Erotik ist in der Werbung durchaus erlaubt, Sexismus nicht. Doch wann ist ein Bild, ein Werbetext oder die Kombination sexistisch? Nackte Haut und zweideutige Sprüche sind in der Werbung von Handwerksbetrieben häufig genutzte Mittel, um aufzufallen. Negativ aufzufallen. Ein gesetzliches Verbot von sexistischer Werbung wird diskutiert. Doch auch jetzt kann sie Folgen haben.

"Richtig gut flachgelegt" steht auf einem Plakat gefolgt mit dem Zusatz "Wir verlegen Fußböden. Aus Leidenschaft". Es ist eine Werbung für einen Fußbodenlegerbetrieb. Zu sehen ist eine fast nackte Frau, die sich auf einem Parkettfußboden räkelt. Werbung soll auffallen, damit sie wirkt. Und nackte Haut wirkt fast immer. Auch negativ. So nutzt der Deutsche Werberat unter anderem genau dieses Plakat als Negativbeispiel für eine Werbemaßnahme, die die Grenzen des Sexismus überschreitet.
Auffallen mit nackter Haut: Verbreitet bei Handwerkswerbung
Zwar ist Erotik in der Werbung auch nach den Vorgaben des Deutschen Werberates, der Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft, erlaubt – auch wenn es keinen direkten Bezug zum beworbenen Produkt gibt. Doch Grenzen sind dort, wo eine Person als reines Objekt sexueller Begierde erscheint. "Häufig wird die sexuelle Verfügbarkeit durch einen doppeldeutigen Slogan suggeriert", erklärt der Werberat zu dem genannten Negativbeispiel - "Richtig gut flachgelegt" eben.
Die Beispiele sind Teil eines digitalen Leitfadens zum Werbekodex, den der Werberat erarbeitet hat, um Unternehmen und der Öffentlichkeit einen Ratgeber rund um das Thema verantwortungsvolle Werbung an die Hand zu geben. Neben Beschwerden zu einzelnen Werbemaßnahmen, die Verbraucher beim Werberat einreichen können, erreichen den Werberat nämlich auch oft Fragen von Firmen, die nicht wissen, wann genau Werbung – egal, ob online und offline – zu diskriminierend, gewaltverherrlichend oder in anderer Weise auffallend ist, so dass sie dem Werbekodex widerspricht.
Dabei gerät das Handwerk in einen ganz besonderen Fokus bzw. bekommt den Vorwurf, besonders häufig auf Werbung zu setzen, die deshalb auffällt, weil sie sexistische Inhalte darstellt – wenn nicht gar fast ausschließlich. Neu ist das Thema weder für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) noch für den Werberat und so arbeiten beide eng zusammen, um über die Regeln des Werbekodex aufzuklären und ganz konkret zu erläutern, dass nackte Haut meist nicht die Aufmerksamkeit bringt, die einen Handwerksbetrieb langfristig von Nutzen ist.
Grundregeln zur Werbung
Werbung sollte stets von Fairness im Wettbewerb und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft getragen sein. Insbesondere darf Werbung
- das Vertrauen der Verbraucher nicht missbrauchen und mangelnde Erfahrung oder fehlendes Wissen nicht ausnutzen
- Kindern und Jugendlichen weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen
- keine Form der Diskriminierung anregen oder stillschweigend dulden, die auf Rasse, Abstammung, Religion, Geschlecht, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung bzw. die Reduzierung auf ein sexuelles Objekt abzielt
- keine Form gewalttätigen, aggressiven oder unsozialen Verhaltens anregen oder stillschweigend dulden
- keine Angst erzeugen oder Unglück und Leid instrumentalisieren
- keine die Sicherheit der Verbraucher gefährdenden Verhaltensweisen anregen oder stillschweigend dulden.
Auszug aus den "Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation und deren Beurteilung durch den Deutschen Werberat"
Diskriminierende Werbung schreckt Azubis ab
"Es geht um eine konstante Sensibilisierung der Betriebe. Wir wollen das Thema immer wieder in den Fokus rücken", sagt Julia Busse, die Geschäftsführerin des Deutschen Werberats. Dabei erklärt sie aber auch, dass die Menschen insgesamt sensibler geworden sind für werbliche Inhalte, die eine Diskriminierung darstellen. Spürbar sei das vor allem bei Jüngeren. "Und wenn das Handwerk auf der Suche nach Azubis und Fachkräften durch die Werbung von einzelnen Betrieben abschreckend wird, schadet das ganzen Branchen", so die Werberatschefin, die dennoch betonen möchte, dass sich der Großteil der Handwerksbetriebe in Deutschland an die Regeln halte.
