Die Bundesregierung hat eine klare Strategie für den Solarausbau – so viel, so schnell wie möglich. Damit wird Deutschland deutlich unabhängiger in der Energieversorgung. Beteiligt am Ausbau sind in erster Linie Elektriker und Dachdecker. Stemmen können sie ihn aber nur, wenn genügend Fachkräfte mithelfen. Im Zuge der Diskussion haben die Branchen Rahmenbedingungen formuliert, wie der Solarausbau gelingen kann.

Normalerweise braucht man von der Planung bis zur Installation einer Photovoltaikanlage rund acht Wochen Vorlauf. Die Anlage muss dimensioniert und Material muss bestellt werden. Ist dieses geliefert, kann es eigentlich losgehen. Die Praxis sieht derzeit allerdings anders aus – und das liegt kaum mehr am Materialmangel. "Wir planen aktuell mit einem Vorlauf von zwölf Monaten", sagt Felix Steber von der Firma Öko-Haus.
Schon vor über zwanzig Jahren hat das Handwerksunternehmen damit begonnen, Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen zu installieren. Einst galten sie als Exot, heute gehören sie zu der Boombranche schlechthin. Wenn da nicht der Fachkräftemangel wäre. Denn vor allem das fehlende Personal sorgt bei Felix Steber dafür, dass er die Nachfrage kaum bedienen kann.
Solarausbau bis 2030: PV-Leistung von 215 Gigawatt
Und diese soll noch weiter steigen. Denn Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, den Bruttostromverbrauch bis 2030 zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Derzeit stehen wir bei knapp unter 50 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, spielt der Solarausbau eine wichtige Rolle. Bis 2030 soll die installierte PV-Leistung bei 215 Gigawatt liegen. Bis zur Jahresmitte 2022 haben die bereits bestehenden Anlagen rund 63 Gigawatt Strom erzeugt.
Damit der Solarausbau gelingen kann, hat die Bundesregierung eine PV-Strategie erarbeitet und Maßnahmen festgelegt, damit mehr PV-Anlagen auf Hausdächern und Freiflächen installiert werden. 2023 läuft es damit bislang ganz gut und so kann das vorgegebene Zwischenziel von neun Gigawatt voraussichtlich erreicht werden. "Bereits im ersten Quartal 2023 wurden knapp 2,7 Gigawatt neu installiert", meldet die Bundesregierung. Doch ab 2026 sollen es dann sogar 22 Gigawatt Zubau jährlich sein – jeweils zur Hälfte aus Dach- und Freiflächenanlagen.
Funktionieren kann das nur gemeinsam mit dem Handwerk. Elektriker, Dachdecker und Betriebe wie die Firma Öko-Haus, die Mitarbeiter beider Branchen beschäftigen, sind es vorrangig, die die Anlagen planen, bauen und auf die Dächer bringen. In diesen Branchen wird der Solarausbau begrüßt, diskutiert und im Detail bewertet. So auch die PV-Strategie, die bereits jetzt schon wieder ein Update bekommen soll. Um den Solarausbau noch weiter voranzutreiben, sollen unter anderem Genehmigungsverfahren für Freiflächenanlagen beschleunigt, mehr Gewerbeflächen für PV-Anlagen genutzt und steuerliche Hürden abgebaut werden.
Fachkräftemangel hemmt Solarausbau
Verbesserungsvorschläge haben allerdings auch die Handwerksverbände der beteiligten Branchen. Eine besondere Rolle spielt dabei das, was Felix Steber aus der Praxis berichtet. Denn mit dem Solarausbau wächst der Fachkräftebedarf stetig. Nach Angaben des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) ist derzeit mit 47,4 Prozent bereits knapp die Hälfte der Betriebe im PV-Bereich tätig. Ein weiteres Drittel der E-Unternehmen, kündigte außerdem an, sich bis 2025 hier engagieren zu wollen. "Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Klimaschutztechnologien ist damit zu rechnen, dass in absehbarer Zukunft noch viele Betriebe ihren PV-Bereich ausbauen beziehungsweise dort tätig werden", teilt der Verband auf Anfrage mit.
