Die wertvollsten Unternehmen der Welt sind heute digitale Plattformen. Auch im Handwerk breiten sie sich immer weiter aus. Manche Unternehmen sehen darin eine Chance, andere fürchten um ihre Existenz.
Steffen Guthardt

Ob Amazon, Apple oder Facebook: Die einflussreichsten Unternehmen der Welt sind heute als Plattformen organisiert. Gemessen an ihrem Börsenwert verfügten im vergangenen Jahr sieben der zehn führenden Konzerne über ein plattformbasiertes Geschäftsmodell. Noch vor zehn Jahren zeichnete sich ein ganz anderes Bild. Mit Microsoft befand sich unter den Top-10-Unternehmen der Welt lediglich eine Plattform.
Makler zwischen Betrieb und Kunde
Der Trend ist längst auch im Handwerk angekommen. Die klassischen Vermittlungsplattformen schieben sich zwischen Betrieb und Kunden und nehmen die Rolle eines Maklers für Handwerkerleistungen ein. Allerdings ist Plattform nicht gleich Plattform. Inzwischen haben sich ganz unterschiedliche Typen herausgebildet, die Handwerker nicht nur mit ihren Kunden, sondern auch untereinander, mit den Produzenten und dem Handel vernetzen. Manche Plattformen sind selbst eingetragene Handwerksbetriebe, andere wiederum besitzen kein handwerkliches Know-how und konzentrieren sich auf die technische Infrastruktur in diesem wirtschaftlich attraktiven Marktumfeld.
Allen Plattformen ist jedoch gemeinsam, dass sie Geschäfte einfacher, schneller und effizienter gestalten wollen. Der größte Vorteil der Plattformen gegenüber den linearen Geschäftsmodellen liegt in ihrer Skalierbarkeit. Ist die Plattform einmal aufgebaut, kann sie theoretisch einer unbegrenzten Anzahl von Kunden eine ebenso unbegrenzte Menge an Produkten und Dienstleistungen anbieten. Der Aufwand für den Plattformbetreiber wächst dabei jedoch nicht in gleichem Maße wie die Zahl der Nutzer. Das macht dieses Geschäftsmodell für Anbieter so interessant und lukrativ.
Neun von zehn Bürgern nutzen Plattformen
Wie beliebt die Plattformen sind, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Ob Suchen bei Google, Einkaufen bei Amazon oder sich mit Freunden austauschen auf Facebook – etwa 90 Prozent der deutschen Bevölkerung kommen mit Plattformen in Kontakt. Im Handwerk ist die Entwicklung jedoch noch lange nicht so stark ausgeprägt. Der Wandel ist aber in vollem Gange: "Auch im Handwerk entstehen im Zuge der Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, die den Markt zum Teil verändern. Neue internet- und plattformgestützte Angebote dringen mit ihren Leistungen vereinzelt in Geschäftsbereiche vor, für die sich Kunden bislang in erster Linie an die ortsansässigen Handwerksbetriebe gewandt haben", heißt es vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Natürlich zielten die Plattformen darauf ab, bisherige oder potenzielle Kunden der Handwerksbetriebe an sich zu ziehen. Klassische Handwerksbetriebe täten gut daran, ihre Stärken bestmöglich mit digitaler Modernität zu verbinden, so der ZDH.
Laut einer aktuellen Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts stoßen bereits mehr als 100 Plattformen mit ihrem Angebot ins Handwerk vor. Trotz des zunehmenden Einflusses der Plattformen haben laut einer Analyse der Digitalverbands Bitkom vor allem kleinere Unternehmen noch keine Plattformstrategie. Unter 502 von Bitkom befragten Unternehmen ab 20 Mitarbeitern betrachten 63 Prozent die Plattformen als Geschäftschance. 27 Prozent der Befragten schätzen die Plattformen als Existenzrisiko ein.
Als Risiken werden der einfache Marktzutritt neuer Wettbewerber, ein erhöhter Preisdruck und der Verlust direkter Kundenbeziehungen betrachtet. Auch die Abhängigkeit vom Plattformbetreiber und die Weitergabe von Kundendaten werden kritisch gesehen. Zehn Prozent der Betriebe betrachten die Plattformen neutral.
Die vollständige Studie des Bitkom zu digitalen Plattformen können Sie hier herunterladen .
Abwarten ist keine Option
Wieso sollte sich das Handwerk in diesen Tagen mit digitale Plattformen auseinandersetzen? Die Geschäfte laufen auch ganz analog hervorragend und es bleibt oftmals gar keine Zeit, sich um andere Dinge zu kümmern. Doch gerade hier liegt die Gefahr. Noch erntet das Handwerk die Früchte seiner Arbeit. Aber das könnte sich bald ändern. Die digitalen Plattformen bieten ein Rundum-sorglos-Paket an, das für die bislang loyalen Kunden der regionalen Betriebe hochattraktiv ist. Bequem vom Sofa aus erhalten sie über die Plattformen mit wenigen Mausklicks ein reichhaltiges Angebot an Handwerkern, die versprechen, ihre Aufträge schnell, zuverlässig und oftmals auch zu einem verlockenden Preis zu erledigen. Der Trend zum Plattformgeschäft ist unumkehrbar. Um als Handwerker nicht auf der Strecke zu bleiben, liegt es nahe, mit den Plattformen Geschäfte zu machen. Doch Vorsicht: Es besteht die Gefahr, dass die Plattform dem Handwerker das Geschäft diktiert und er zum bloßen Erfüllungsgehilfen verkommt. Das kann nicht im Sinne des Handwerks sein. Betriebe sollten selbst das Heft in die Hand nehmen und sich zu Plattformen verbünden. Dabei gilt es, über den eigenen Schatten zu springen und bereit zu sein, um sich zu vernetzen. Nur wenn es dem Handwerk gelingt, trotz seiner regionalen Strukturen gemeinsam groß zu denken, kann es der Übermacht der Plattformen auf Dauer etwas entgegensetzen.
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