Umbruch der Geschäftsmodelle So reagiert das Handwerk auf die digitalen Plattformen

Mit wenigen Klicks finden Kunden über digitale Plattformen heute den passenden Handwerker. Die Branche steht vor einer großen Herausforderung. Wie soll sie auf die Anbieter reagieren? ­Die Meinungen gehen weit auseinander.

Steffen Guthardt

Zusätzliche Einnahmequelle oder Gefahr für die Betriebe? Digitale Plattformen werden sehr unterschiedlich bewertet. - © AntonioDiaz - stock.adobe.com

Manch Handwerksunternehmer sieht in ihnen eine Chance für neue Kunden und Umsatzerlöse, andere sorgen sich um ihre Macht und ihren Einfluss. Die digitalen Plattformen polarisieren das Handwerk.

Christoph Krause, Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk (KDH) in Koblenz, ist sich sicher, dass sich der Trend zu plattformbasierten Geschäftsmodellen nicht mehr aufhalten lässt. "Im Gegenteil, sie werden sich weiter ausbreiten", ist Krause überzeugt. Das Kompetenzzentrum werde mit Anfragen von Handwerkern zu den digitalen Plattformen überrannt, berichtet er.

Gerade im Hinblick auf die zunehmenden Personalsorgen im Handwerk sieht er in den Plattformmodellen viel Potenzial fürs Handwerk. "Wir werden künftig nicht mehr Fachkräfte bekommen, sondern demografisch bedingt immer weniger. Die Plattformen bieten Betrieben die Möglichkeit, administrative Aufgaben auszulagern und sich ganz auf ihr Handwerk zu konzentrieren", sagt Krause. Dank der Plattformen ließen sich Aufträge mit weniger Aufwand und weniger Personal ausführen.

Die Hoheit der Daten

Doch genau an diesem Punkt treffen Befürworter und Gegner der Plattformen aufeinander. Einen Teil der Auftragsleistung an den Plattformanbieter auszulagern, sehen die Skeptiker als riskant an. Sie fürchten, die Hoheit über das Geschäft zu verlieren und wichtige Daten aus der Hand zu geben. Diese Sorgen kann KDH-­Experte Krause nachvollziehen. Er empfiehlt den Betrieben, sich zuerst ausführlich mit den verschiedenen Plattformen am Markt zu beschäftigen, bevor voreilig eine Kooperation geschlossen wird. "Wo sitzt die Plattform? Was macht sie mit meinen Daten? Und welche Art von Partnerschaft gehe ich ein?" Dies seien grundlegende Fragen, die zunächst beantwortet werden sollten. Krause fordert in diesem Zusamenhang auch eine stärkere Unterstützung und Aufklärung seitens der Politik im Plattformdschungel .

Potenziale sieht Krause nicht nur in den Plattformen, die sich an den Endkunden richten, sondern auch in Plattformen, über die sich Handwerker, Lieferanten und Hersteller untereinander vernetzen. Beispielsweise könnten sich verschiedene Gewerke zusammenschließen, um gemeinsam einen Auftrag zu erledigen. Letztendlich führten Plattformen zu effizienteren Prozessen bei allen beteiligten Partnern.

Sorge um Rolle des Handwerks

Zu den Branchen, die stark von den Plattformentwicklung betroffen ist, zählt das SHK-Handwerk. Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), ist ebenfalls der Ansicht, dass die Chancen die Probleme der Plattformen überwiegen. Die Plattformen zu ignorieren, sei keine Lösung. "Unsere Kunden erwarten bei Produkten und Dienstleistungen inzwischen ein hohes Maß an digitalen Eigenschaften. Dieser Erwartungshaltung muss das Angebot des Handwerksbetriebs entsprechen", sagt Bramann. Plattformangebote könnten dabei eine große Hilfe sein, wenn sie die Rolle des Handwerkers nicht zum reinen Erfüllungsgehilfen degradieren, sondern in einem Partnermodell die Autonomie des Unternehmers uneingeschränkt akzeptieren, so Bramann weiter.

