Handwerk fährt Fahrrad Stadtradeln: Teambuilding auf dem Fahrradsattel

Im Sommer 2022 treten wieder viele Teams beim Stadtradeln in die Pedale – auch aus dem Handwerk. So entdecken Betriebe, wie sich das Radfahren in den Arbeitsalltag integrieren lässt und warum es sich lohnt, auch nach der Kampagne dabeizubleiben. Handwerkspolitiker spüren hautnah, wo es bei der Infrastruktur mangelt.

Stadtradeln #Teambrönnecke
#Teambrönnecke von der Zimmerei Brönnecke aus Pulheim war aktiv beim Stadtradeln dabei. - © Florian Brönnecke

Florian Brönnecke radelt. Umso mehr, seitdem der Zimmerermeister beim Stadtradeln mitgemacht hat – zum Betrieb und wieder nach Hause, zum Kunden und auch zu Baustellen. Für die 21 Radfahrtage im Zuge der Kampagne hat er einen alten Fahrradanhänger fahrtauglich gemacht. Normalerweise nutzt er für Fahrten mit Material und Werkzeug das Auto. Nun weiß er, dass auch das – zumindest teilweise – mit dem Fahrrad funktioniert. Sein Fazit lautet: "Eigentlich geht das schon; viel mehr Zeit kostet es auch nicht." Nach der Radelzeit, in der Florian Brönnecke gemeinsam mit seinen Mitarbeitern 2.171 Fahrradkilometer gesammelt hat, möchte er auch dabeibleiben. Er plant gerade, ein Lastenfahrrad für seine Zimmerei anzuschaffen.

Stadtradeln: Zimmerei sammelt über 2.000 Fahrradkilometer

Zwischen dem 23. Mai und 12. Juni fand das Stadtradeln in Pulheim bei Köln statt. Neun aktive Radfahrer bildeten dabei das #Teambrönnecke. Im Schnitt fuhren sie 241 Kilometer pro Person. Gemeinsam sparten sie damit 334 kg CO2 ein. Diese Bilanz motiviert zu mehr. So war nicht nur der Firmenchef während der aktiven Radelzeit im Rahmen der Kampagne bemüht, so viele Autokilometer zu ersetzen wie möglich. Vielmehr möchte er möglichst viel von der Radfahrfreude in den Betriebsalltag integrieren.

Schon vor der Teilnahme am Stadtradeln kamen einige seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Fahrrad zur Arbeit. Seit kurzem bietet er ihnen an, über das Jobrad-Programm ein Fahrrad zu leasen und steuerlich begünstigt zu fahren. Er selbst möchte über das Programm das Lastenrad für den Betrieb anschaffen. So kam das Stadtradeln in Pulheim für die Zimmerei zum perfekten Zeitpunkt, um die Lust aufs Radfahren zu stärken und auch als Teambuilding-Maßnahme für den Betrieb.

Radfahrteams aus unterschiedlichen Gewerken

An der Radfahrkampagne sind aus dem Handwerk nicht nur Betriebe des Zweiradmechaniker-Handwerks beteiligt. Es sind Betriebe der unterschiedlichsten Gewerke und auch von Handwerkskammern und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) dabei. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin bildeten die ZDH-Radler das Team "Berliner Handwerk" mit 46 aktiven Radfahrern, die gemeinsam über 6.000 km zurücklegten.

Florian Brönnecke
Zimmerermeister Florian Brönnecke radelte beim Stadtradeln mit einem alten Fahrradanhänger zwischen Betrieb und Büro hin und her - teilweise mit Material. - © Florian Brönnecke

Dabei bekamen die Vertreter der Handwerkspolitik auch hautnah mit, an welchen Stellen Fahrradinfrastruktur und Verkehrspolitik Verbesserungsbedarf haben, damit mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Denn genau das ist auch ein Ansatz der Stadtradel-Kampagne. Sie setzt bei der Motivation fürs Radfahren an und bei den teilnehmenden Kommunen, die die eigentlichen Veranstalter sind. Dabei wählen diese einen Zeitraum von 21 Tagen zwischen Mai und September und organisieren den Wettbewerb gemeinsam mit den Kampagnenmachern vom Klima-Bündnis, einem Netzwerk europäischer Kommunen.