Doch auch wenn das Geschäftsfeld rund um die Solarenergie viel Potenzial verspricht, werden Elektriker noch in anderen Bereichen benötigt und so warnt der Verband regelrecht davor, zu sehr auf nur ein Geschäftsfeld zu setzen. Mit einem diversifizierten Geschäftsmodell könne man viel flexibler auf Entwicklungen am Markt reagieren und auch Personal flexibler einsetzen. "Dass die Konzentration auf ein einziges Standbein schnell zur Gefahr werden kann, hat nicht zuletzt der nach dem PV-Boom in den 2010er Jahren einsetzende Sinkflug des PV-Bereichs gezeigt", gibt ZVEH-Hauptgeschäftsführer Alexander Neuhäuser zu bedenken.
Laut ZVEH stellen sich Betriebe mit einem diversifizierten Geschäftsmodell im Hinblick auf die zunehmende Sektorkopplung bzw. den zunehmenden Einsatz vernetzter Systeme mit Speichern und der Elektromobilität am zukunftsfähigsten auf. Denn der Verband erlebt eine insgesamt wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen im Bereich Energieversorgung, -erzeugung und -management und der zunehmenden Digitalisierung.
Gewerkeübergreifendes Arbeiten wird wichtiger
Um dem Fachkräftemangel etwas entgegnen, setzt das Elektrohandwerk vor allem auf Kooperationen bzw. das gewerkeübergreifende Arbeiten. Ende 2022 haben Elektro- und Dachdeckerhandwerk dazu eine Kooperationsvereinbarung getroffen mit dem Ziel, den Fachkräfteeinsatz wesentlich effizienter zu gestalten. "Jedes Gewerk macht die Arbeit, für die es qualifiziert ist und übergibt dann an das jeweils andere Gewerk. Das trägt dazu bei, das Tempo beim PV-Ausbau zu erhöhen – bei gleichzeitiger Gewährleistung der für den Ausbau notwendigen Qualität", beschreibt der ZVEH das Vorhaben. Geplant ist in diesem Rahmen gemeinsame Fortbildungen anzubieten und eine bessere Vernetzung der Betriebe zu organisieren.
Der ZVEH rechnet damit, dass sich unter anderem aufgrund einer auch bundesweit zu erwartenden PV-Pflicht, ein verstärkter Solarausbau auf jeden Fall bis 2030 fortsetzt. Deutlich spürbar ist dieser bereits seit 2021. Seitdem verzeichnen die Umsätze der Innungsbetriebe allein mit Installationen von PV-Anlagen starke Wachstumsraten. Zwischen Herbst 2022 und Frühjahr 2023 stieg der Umsatzanteil im PV-Bereich von 4,5 auf 5,8 Prozent an. Im Frühjahr 2021 lag er noch bei 2,2 Prozent.
Auch Felix Steber nennt das Jahr 2021 als Start für den neuesten Solarboom. 2022 sei dieser dann richtig deutlich geworden. "Im vergangenen Jahr haben wir jeden Tag etwa das Fünf- bis Sechsfache an Anfragen bekommen. Das war sogar mehr als in den Boomjahren um 2010 herum", sagt der Geschäftsführer der Solarfirma Öko-Haus, die schon vor über 20 Jahren begonnen hat Solar-Anlagen zu bauen und zu installieren. Mit einem Team von 40 Leuten ist das Unternehmen heute zwar gut aufgestellt, um die eigene Region bei Krumbach im bayerischen Schwaben in Sachen Solarenergie zu versorgen. Doch die Menge an Anfragen, die noch immer eingehen, kann kaum bewältigt werden.
Hohe Kosten belasten Solarausbau
"Dass wir mittlerweile zwölf Monate Vorlauf haben, liegt vor allem am fehlenden Personal. Könnten wir mehr Fachkräfte einstellen, könnten wir definitiv mehr Anlagen installieren", so der Geschäftsführer. Dabei meint er vor allem die handwerklichen Installateure, die ihm fehlen würden – vor allem die Elektriker. Steber sieht aber immerhin ein Gutes an der aktuellen Situation: "Wenn es doch wieder zu langen Lieferzeiten kommt, haben wir immerhin auch zwölf Monate Zeit, das fehlende Material zu besorgen."
Im Vergleich zu 2022 läuft es in diesem Jahr bisher ein wenig ruhiger ab. "Die Panik hat sich wieder etwas gelegt, dass unsere Energieversorgung auf der Kippe steht und das spürt man auch bei der Nachfrage", sagt Felix Steber. Außerdem würden die derzeit hohen Preise bei den Anlagen einige Leute abschrecken. Daran ändert auch nichts, dass man als Endkunde derzeit keine Mehrwertsteuer auf Solaranlagen und allem, was dazu gehört bezahlen muss. "Das haben einige Firmen auch genutzt, um dafür die eigenen Gewinnmargen hochzuschrauben", sagt der Firmenchef etwas vorwurfsvoll in Richtung seiner Branche.