Das Handwerker künftig zu bloßen Erfüllungsgehilfen werden könnten, benennt der Verbandsobere als "eine unseren größten Sorgen". Deshalb würde der SHK-Verband seine Mitgliedsbetriebe gebetsmühlenartig bitten, darauf zu achten, welche Aufgaben an den Partner auf Betreiberseite der Plattform abgegeben werden. Neben auftragsbezogenen Serviceleistungen sorgt sich Bramann vor allem um die Daten, die vielfältig ausgearbeitet und weiterverarbeitet werden könnten.

In der SHK-Branche buhlt auch der Heizungsdienstleister Thermondo um Kunden. Thermondo war als Kooperationsplattform mit Handwerkern gestartet, ist aber inzwischen selbst ein eingetragener Handwerksbetrieb, der stark auf die Digitalisierung setzt. Stephan Herwig, Chief Marketing Officer des Unternehmens, will die Gefahr, das Handwerker durch Plattformen zu Erfüllungsgehilfen degradiert werden könnten, nicht kleinreden. Auch aufgrund "der Vernetzung und drohenden Datenmonopolisierung", so Herwig. Letztlich liege es aber an den Betrieben selbst, die wahren Bedürfnisse der Kunden zu erkennen und zu bedienen und den Plattformen und der Industrie nicht den Vortritt zu lassen.

MyHammer will keinen Einfluss nehmen

Claudia Frese, Vorstandsvorsitzende der Handwerker-Vermittlungsplattform MyHammer, sieht zumindest für ihr Portal keine Gefahr, dass Handwerker zum Erfüllungsgehilfen degradiert werden. "Wir stellen lediglich den Kontakt zwischen Endkunden und Handwerkern her und greifen weder in die Geschäftsbeziehung noch in die Preisbildung ein. Ebenso nehmen wir keinerlei Einfluss darauf, wie die Betriebe ihre Arbeit verrichten", sagt Frese.

Den besten Schutz vor der Abwertung des Handwerkers zum Erfüllungsgehilfen sieht KDH-Experte Krause in der Gründung eigener Plattformen. "Das Handwerk muss darauf achten, dass es die Wertschöpfungskette weiter mitbestimmt und nicht die Wertschöpfungskette über das Handwerk bestimmt", so Krause. Diese Art der Vernetzung widerspreche dem regionalen Wesen des Handwerks. Aber Plattformen bräuchten Reichweite, um zu funktionieren. Er schränkt allerdings ein, dass der einzelne Handwerksbetrieb bei der Plattformbildung nur als Ideengeber auftreten kann und bei der Umsetzung auf erfahrene Partner angewiesen sei.

Thermondo-Vertreter Herwig pflichtet Krause bei. "Unstrittig ist, dass sich immer mehr Deutsche im Internet über Handwerksdienstleistungen informieren. Für viele kleinere Betriebe stellt dies eine Herausforderung dar, weshalb sie gut beraten sind, sich digitalen Plattformen anzuschließen oder sich mit anderen Betrieben selbst in regionalen Plattformen zusammenzuschließen", sagt Herwig.

SHK-Verband plant Plattform

Dem widerspricht Andreas Owen, Geschäftsführer der Empfehlungsplattform wirsindhandwerk: "Die guten Handwerksbetriebe sind heutzutage weitestgehend ausgelastet und nicht auf Aufträge von einem Auftragsvermittlungsportal, wie zum Beispiel MyHammer, angewiesen." Er empfiehlt den Betrieben jedoch, auf ihre Reputation im Netz zu achten. weil die "Mund-zu-Mund-Empfehlungen zunehmend von der Offline- in die Online-Welt wandern würden.

ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Bramann verweist bei der Gründung eigener Plattformen von Handwerkern auf den Größenvorteil der Industrie. "Wir als Verbandsorganisation können da schon eher konkurrieren", sagt Bramann und verkündet in gleichem Atemzug: "Die Organisation wird für ihre Betriebe im neuen Jahr eine eigene Wartungs- und Modernisierungsplattform anbieten, die Kunden direkt zur digitalen Angebotserstellung an interessierte Betriebe weiterleitet."