Stadtradeln für eine bessere Fahrradinfrastruktur

Beim Wettbewerb selbst geht es dann ums Kilometersammeln – immer im Team, denn Einzelkämpfer gibt es hier nicht. So treten in den teilnehmenden Kommunen Teams von Unternehmen, Schulen, Vereinen oder in anderen Zusammenschlüssen gegeneinander an. Sie zählen ihre zurückgelegten Radkilometer und die dabei erzielte CO2-Einsparung. Die Kommunen organisieren den Wettbewerb dann jeweils selbst und zeichnen die Gewinner aus. Im Gesamtwettbewerb treten dann wiederum die einzelnen Kommunen gegeneinander an und sie können sehen, wie sie nach dem Radelzeitraum im Ranking liegen.

Den Kampagnenmachern selbst ist ein Feedback besonders wichtig – ein Erfahrungsaustausch auch zu den Strecken, der Radinfrastruktur und der Verkehrspolitik für Radfahrer. So sagt Sebastian Reisch vom Klima-Bündnis: "Es geht uns auch darum, das Thema Radverkehr vor Ort in den Kommunen auf die politische Agenda zu bringen. Während der Aktion nehmen Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker selbst die Lenkerperspektive ein. Sie erfahren, wo die Kommune schon fahrradfreundlich ist und wo noch nachgebessert werden muss."

Gleichzeitig will das Klima-Bündnis Kommunen aber auch beim Ausbau der Radinfrastruktur unterstützen. Besonders wichtig sind laut Reisch dabei die von den Radelnden mit der Stadtradeln-App aufgezeichneten Strecken. Diese werden anonymisiert und anschließend wissenschaftlich ausgewertet. "Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich wichtige Fragen für die Radverkehrsplanung beantworten – z. B. wo sind wann wie viele Radlerinnen und Radler unterwegs, wo gerät der Verkehrsfluss ins Stocken, wo sind Wartezeiten an Ampeln unverhältnismäßig lang?", erklärt der Pressesprecher der Kampagne. Kommunen können diese Daten nutzen, um die Radinfrastruktur möglichst bedarfsgenau auszubauen. Gleichzeitig hat das Bündnis die Bürgerbeteiligungsplattform RADar! bereitgestellt. Hier kann man teilnehmenden Verwaltungen Schlaglöcher, plötzlich endende Radwege oder eine unübersichtliche Verkehrsführung direkt in einem digitalen Stadtplan melden.

Ziel des Stadtradelns: Möglichst viele Menschen aufs Fahrrad bringen

Doch Sebastian Reisch fügt auch hinzu, dass das wichtigste Ziel des Stadtradelns ist, möglichst viele Menschen aufs Fahrrad zu bringen. "Wir glauben, man kann den Menschen viel über die Vorteile des Radfahrens erzählen. Am wirksamsten überzeugt man sie aber, wenn sie für 21 Tage einfach mal selbst aufs Rad steigen."

Das hat gerade auch Robert Härtel vom ZDH-Team erlebt. Zwar radelt er auch im Alltag viel, aber während der 21 Tage des Stadtradelns hat er sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen nochmals anders und verstärkt über das unterhalten, was dazu beitragen kann, dass mehr Menschen Radfahren. "Hier in Berlin ist es bei dem Thema für viele wichtig, dass man das Fahrrad gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren kann – und das ist gar nicht immer so einfach", berichtet er. Härtel erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Fahrradabstellmöglichkeiten an den Bahnhöfen und im öffentlichen Bereich, die oft vergessen werden, wenn man an die Gestaltung einer benutzerfreundlichen Infrastruktur für Radfahrer denkt. Der ZDH-Mitarbeiter findet, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte, um so auch mehr Tempo hineinzubekommen, wenn es um einen fahrradgerechten Ausbau der Infrastruktur geht. Schließlich sei der Ansatz ausschließlich positiv: "Gut für die Umwelt und gut für jeden einzelnen – gerade wenn man viel am Schreibtisch sitzt", sagt er.

