Autoexperte Willi Diez über die Gründe, warum sich Autohäuser mit neuen Kaufgewohnheiten schwertun und ihre Digitalisierung bisher vernachlässigen
Frank Muck
Der stationäre Autohandel leidet unter der Digitalisierung und hat anscheinend keine Strategie, wie man dem Handel im Internet begegnen kann. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Sachverständigenorganisation Dekra. Nach Einschätzung der Experten wird der Verkauf sowohl von Neu- als auch von Gebrauchtwagen viel öfter digital abgewickelt. Dennoch nutze der Handel nur ein Viertel der digitalen Instrumente und viele Autohändler sehen keine Notwendigkeit, in digitale Medien zu investieren. Professor Willi Diez, Leiter der Studie, rechnet deswegen mit einem hohen Rückgang an selbstständigen Autohändlern.
DHZ: Herr Professor Diez, welche Autohändler werden vom Markt verschwinden?
Diez: Das werden vorrangig kleinere Betriebe und Betriebe in den Ballungszentren sein, denn dort stellen wir die größten Veränderungen im Kauf- und Informationsverhalten fest.

"Die Händler haben immer noch nicht wahrgenommen, dass sich das Käuferverhalten ändert."
DHZ: Woran liegt es, dass der Autohandel digital so schwach aufgestellt ist? Gerade das Auto steht doch für Modernität.
Diez: Als wir unsere Studie vorgestellt haben, hat mir ein Händler gesagt, dass er all das nicht versteht, was ich da schreibe. Er habe immer noch genug Kunden, die zu ihm kommen und einfach nur eine Beratung wollen. Ich habe ihm dann bestätigt, dass es diese Kunden sicher immer noch gibt. Von denjenigen, die anders kaufen, bekommt er als Händler jedoch nichts mit. Das heißt, dass die Händler immer noch nicht wahrgenommen haben, dass sich das Käuferverhalten ändert. Wir haben ein relativ hohes Alter der Neuwagenkäufer, bei den Gebrauchtwagen ist es etwas niedriger. Deswegen spürt man die Veränderungen nicht ganz so stark. Viele unterschätzen deswegen die Geschwindigkeit, mit denen die Veränderungen kommen.
DHZ: Was sind denn die Herausforderungen, um am Markt zu bestehen? Wie werden Verkaufsprozesse in Zukunft ablaufen?
Diez: Mittels Lead-Management. Das heißt, wenn ein Kunde Kontakt sucht, muss man diesem Kunden in Echtzeit ein Gesprächsangebot machen, zum Beispiel ein Angebot mit Live-Chat-Funktionen. Der Kunde muss die Möglichkeit haben, bestimmte Ausstattungsoptionen durchzusprechen. Er muss sich übers Internet direkt ins Autohaus durchschalten können, um dort einen Ansprechpartner zu finden, der ihm weiterhilft. Natürlich muss der Handel im Internet selber seine Präsenz erhöhen. Allerdings reicht eine Webseite alleine nicht mehr. Der Händler muss Bannerwerbung machen und bei Google für ein entsprechendes Ranking sorgen. Das ist nicht wirklich neu, aber noch immer mangelhat umgesetzt.
"Das ist kein Selbstzweck, denn der Kunde will mit diesen Services seine Kaufentscheidung sicherer machen."
DHZ: Wie setzt sich das im Autohaus fort?
Diez: Dort kommt der zweite große Schritt. Auch im Autohaus muss ich den Kunden digital abholen und die Möglichkeiten nutzen, die ich heute habe, mit Virtual Reality, Augmented Reality, Power Walls, Touch-Screens etc. Das ist kein Selbstzweck, denn der Kunde will mit diesen Services seine Kaufentscheidung sicherer machen. Wir reden beim Auto schließlich über die zweitwichtigste Investition, die ein Mensch nach einem Haus macht.
DHZ: Sie sagen, kleine Autohäuser werden damit überfordert sein.
Diez: Ich möchte nicht pauschalisieren und die kleinen Autohäuser als digitale Dinosaurier bezeichnen, aber die Digitalisierung erfordert nun einmal hohe Investitionen. Die digitale Ausstattung wie Power Walls etwa, verursacht schnell Kosten in sechsstelliger Größenordnung. Fraglich bleibt, ob sich kleine Autohäuser so etwas leisten können. Zusätzlich braucht man Mitarbeiter in spezialisierten Abteilungen, die zum Beispiel eine Live-Chat-Funktion ausfüllen können. Man braucht also auch qualifiziertes Personal, das ausgelastet sein muss.
DHZ: Welche Alternativen bieten sich diesen Betrieben an?
Diez: Diese Autohäuser könnten sich eventuell stärker auf das Servicegeschäft spezialisieren. Das Thema wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren wichtig bleiben.
"Überraschend war, dass viele sagen: Ich habe das gar nicht geplant."
DHZ: Hätten Sie vor Ihrer Studie damit gerechnet, dass Autohäuser digital so schlecht aufgestellt sind?
Diez: Ich hätte erwartet, dass der Autohandel weiter ist. Wir hatten den Autohäusern drei Fragen gestellt: Machst du das? Planst du das? Planst du das nicht? Dass viele Autohäuser heute noch keine Power Walls oder Virtual Reality anbieten, hat mich nicht überrascht. Geschockt war ich vor allem beim dritten Punkt. Überraschend war, dass viele sagen: Ich habe das gar nicht geplant. Das Thema steht bei vielen einfach nicht auf der Tagesordnung.
DHZ: Wie ist ihre Prognose für den Schrumpfungsprozess?
Diez: Wir haben heute etwa 6.900 wirtschaftlich selbstständige Autohäuser in Deutschland. Das wird auf etwa 4.500 bis zum Jahr 2020 zurückgehen.
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