Energiekrise, Pandemie und Materialmangel bereiten dem Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk wenig Sorgen. Die Branche treiben andere Themen um, sagt Bundesinnungsmeister Markus Steininger. Es mangelt an Nachwuchs und die Grabkultur wandelt sich.

Immer mehr Menschen bezeichnen sich selbst als Atheisten. Klassische Friedhöfe bekommen Konkurrenz durch Friedwälder und Urnengräber. Grabschmuck wird schlichter und Gräber werden schneller aufgelöst. Haben diese Entwicklungen Auswirkungen auf die Aufträge von Steinmetzen, die auf Grabmäler spezialisiert sind?
Markus Steininger: Ja, das hat natürlich Auswirkungen. Wobei, bezogen auf Bayern, Steinmetze, die handwerklich individuell gestaltete Grabmäler herstellen, voll beschäftigt sind. Wo die Nachfrage etwas nachlässt, sind Fertiggrabsteine aus Indien- und China. Die sind gestalterisch und qualitativ eher schlecht. Außerdem kommt da auch das Thema Nachhaltigkeit ins Spiel. Grabmale aus der Region sind viel umweltfreundlicher, als solche, die erst lange nach Deutschland transportiert werden. Die Grabsteine werden zwar weniger, aber die Leute, die noch welche kaufen, schauen viel genauer hin. Die geben mehr Geld aus und wollen dafür etwas Individuelles und Spezielles.
In Bedrängnis kommen die Steinmetzbetriebe also nicht?
Wenn der Betrieb auf mehreren Standbeinen steht, nicht. Aber wenn er jetzt nur Grabmale macht und dabei ausschließlich Fertigware verkauft, gibt es meiner Meinung nach schon Steinmetze mit Problemen. Grob geschätzt gibt es 65 Prozent sehr kleine, rein auf Grabmäler spezialisierte Firmen. Und wenn diese dann nicht individuell arbeiten und zusätzliche Geschäftsfelder wie Gartengestaltung oder Bau hinzunehmen, können sie durchaus Probleme bekommen.
Herausforderungen durch Krisen
Was für Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf das Steinmetz- und Steinbildhauer-Handwerk?
Wir haben eigentlich überhaupt keine negativen Auswirkungen bemerkt. Die Leute sind natürlich während der Corona-Zeit zu Hause geblieben und konnten ihr Geld anstatt für Urlaub für Haus-Renovierungen ausgeben. Und aus diesem Grund haben alle auf dem Bau tätigen Steinmetzbetriebe eine absolute Vollauslastung gehabt. Die meisten Firmen arbeiten diese Aufträge zurzeit immer noch ab.
Wie hart ist die Steinmetz-, und Steinbildhauer-Branche vom Fachkräftemangel betroffen?
Die Lehrlinge sind in den letzten 15 Jahren immer weniger geworden. Die Anzahl ist von ungefähr 2200 auf 720 gesunken. Die letzten zwei Jahre ist die Zahl aber kontinuierlich um ungefähr fünf bis sechs Prozent wieder angestiegen. Der Fachkräftemangel macht uns aber trotzdem sehr zu schaffen. Das ist einfach ein Problem heutzutage im Handwerk.
Welche Herausforderungen bringt die Energiekrise für die Steinmetz-, und Steinbildhauer-Branche mit sich? Sind die gestiegenen Energiepreise ein großes Problem? Gibt es Materialmangel?
Materialmangel hat bei uns, wie bereits zu Corona-Zeiten, keine Bedeutung, weil wir davon ausgehen, dass Naturstein immer vorhanden ist. Naturstein muss nicht extra produziert werden, anders als beispielsweise Fliesen. Die hohen Energiepreise treffen uns aber trotzdem, da auch wir produzieren und unsere Maschinen mit Strom laufen. Mein Betrieb wird nächstes Jahr genau das Doppelte an Gaskosten haben. Die Höhe der Stromkosten steht noch überhaupt nicht fest.
Wissen Sie von Steinmetzen, die ihre Existenz wegen der Energiekrise gefährdet sehen?
