Die Vernetzung des Zuhauses liegt bei der jungen Generation im Trend. Das neue E-Haus des Zentralverbands der Elektrohandwerke zeigt, dass vom Smart Home aber vor allem ältere Menschen profitieren können.
Steffen Guthardt

Smart Home, das technisch vernetzte Zuhause, war eines der großen Themen auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin. Immer mehr Verbraucher interessieren sich für die Vernetzung der eigenen vier Wände, wie eine aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt. Demnach plant mehr als jeder dritte Bundesbürger (37 Prozent), sich in den nächsten zwölf Monaten eine Smart-Home-Anwendung zu kaufen. Jeder vierte Bundesbürger (26 Prozent) besitzt bereits mindestens eines dieser Geräte. Besonders beliebt sind intelligente Beleuchtungssysteme, Videoüberwachung und Sprachassistenten.
60 Systeme in einem Haus
Sprachsteuerung steht auch beim grundlegend neu konzipierten E-Haus im Mittelpunkt, das der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) auf seinem IFA-Messestand präsentiert hat.
Auf 100 Quadratmetern und in acht verschiedenen Räumen wird veranschaulicht, wie Smart-Home-Dienste bereits heute den Alltag erleichtern können. "Alle hier von den Innungsfachbetrieben der E-Handwerke installierten Systeme sind bereits heute auf dem Markt zu kaufen", sagt Bernd Dechert, Geschäftsführer Technik und Berufsbildung beim ZVEH, zu Beginn eines Rundgangs durchs E-Haus. Insgesamt seien Systeme von über 60 Herstellern in das E-Haus integriert worden.
Erstmals lässt sich nun das gesamte Gebäude mit Sprachansagen bedienen, wie Dechert an einem Beispiel veranschaulicht. "Hey, Siri, aktiviere Schrank links in der Küche", sagt er zu seinem Smartphone. Eine Sekunde später senkt sich der entsprechende Küchenschrank um einige Zentimeter nach unten.
Die Anwendung ist vor allem darauf ausgerichtet, älteren und behinderten Menschen den Haushalt zu erleichtern. So kann auch ein Rollstuhlfahrer die Hochschränke in der Küche bequem erreichen. Aber auch Familien könnten von der Funktion profitieren, wenn die Kinder ohne Hilfe der Eltern an den Geschirrschrank kommen und beim Tischdecken helfen.
Hoheit der Daten gefährdet
Die Sprachsteuerung im E-Haus ist nicht nur mit Apples Siri möglich, sondern auch mit den Diensten von Amazon und Google. Doch so komfortabel die Apps auch erscheinen mögen, nicht jeder ist bereit, seine Daten über das Internet an die Server amerikanischer Firmen zu senden. "Die Daten jedes Einzelnen sind ein hohes Gut", sagt Dechert. Deshalb steht im E-Haus auch ein lokales Sprachsteuerungssystem zur Verfügung, das ohne Serverkommunikation auskommt. Die lokale Anwendung sei allerdings nicht ganz billig, räumt Dechert ein, ohne Zahlen zu nennen. "Letztendlich muss der Kunde entscheiden, was ihm seine Daten wert sind und ob er die Nachteile einer kostenlosen Sprachsteuerung akzeptiert", meint der Experte.
Digitales Duscherlebnis
Mehr Bedeutung bekommt im neuen E-Haus auch das Thema Augmented Reality. Dabei wird die reale Sinneswahrnehmung durch digitale Daten erweitert. Wie das funktioniert, zeigt Dechert im Badezimmer. Mit der Smartphone-Kamera scannt er den an der Wand befindlichen Lautsprecher ab. Automatisch erscheint auf dem Bildschirm des Handys ein Menü mit verschiedenen Knöpfen, über die Musik eingeschaltet, lauter oder leiser gestellt oder zum nächsten Lied gewechselt werden kann.
Dechert schwenkt sein Smartphone weiter zur Duscharmatur. Nun kann er über die auf dem Handy erscheinenden Regler die Wassertemperatur einstellen und das Licht über der Dusche dimmen. Einen Schwenk weiter zum Fenster: Hier lässt sich zum Beispiel die Scheibe auf Knopfdruck verdunkeln. "Der Verbraucher muss sich künftig nicht mehr durch Menüs auf seinem Smartphone navigieren, sondern zeigt einfach mit seiner Kamera auf das, was er gerade steuern will", sagt Dechert.