Dennoch sei auffällig, dass das Handwerk in der Statistik zu den Branchen, über die es Beschwerden beim Werberat gibt und auch, bei denen es zu Abmahnungen kommt, sehr weit oben dabei ist. "Im Schnitt ist bei den Beschwerden, die uns erreichen, ein Drittel davon berechtigt. Bei den Fällen, die das Handwerk betreffen, trifft das aber etwa für die Hälfte zu", erklärt Julia Busse. Ganz besonders deutlich wird das bei der Fahrzeugwerbung und auf Plakaten. Insgesamt ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts der Hauptgrund für Beschwerden beim Werberat.
Pinkstinks identifiziert: 65 Prozent der sexistischen Werbung kommt aus dem Handwerk
Ähnliches berichtet auch Stevie Schmiedel von Pinkstinks Germany, die sich mit ihrer "Protest- und Bildungsorganisation gegen Sexismus und Homophobie" – wie sich die Initiative selbst beschreibt – ebenfalls dafür einsetzt, dass Werbung weniger diskriminierende Darstellungen enthält. Pinkstinks ist vom Bundesfamilienministerium damit beauftragt worden, über zwei Jahre lang ein Monitoring dazu zu führen, ob Werbung in Deutschland wirklich so oft sexistisch ist. Dafür wurde die Plattform "werbemelder.in" geschaffen, eine Meldestelle für sexistische Werbung, an der sich jeder beteiligen kann. Die Ergebnisse des Monitorings könnten im kommenden Jahr dazu führen, dass die Gesetzesinitiative wieder aufgegriffen wird, die der ehemalige Bundesjustizminister Heiko Maas einst umsetzen wollte, zur Schaffung eines Verbots sexistischer Werbung. Das Verbot sollte im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb integriert werden.
Den ersten Gesetzesentwurf hatte die CDU gestoppt und das noch bis Ende 2019 laufende Monitoring gefordert. Was die Geschäftsführerin von Pinkstinks bislang jedoch schon sagen kann: "Rund 65 Prozent der Fälle, in denen wir eine sexistische Werbung identifizieren, stammen aus dem Handwerk." Erst dann folgt der Handel.
Dabei kann man häufig nach der Größe der Betriebe unterscheiden bzw. danach, ob eine professionelle Werbeagentur beauftragt wurde oder nicht. "Außerdem spielt es eine große Rolle, ob das werbende Unternehmen auf dem Land oder in der Stadt angesiedelt ist", sagt Stevie Schmiedel. Umso kleiner der Betrieb ist und umso kleiner die Stadt, in der der Mittelpunkt der Arbeiten stattfindet, umso eher findet man in der Werbung das Motto "Sex sells" und den Ansatz, handwerkliche Produkte oder Dienstleistungen mit möglichst viel nackter Haut zu verkaufen – meist ohne, dass die nackte Haut etwas mit der Leistung des Betriebs zu tun hat.
"Es geht nicht darum Erotik zu verbieten, aber mit erotischer Werbung muss eine Diskriminierung nicht Hand in Hand gehen, Frauen müssen dabei nicht zwangsläufig zum Objekt werden", sagt Julia Busse. Spricht sie Betriebe auf ihre Werbung an, die eindeutig unter die Gürtellinie geht, hört sie häufig Sätze wie "Wir wollten doch nur auffallen." "Das sollte ein Hingucker sein." Und "Das war ironisch gemeint."
Werbung selbst gemacht: Nicht um jeden Preis auffallen
"Man muss aber auch bedenken, dass es im Handwerk viele kleine Betriebe, viele Einzelkämpfer, gibt, die ihre Werbung selbst gestalten und dafür eben keine Agentur beauftragen, die schon stark darauf achten, die Regeln des Werbekodex zu beachten", so die Werberatschefin. Diese Betriebe seien oft unsicher und gehen einfach von dem aus, was ihnen selbst gefällt oder was sie auch als lustig einstufen. "Aber sie suchen auch nach Orientierung und deshalb haben wir den Leitfaden erstellt", erklärt Busse. Der Leitfaden erklärt anhand von Beispielen in Bildern, wie Werbung aussehen kann, die dem Werbekodex nicht widerspricht und er zeigt aber auch Negativbeispiele wie das oben genannte des Fußbodenlegerbetriebs.