Hinsichtlich der Pläne eines noch stärkeren Solarausbaus, wie sie Wirtschaftsminister Habeck gerade vorgestellt hat, kann Felix Steber nur warnen: "Wie soll das denn gehen von heute auf morgen? Wir brauchen wirkliche Fachkräfte und die müssen ausgebildet werden." Die Anlagen werden immer komplexer und sie zu installieren genauso. Seiner Meinung nach kann der Ausbau nicht so schnell vorangehen wie man es auf dem Papier plane. Er brauche Zeit, um qualitativ möglich zu sein.
Oberflächliche Schnellausbildung bringt Solarausbau nicht voran
"Zeit" ist in diesem Fall gleichzusetzen mit "Aus- und Weiterbildung". So sieht auch der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) eine Schwierigkeit in den einstigen Vorschlägen der Bundesregierung mit einer abgespeckten Variante der eigentlichen handwerklichen Ausbildungen schneller mehr Installateure auf die Dächer zu bekommen. Von diesen Plänen erkennt der Verband derzeit eine Abkehr. So meldet er mit Erleichterung, dass im aktuellen Strategiepapier die Vorteile der beruflichen Bildung benannt und Förderungen der überbetrieblichen Bildungsstätten zu technologieorientierten Kompetenzzentren angekündigt seien. "Die Bundesregierung hat erkannt, dass es besser ist, junge Menschen in Ausbildung und Beruf zu bringen, statt mit einer oberflächlichen Schnellausbildung einen Pyrrhussieg auf unseren Dächern zu erzielen", teilt ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx mit.
Um den forcierten Solarausbau zu bewältigen, braucht es aus Sicht des Dachdeckerverbands aber auch Fachkräfte aus dem Ausland – und dafür passende berufsbezogene Weiterbildungsangebote. Bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte dürfe aber für die kleinen Betriebe hier nicht wieder ein neues Bürokratiemonster entstehen, warnt der ZVDH.
Laut einer aktuellen Umfrage unter den rund 7.000 Dachdecker-Innungsbetrieben melden derzeit rund 75 Prozent der Betriebe, Leistungen rund um das Thema Solaranlagen anzubieten. Ein Viertel ist damit in diesem Bereich aktuell nicht unterwegs. Hauptgründe sind auch hier fehlendes Personal. Allerdings planen rund 40 Prozent diese Leistungen künftig anzubieten. Ein wichtiges Thema ist auch hierbei die Weiterbildung. Der ZVDH bietet seit Anfang 2022 einen Lehrgang zum ZVDH-zertifizierten PV-Manager im Dachdeckerhandwerk an. "Der Lehrgang erfreut sich großer Beliebtheit und bis Ende des Jahres werden wir rund 2.000 Betriebe geschult haben", berichtet Marx.
Dachdecker fordern: "Keine Solaranlagen auf unsanierte Dächer"
Damit der Solarausbau gelingen kann und vor allem schneller umgesetzt werden kann, mahnt der Dachdeckerverband aber auch, dass es einer bundesweiten Vereinheitlichung der Brandschutzregelungen bedürfe. Denn bauliche Detailregelungen zu den Sicherheitsabständen für PV-Anlagen von Dachrändern, würden sich oftmals als Hemmnisse zeigen. Die Abstandsregeln seien in den einzelnen Landesbauordnungen ganz unterschiedlich festgelegt. Um das zu ändern, gibt es bereits eine Empfehlung der Bundesbauminister-Konferenz, in allen Landesbauordnungen gleiche Sicherheitsabstände festzulegen. "Wir fordern eine flächendeckende Umsetzung des BMK-Beschlusses", erklärt Ulrich Marx.
Der Dachdeckerverband beobachtet nach eigenen Angaben derzeit allerdings noch eine Entwicklung im Zuge des Solarausbaus, die ihm Sorgen bereitet. So würden vielfach PV-Anlagen auf unsanierten Dächern montiert. Einerseits komme es dadurch vermehrt zu Schäden an den Dächern, weil die Montage der Solaranlage auf bauphysikalisch nicht geeigneten Unterkonstruktionen erfolgt. Andererseits sei ein solches Vorgehen auch energetisch wenig sinnvoll. "Denn wird eine PV- oder Solarthermie-Anlage auf einem nicht gedämmten Dach errichtet, geht ein Großteil der erzeugten Energie durch den entstehenden Transmissionswärmeverlust wieder verloren", warnt der Verband.