Also da ist mir persönlich nichts bekannt, weil wir ja eher harmlosere Energie-Verbraucher sind. Von einer absoluten Existenzgefährdung möchte ich also derzeit nicht sprechen.
Modernisierung und Digitalisierung
Führen die Trauergedenktage in der heutigen Zeit noch zu mehr Aufträgen für Steinmetze?
Also es existiert ein Unterschied, ob ein Betrieb auf dem Land oder in der Stadt angesiedelt ist. In der Stadt verteilen sich die Aufträge über das ganze Jahr. Auf dem Land gibt es vor Allerheiligen und Allerseelen verstärkt etwas für Steinmetze zu tun. Aber diese große Bedeutung wie vor 30 Jahren herrscht nicht mehr vor. Früher sind die Leute an Allerheiligen, Allerseelen oder Totensonntag ans Grab gegangen und wollten alles schön hergerichtet haben, auch wenn sie das ganze Jahr über nicht da waren. Dann haben sie eine Woche vorher den Steinmetz beauftragt, das Grab zu richten. Diese Situation gibt es heute nicht mehr so. Die Leute haben Allerheiligen nicht mehr so im Fokus.
Das Kundenverhalten hat sich also verändert?
Ja, viele Leute wollen kein Grabmal mehr. Wobei ich inzwischen merke, dass viele junge Leute sich entgegen dem Trend wieder einen Grabstein wünschen, weil sie einfach einen Ort der Trauer brauchen. Ich kenne es aus dem Freundeskreis. Da gab es eine Asche-Verstreuung und kurz danach haben sich alle Leute gefragt, an welchem Ort sie trauern sollen. Im Baubereich hat sich die Situation mit den Bauträgern zum Beispiel in München geändert. Früher haben hochwertige Steinmetz-Firmen selten für Bauträger gearbeitet. Heute wollen Bauträger die besten Firmen, auch wenn diese mehr Geld kosten. Denn dadurch bekommen sie auch mehr Geld für ihre Objekte. Die Leute wollen Qualität. Und auch das Thema Nachhaltigkeit im Bau wird immer wichtiger. Das ist etwas was sich allgemein im Steinmetz-Handwerk bemerkbar macht.
Wie hat sich das Berufsfeld des Steinmetzes entwickelt?
Das Berufsfeld hat sich sehr stark verändert. In meiner Lehrzeit war es noch toll, einen Gabelstapler zu haben. Heute ist das alles Standard. Es wird viel weniger Gewicht selber gehoben. In den letzten 15 Jahren hat die Digitalisierung im Maschinenbereich und der Produktion voll eingeschlagen. Wir haben heute einen sehr hohen technischen Standard. Bei großen Firmen kommt auch die Robotertechnik zum Einsatz. Für Restaurierungen oder Neu-Erstellungen wie jetzt zum Beispiel an den Adlern beim Berliner Schloss, wird mit dem Roboter vorgearbeitet und der Bildhauer verpasst per Hand dem Bauteil den letzten Schliff.
Das Berufsbild
Das Steinmetzhandwerk hat ja ein großes Aufgaben-Spektrum. In was für Tätigkeitsfeldern arbeiten Steinmetze und Steinbildhauer heute?
Wir haben von der klassischen Seite her das Thema Grabmal. Außerdem ist die Restaurierung von Kirchen und alten Bauten ein Tätigkeitsfeld. Als drittes gibt es den Bau-Bereich, der sich unterteilt in Innenausbau und Fassaden und teilweise auch Gartenanlagen, die aus Naturstein gemacht werden. Es gibt also wahnsinnig viele Möglichkeiten sich nach der Ausbildung auf einen bestimmten Bereich zu konzentrieren.
Was ist das Besondere am Beruf?
Besonders ist, dass ein Steinmetz ein Leben lang die Dinge sehen kann, die er gemacht hat. Wenn ich am Münchner Rathaus vorbeischaue, dann weiß ich genau, an welchen Teilen ich dort in meiner Lehrzeit gearbeitet habe. Das ist für mich persönlich schon ein spannender Moment. Bei mir ist die Lehre jetzt bereits 50 Jahre her und die Sachen stehen immer noch.