Dass die Sensibilisierung für eine Sexismus freie Werbung in den Großstädten, wo die großen Unternehmen versuchen möglichst viele Menschen mit großen Werbekampagnen zu erreichen, schon viel weiter fortgeschritten ist und anderenorts noch ganz etwas anderes als werbetauglich angesehen wird, stellt für Stevie Schmiedel einerseits die Baustelle dar, an der gearbeitet werden muss. Gleichzeitig könnten die großen Werbeagenturen aber auch eine Vorbildfunktion übernehmen und zeigen, dass Sprachwitz und das Erzeugen von Sympathie und die Identifikation mit dem Dargestellten mehr Aufmerksamkeit bekommt als das reine "Sex sells". Und dabei nicht nur mehr, sondern positive Aufmerksamkeit.
Gesetzliches Verbot von sexistischer Werbung gibt es nicht
Solange es noch keine Verankerung des Verbots von sexistischer Werbung im Gesetz gibt, bleibt zur Bekämpfung bislang das Instrument der Beschwerde beim Werberat. Nach einer Prüfung entscheidet dieser, ob das werbende Unternehmen abgemahnt wird. "Die meisten Betriebe nehmen die Werbung zurück, wenn der Werberat sie darauf hinweist", sagt Julia Busse. Im schlimmsten Fall kann es aber auch zu einer öffentlichen Rüge kommen, wenn sich ein Betrieb weigert. Das ist im Jahr 2018 zwei Mal bei Handwerksbetrieben geschehen. Über alle Branchen hinweg gab es 2018 insgesamt 16 öffentliche Rügen. Bei einer öffentlichen Rüge verschickt der Werberat eine Pressemitteilung und nennt öffentlich auch den Namen des Betriebs.
Auch wenn diese Fälle selten sind, bleiben auffällige Handwerkswerbung und Beschwerden darüber dennoch ein Dauerbrenner. Beide Werbefachfrauen setzen sich deshalb für eine stärkere Aufklärung darüber ein, wann Werbung die Grenzen des Sexismus erreicht hat. Setzt der Werberat auf Maßnahmen wie den Leitfaden, der direkt umsetzbare Praxisbeispiele liefert, möchte Stevie Schmiedel noch viel früher mit der Aufklärung anfangen – bestenfalls als Thema im Schulunterricht.
Jahresbilanz 2018: Beschwerden über Werbung in Deutschland
1.235 einzelne Beschwerden aus der Bevölkerung erreichten im Jahr 2018 den Deutschen Werberat, der dann über 462 einzelne Werbesujets entscheiden musste. Im Vergleich zum Jahr 2017 gingen allerdings 13 Prozent weniger Beschwerden ein.
In 124 Fällen aus dem vergangenen Jahr teilte der Werberat die Kritik der Beschwerdeführer und informierte die betreffenden Unternehmen über den Verstoß gegen den Werbekodex. Von Kritik freigesprochen wurden 338 Werbemotive.
In den eingeleiteten 124 Verfahren folgten rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums und stoppten oder änderten ihre Werbung. Nur in 16 Fällen reagierten die Unternehmen nicht unmittelbar auf die Beanstandung und erhielten deshalb eine Öffentliche Rüge.
Schaut man sich die Zahlen aufgeteilt nach Branchen an, so zeigt auch das Handwerk eine relativ positive Bilanz: Statt 30 Beschwerden wie im Vorjahr gingen nur 17 beim Werberat ein (öffentliche Rügen). Allerdings ist in diesen Zahlen die Kfz-Branche nicht enthalten, die einen Zuwachs von 32 auf 40 Fälle erlebte und das Baugewerbe, das statt 6 Beschwerden im Jahr 2017 elf im Jahr 2018 kassierte.
Der Leitfaden zum Werbekodex ist abrufbar unter werberat.de/werbekodex
Infos zu Sexismus in der Werbung und wie man ihn vermeidet, gibt es auch unter werbemelder.in
Sexistische Werbung: Werberat rügt zwei Handwerksbetriebe
Am 16. Januar 2019 hat der Deutsche Werberat vier neue öffentliche Rügen ausgesprochen – darunter zwei, die sich gegen Werbung von Handwerksbetrieben richten. Beides Mal war der Vorwurf des Sexismus der Grund für die Rüge. Weil die Betriebe ihre Werbung nach der Mahnung des Werberats nicht zurückgenommen haben, ging der Werberat mit seinen Beanstandungen an die Öffentlichkeit und informierte zudem die Handwerkskammern vor Ort.
Die Rügen betreffen die Lkw-Werbung eines Fahrzeugbauers aus dem bayerischen Ehekirchen-Hollenbach und Werbebanner eines Innenausbau- und Trockenausbau-Betriebs aus Sachsen. Die Details der öffentlichen Rügen können hier nachgelesen werden.>>>
Folgen Sie Jana Tashina Wörrle auf Twitter @JanaTashina
Folgen Sie Jana Tashina Wörrle auf Twitter @JanaTashina