In vielen Fällen steht eine Dachsanierung an, bevor auch die PV-Anlage eine Erneuerung braucht. Die Folge sind Zusatzkosten und ein eigentlich unnötiger Aufwand, wenn eine vorhandene PV-Anlage abgebaut und während der Sanierungszeit außer Betrieb genommen werden muss. Vermeiden könnte man dies aus Sicht des ZVDH durch eine Doppelförderung von Photovoltaik und der Dachsanierung. Denn vor allem die hohen Kosten würden derzeit einige Bauherrn von Investitionen abhalten. "In Zeiten steigender Baupreise und Zinsen sind die gleichzeitige Sanierung und Errichtung einer PV-Anlage oftmals schlicht nicht mehr bezahlbar", sagt Hauptgeschäftsführer Marx. Er berichtet, dass ihm Dachdeckerbetriebe bereits von zunehmenden Stornierungen derartiger Kombiaufträge berichten.
Der ZVDH fordert dringend Nachbesserungen bei den Förderungen für Solaranlagen. Er bezweifelt auch das der Nullsteuer-Satz bei PV-Anlagen wirklich etwas bringt. "Hier wünschen wir uns eine klare Auslegung und weniger bürokratischen Aufwand", fordert Marx.
Elektrohandwerk fordert Schwelle für verpflichtende Zertifizierung zu senken
Auch der ZVEH benennt ein Hemmnis, das es für den schnelleren Solarausbau noch zu ändern gelte. Er spricht sich nach eigenen Angaben dafür aus, die Schwelle für die verpflichtende Anlagenzertifizierung von derzeit 135 auf 500 Kilowatt-Peak (kWp) anzuheben. "Damit könnten Anlagen bis zu einer Leistung von 500 kWp umgehend nach der Installation in Betrieb gehen", teilt der Verband mit. Eine Anhebung würde neben der reinen Zeitersparnis – vielerorts herrscht aufgrund der hohen Nachfrage ein Zertifizierungsstau und in Deutschland gibt es nur rund 20 Zertifizierungsstellen – die Installation einer PV-Anlage für mehr Betreiber wirtschaftlich attraktiver machen. Dann würden die Kosten für eine Zertifizierung entfallen.
Das Elektrohandwerk wünscht sich insgesamt eine stärkere Standardisierung, damit Arbeitsprozesse schneller und einfacher ablaufen können. Hierzu appelliert der ZVEH an die Politik, dies zu unterstützen. Als Beispiel, das die kompliziert ablaufende Praxis verdeutlicht, nennt der Verband, dass derzeit immer mehr Start-ups dabei seien, proprietäre Plattformen aufzubauen. Das bringe handwerkliche Betriebe in Abhängigkeit und mache sie zu Subunternehmern. "Offene Schnittstellen und Plattform-Ansätze hingegen erhalten dem Handwerk seine Unabhängigkeit und ermöglichen es ihm, effizienter zu arbeiten, die hohen Zubau-Zahlen zu erreichen und seine Leistung weiter zu steigern", mahnt der Verband.
Was außerdem dazu beitragen kann, den PV-Ausbau zu beschleunigen, ist aus Sicht des Elektrohandwerks eine Digitalisierung und bundesweite Vereinheitlichung der Netzanschlussbegehren und Inbetriebnahmeverfahren. Denn hier gehe durch das Dickicht aus unterschiedlichen Regelungen bei mehr als 800 Netzbetreibern noch immer viel Zeit verloren.
Nach den neuen Anlagen folgen Reparaturen und Wartung
Und die Zeit drängt, wenn der Solarausbau bewältigt werden soll. Trotz des derzeit spürbaren Stresslevels in den beteiligten Branchen spürt man allerdings auch eine grundsätzlich positive Stimmung. So würde es auch Felix Steber von Öko-Haus anderen Handwerksbetrieben trotz der Herausforderungen noch immer raten, ebenfalls in die Solarbranche einzusteigen. "Wer einmal in der Solarbranche arbeitet, möchte nichts anderes mehr machen. Die Arbeit ist auch langfristig vorhanden", sagt er. Auch wenn die Installationszahlen irgendwann wieder nachlassen, gebe es dann genug Anlagen, die Wartungen und Reparaturen bedürfen.