Was für Fähigkeiten sollten Steinmetze und Steinbildhauer besitzen?
Eine gewisse Zähigkeit und Ausdauer ist von Vorteil. Wichtig ist auch eine kreative Ader, sowie räumliches Verstehen, also eine räumliche Vorstellungskraft. Mathematisches Verständnis ist vorteilhaft, um Sachen zu berechnen. Bei den benötigten Fähigkeiten kommt es aber ebenso auf das genaue Arbeitsfeld an, denn es gibt auch einfachere Tätigkeiten, wo es keine besonderen Fähigkeiten braucht.
Frauen in der Branche
Welche Chancen haben Frauen im Steinmetz-, und Bildhauerhandwerk?
Frauen haben eine gute Chance im Bildhauer- oder Steinmetzhandwerk. Wir haben bei uns im Unternehmen zum Beispiel drei Frauen. Meine Tochter hat Steinmetz gelernt und macht die ganze Administration für den 22 Mitarbeiter starken Betrieb. Dann haben wir zurzeit ein Lehrmädchen und eine Schriftgraveurin. Wir haben schon oft Frauen ausgebildet und haben da nur beste Erfahrungen mit gemacht. Die Zeiten der richtig harten Arbeit im Steinmetzhandwerk sind zum großen Teil auch vorbei. Als Chef achte ich natürlich darauf, dass eine Frau keine zentnerschweren Steine tragen muss. Es gibt so viele Möglichkeiten und Aufgaben in unserem Handwerk. Für jede Frau ist etwas dabei.
Die Konkurrenz
Wer sind die härtesten Konkurrenten der Steinmetze?
Im Ausland beim Grabmal sind das Billig-Produkte aus Indien und China. Im normalen Hausbau wird die Chinaware jetzt allerdings stark zurückgedrängt, weil die Frachtkosten sich verzehnfacht haben. Deswegen lohnt sich diese Ware oft nicht mehr. Konkurrenz aus anderen Handwerksbranchen haben wir durch Fliesenleger und andere Betriebe, die versuchen den Naturstein mitabzudecken. Oft liefern diese Firmen aber nicht so hochwertige Arbeit ab, weil das spezifische Fachwissen fehlt. Natursteine sind etwas anderes als Fliesen oder Gipskarton. Naturstein ist ein lebendiges Material und nicht tot wie ein künstlich hergestelltes Bauprodukt. Da gibt es viele Dinge zu beachten, damit nichts schief geht.
Vorteile durch den Bundesverband
Was genau tut der Bundesverband der deutschen Steinmetze für seine Mitglieder? Was sind die Vorteile?
Der Bundesverband kümmert sich um das komplette rechtliche Grundgerüst der Betriebe. Dazu gehören Themen wie die Rentenkasse, das Berufsbildungswerk, Normenausschüsse und Arbeitskreise in den drei großen Richtungen des Steinmetz-, und Steinbildhauerhandwerks. Des Weiteren unterstützt er bei der Gefährdungsbeurteilung. Wenn es heute keinen Bundesverband mehr gäbe, dann würde das Rechtliche von Leuten aufbereitet werden, die keine Ahnung vom Steinmetzhandwerk haben. Die Betriebe würden sofort an die SOKA-BAU (Sonderkasse-Bau) fallen und im Januar immer das gesamte Urlaubsgeld in die Kasse einzahlen müssen. Über den Bundesverband zahlen die Firmen in eine eigene Rentenkasse ein, die sehr gut ausgestattet ist und von allen Sonderkassen die höchste Rentenbeihilfe bezahlt. Also viel mehr als die „große“ SOKA-BAU. Ohne den Verband würden die Steinmetze das verlieren. Außerdem können sie sich betriebswirtschaftlich oder technisch beraten lassen. Des Weiteren haben Mitglieder die Möglichkeit über die BAMAKA, eine Einkaufsgenossenschaft, vergünstigt einzukaufen. Wenn ein Unternehmen clever agiert, hat es seine Innungsbeiträge durch die Vergünstigungen jedes Jahr wieder reingeholt.