrer Ausbildungsvergütung sogar mehr als 600 Euro (bisher: rund 200 Euro) behalten dürfen.
Anpassung der Regelsätze unumstritten
Unumstritten war von Anfang an die Erhöhung der Regelsätze. So soll nach wie vor der heutige Hartz-IV-Regelsatz von 449 auf 502 Euro zum Jahresanfang 2023 steigen. Dass es mindestens so viel sein muss, ist wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten unstrittig. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann begrüßte den Kompromiss. Haßelmann bedauerte allerdings, dass die ursprünglich geplante Vertrauenszeit in den Vorverhandlungen weggefallen sei.