Zutritt per Gesichtserkennung
Aktuelle Trends in der Sicherheitstechnik werden am Eingang des E-Hauses demonstriert. Wer das Gebäude betreten möchte, muss sein Gesicht von einer Kamera abscannen lassen. Anhand der biometrischen Daten wird erkannt, ob der Besucher zur Familie gehört und die Tür geöffnet werden darf.
Dass die Gesichtserkennung hundertprozentige Sicherheit bietet, möchte Dechert jedoch nicht bestätigen. "Möglicherweise lässt sich das System mit einem hochauflösenden Foto der Person überlisten", sagt der Fachmann. Er empfiehlt jedem Verbraucher, immer zwei Zutrittskontrollen parallel einzusetzen. Das könne ein Transponder in der Hosentasche sein oder auch ein Fingerabdruckscanner. "Der Scanner misst übrigens auch Wärme", stellt Dechert klar. Mit einem abgehackten Finger könnte sich deshalb niemand Zutrifft verschaffen, auch wenn mancher Hollywoodfilm das behauptet, so Dechert.
Licht hebt die Laune
Im Büro des E-Hauses simuliert die Beleuchtung mit einem Klick auf das Smartphone den Lichteinfall eines ganzen Arbeitstages im Zeitraffer. Damit soll dem Besucher veranschaulicht werden, wie sich das Licht auf das Wohlbefinden des menschlichen Körpers auswirkt. "Je nach Tageszeit braucht der Mensch unterschiedliche Anteile von blauem und rotem Licht sowie verschiedene Intensitäten, um optimal leistungsfähig zu sein", erklärt Dechert. Die intelligente Beleuchtung im E-Haus passe sich deshalb automatisch der jeweiligen Tageszeit an.
Im Raum daneben zeigt der Experte, wie mit modernen Energiemanagementsystemen ein fast optimales Verhältnis von Energiegewinnung und -verbrauch erreicht werden kann. "Das Ziel muss es sein, die hergestellte Energie möglichst vollständig wiederzuverwenden. Dabei helfen Energiemanagementsysteme."
Energie intelligent einsetzen
Die Systeme kommunizieren dafür mit allen Energieerzeugern und -verbrauchsstellen im Haus, sei es die Waschmaschine, die Photovoltaikanlage oder das Elektrofahrzeug. Über eine Internetanbindung an ein Wetterprognose-System erkennt das Haus selbständig, zu welchem Zeitpunkt die Sonneneinstrahlung auf dem Dach am stärksten ist und das Elektroauto aufgeladen werden sollte. Das Managementsystem kann zudem aktuelle Stromtarife abfragen, um zu entscheiden, wann Energie am besten verbraucht, im eigenen Stromspeicher gelagert oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden sollte. "Während ich bei den klassischen Modellen nur wenige Prozent der gewonnenen Energie selbst verbrauche, lässt sich die Quote mit den modernen Managementsystemen auf circa 85 Prozent steigern", so Dechert.
Leben retten mit Sensoren
Das Schlafzimmer ist die letzte Station im Rundgang durch das E-Haus. Hier steht wieder das Thema altersgerechtes Wohnen im Mittelpunkt. Kommt es zu einem Sturz im Raum, erkennen druckempfindliche Sensoren im Fußboden , dass jemand liegen geblieben ist. Daraufhin wird ein Signal abgesendet, dass je nach Programmierung des Bewohners verschiedene Aktionen auslösen kann. Das kann ein Anruf bei Angehörigen in der Nähe sein oder bei einer Notrufstelle. Ebenfalls ist es möglich, die Sprachsteuerung im Haus dazwischenzuschalten, die sich zunächst beim Gestürzten vergewissert, ob wirklich Hilfe benötigt wird.
Das E-Haus beweist damit, dass Smart Home nicht nur hip und modern ist, sondern im Ernstfall sogar Menschenleben retten kann.
Einen Video-Rundgang durch das neue E-Haus finden Sie unter https://youtu.be/jyr4qH2Z8bc