"Spannend, wie viel CO2 man einspart, wenn das Auto stehen bleibt"

Aber nicht nur gegen die einseitigen Bewegungen der Schreibtischarbeit hilft Radfahren. Auch als Abwechselung im Handwerksalltag ist es durchaus gesund. In Mannheim radelt gerade Oliver Gebauer vom Team des SHK-Betriebs Günther mit seinen Kollegen gemeinsam. Auch sie sammeln Stadtradel-Kilometer. Auch Gebauer hat dabei festgestellt, dass er seinen Weg zum Betrieb und zurück fast genauso schnell zurücklegt wie mit dem Auto – ganz ohne im Stau zu stehen. "Die einfache Strecke hat 13 Kilometer", sagt der Mitarbeiter des Handwerksbetriebs stolz. Er schätzt es sehr, dass er den täglichen Weg zur Arbeit gleichzeitig mit einem Sportprogramm verbinden kann. Doch er gibt auch zu, dass er mit dem E-Bike fährt. Auch er kann dabei ein Jobrad-Angebot seines Arbeitgebers nutzen. "Die Überwindung E-Bike statt Auto zu fahren ist bei mir geringer, wenn ich nicht völlig aus der Puste komme schon bevor ich mit der Arbeit beginne", sagt er. Er findet es beim Stadtradeln besonders spannend, dass er sieht, wie viel CO2 er einspart, wenn das Auto stehen bleibt.

Neben dem Mitradeln von Handwerksteams der verschiedenen Gewerke sind beim Stadtradeln in den einzelnen Kommunen natürlich auch viele Betriebe des Zweiradmechaniker-Handwerks aktiv und unterstützen oftmals durch Reparatur-Aktionen. So schätzt auch der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk das Potenzial der Stadtradel-Initiative und begrüßt die Teilnahme und Unterstützung durch regionale Zweirad-Betriebe. "Eine Veränderung im Denken und die Mobilisierung der kommunalen Politik hilft die Bereitschaft und Weichen für eine überregionale Mobilitätswende zu stellen", formuliert Felix Lindhorst als offizielle Meinung zum gemeinsamen Radeln der Kommunen im Sommer 2022.

Kreishandwerkerschaft organisiert Radtour

Im Sommer 2022 hat die Stadtradeln-Kampagne mittlerweile auch eine wirkliche Bekanntheit erlangt. Im Prinzip gibt es sie bereits seit 2008 – seitdem mit stark steigenden Teilnehmerzahlen. Und mancherorts verknüpfen Organisatoren von großen Radtouren sie auch mit der eigenen Veranstaltung. So macht das normalerweise die Kreishandwerkerschaft Rostock-Bad Doberan mit der Warnowtour. Das ist die größte familienfreundliche Radtour in Mecklenburg-Vorpommern, an der jedes Jahr über tausend Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer teilnehmen. Organisiert ist sie vom regionalen Handwerk. "Seit ein paar Jahren wird der Tag der Tour als Start für das Stadtradeln genutzt. Wir sprechen uns mit der Hansestadt Rostock ab und planen gemeinsam", berichtet Gabriela Glävke-Münkwitz, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. In diesem Jahr kann allerdings leider keine gemeinsame Veranstaltung stattfinden. Das Stadtradeln wurde wegen organisatorischer Probleme der Stadt in den August verschoben. Die Warnowtour fand bereits im Mai statt. 2023 soll beides aber wieder gemeinsam starten.