Der Einstieg eines Handwerksverbands in das Plattformgeschäft könnte eine Signalwirkung für die gesamte Branche haben. KDH-Experte Christoph Krause geht ohnehin davon aus, dass sich das Plattformgeschäft in den nächsten Jahren stark wandeln wird und es zu einer Konzentration am Markt kommt. Das glaubt auch Andreas Owen: "Zum einen wird es einige Handwerksplattformen nicht mehr geben, da sich viele Angebote und Geschäfts­modelle sehr ähneln und sich nicht alle durchsetzen können. Zum ­anderen erwachen die Hersteller bzw. Händler und merken, dass sie im Bereich Digitalisierung sehr aktiv sein müssen, um die digitale Kunden- und Datenhoheit nicht ganz abzu­geben."

Handwerksunternehmen, die den digitalen Anbietern skeptisch gegenüberstehen und auch in Zukunft nicht auf den Plattformzug aufspringen wollen, empfiehlt Digitalisierungsexperte Krause eine möglichst weitgehende Spezialisierung ihrer Leistungen. "Je komplexer die Dienstleistung wird, desto uninteressanter ist sie für die Plattform, weil sie sich nur schwer skalieren lässt."

Helfen Plattformen dem Handwerk?

Jeremy Schwenold. - © privat

Pro
"Die digitalen Plattformen sind eine Bereicherung unser Geschäfts. Über sie können wir ein breites Spektrum an neuen Kunden erreichen, zu den wir sonst überhaupt keinen Zugang hätten. Unsere Reichweite hat sich deutlich erhöht. Inzwischen erledigen wir sogar im 100 Kilometer entfernten Mannheim Aufträge beim Kunden. Insbesondere von der jüngeren Zielgruppe erhalten wir über die Plattformen viele Anfragen. Für die jungen Leute ist es heute selbstverständlich, alles über das Internet zu erledigen. Da gehört auch die Handwerkersuche dazu. Ich bin mir ganz sicher, dass sich der Trend zu den digitalen Plattformen deshalb in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Was wir auch als Vorteil ansehen, ist die Art der Kontaktaufnahme zum Kunden über die Plattformen. Wir können den Kunden kontaktieren, wenn wir Zeit für ihn haben. Inzwischen machen wir etwa 60 Prozent unseres Umsatzes über Plattformen, Tendenz weiter steigend. Wir sind auf sie inzwischen angewiesen. Gäbe es sie nicht, müssten wir uns personell wieder verkleinern."

Jeremy Schwenold, Geschäftsführer Dach Express 2000 in Hanau.

Stephanie Prägert, Geschäftsführerin Moenner GmbH in München. - © Stephanie Prägert

Contra
"Wir legen großen Wert auf den persönlichen Kontakt zum Kunden. Bei der Auftragsvermittlung über die Plattformen bekommt man nur sehr wenige Informationen übermittelt. Wir wollen den Kunden aber individuell beraten, um auf seine ganz persönlichen Bedürfnisse bei der Gestaltung seines Bads eingehen zu können. Wir nehmen uns viel Zeit für das direkte Gespräch vor Ort und bieten drei Besprechungstermine an, bevor es zur Auftragsdurchführung kommt. Und unser Kunde soll wissen, mit wem er es auf der Baustelle zu tun hat. Wir beschäftigen keine Subunternehmer. Ganz besonders wichtig ist uns zudem die Qualität der ausgeführten Arbeiten beim Kunden. Wir wollen uns nicht an Rabattschlachten beteiligen, wie sie auf Plattformen üblich sind. Unsere Arbeit ist ihren Preis wert. Den Bädern, die über die Plattformen vermittelt werden, sieht man die mangelhafte Ausführung leider oft an. Eine seriöse Preis­politik ist uns nicht zuletzt im Sinne unserer Mitarbeiter ganz wichtig, damit wir faire Löhne bezahlen können."

Stephanie Prägert, Geschäftsführerin Moenner GmbH in München.