Mit Ruhe und Präzision bringt Uhrmachermeister Peter Miller aus Mindelheim Uhren wieder zum Laufen. Ihm eilt der Ruf voraus, kaputte Uhren, die andere schon aufgegeben haben, wieder zum Leben zu erwecken. Doch längst nicht jede Reparatur lohnt sich.

Tick Tack Tick Tack Tick Tack. Rasend schnell wie der Herzschlag eines ungeborenen Kindes misst die Zeitwaage den Puls der Taschenuhr. Aus ihrer Mitte schiebt sich ein Streifen Papier, auf dem zwei dünne, parallele Punktlinien zu erkennen sind. Je gerader und näher sie beieinander liegen, desto besser ist die Einstellung der Uhr – umso genauer zeigt sie die Zeit an.
"Eine Uhr ist für mich wie ein Lebewesen", sagt Peter Miller. Dem Uhrmachermeister eilt der Ruf voraus, kaputte Uhren, die andere schon aufgegeben haben, wieder zum Leben zu erwecken. Mit Sorgfalt und Genauigkeit zerlegt er jede in ihre Einzelteile. Manchmal braucht eine Uhr etwas mehr Zeit, etwa wenn ein Ersatzteil neu hergestellt werden muss. Handwerker wie Peter Miller, die das noch können, gibt es immer weniger. Aber der Aufwand kann auch zu hoch sein, so dass er den materiellen Wert der Uhr übersteigt.
Sein Beruf ist seine Berufung
An der Wand seiner Werkstatt im bayerischen Mindelheim hängen Regulatoren – also Wanduhren mit Pendel –, im Regal stehen Tisch- und Kaminuhren, unzählige Armband- oder Taschenuhren warten verpackt in Papiertütchen, dass sie an der Reihe sind. Viel zu tun für den 64-Jährigen, doch "mein Beruf ist für mich Berufung". Der Liebe wegen hatte Peter Miller Anfang der 1980er-Jahre nach einer Lehre zum Modellbauer das Uhrmacherhandwerk gelernt. Denn Heidi Millers Eltern führten das Fachgeschäft Uhren Pienle und das junge Ehepaar übernahm den Familienbetrieb 1986.
Sohn Bernd ist zwar auch Uhrmachermeister, hat seinen Lebensmittelpunkt jedoch in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet. Der Vater hofft, dass es für das Traditionsunternehmen Uhren Pienle nach über 70 Jahren trotzdem weitergeht und sich ein Nachfolger findet. "Das würde meine Frau und mich sehr freuen", sagt Peter Miller.
Der Uhrmachermeister arbeitet nahezu jeden Tag. "Ich bin gern in meiner Werkstatt und wenn Arbeit da ist, muss man sie machen", sagt er. So sei er erzogen worden. Ab 7.30 Uhr sitzt er an seinem Werkstatttisch. Die erhöhte Arbeitsfläche entlastet seine Arme und Schultern und unterstützt die filigrane Arbeit, für die Peter Miller eine ruhige Hand, eine Lupe und spezielles Uhrmacherwerkzeug wie Spiralpinzetten benötigt. Uhren, die er repariert, bekommen am Ende ein Reparaturzeichen, auch bei einem Batteriewechsel. "Das machen wir Uhrmacher zur Kontrolle. Jeder hat sein eigenes Zeichen. Meines ist MP, dazu Monat und Jahr." So ist nachvollziehbar, wer die Uhr zuletzt auf dem Tisch hatte.
Zunächst eine Grobreinigung
"Jede Uhr ist für mich etwas besonderes. Ich freue mich, wenn sie bei mir auf dem Tisch liegt", sagt Peter Miller. Im ersten Schritt öffnet er die Uhr und zerlegt das Uhrwerk in seine Einzelteile. Der zweite Schritt ist eine Grobreinigung – für Großuhren im Ultraschallgerät, kleine Armbanduhren werden in einer Reinigungsflüssigkeit gesäubert. Anschließend kann der Uhrmachermeister Schäden leichter erkennen und beheben.
Mal wackelt ein kleiner Zapfen oder es fehlt ein Lagerstein. Aber nicht nur das Uhrwerk wird repariert, auch das Gehäuse bringt Peter Miller wieder auf Vordermann. Während er das zerbrochene Glasgehäuse einer Wanduhr schon mal zu einem Glaser gibt, bessert er abgeplatztes Email an Zifferblättern aus, leimt wackelige Holzgehäuse, zieht lose Schrauben an und baut defekte Werkteile nach, wenn er ein Originalteil nicht mehr besorgen kann. "Wenn ich ein Ersatzteil anfertige, freut es mich, wenn es genau so aussieht wie das Teil, das kaputt gegangen ist. So soll es ja auch sein."
Jede Uhr, die wieder zusammengebaut ist, prüft Peter Miller und reguliert sie auf der Zeitwaage, dass sie genau läuft. Wenn das "EKG" korrekte Linien anzeigt und die Uhr nach ein oder zwei Tagen immer noch die richtige Uhrzeit anzeigt, darf sie die Werkstatt des Uhrmachermeisters wieder verlassen.
Reparatur nicht immer rentabel
Aber auch der Uhrmachermeister kann nicht jede Uhr in Stand setzen. "Manches Uhrwerk kann ich gar nicht öffnen, weil es verschweißt oder vernietet ist." Andere Uhren werden so billig aus Kunststoff produziert, dass die Hersteller für sie keine Ersatzteile anbieten. Dann rentiert sich die Reparatur ebenfalls nicht. "Da ist auch meine Arbeitszeit zu wertvoll", sagt Peter Miller. Vor einer Reparatur bekomme deshalb jeder Kunde einen Kostenvoranschlag.
Käme ein Reparaturgesetz, müsse zunächst sichergestellt werden, dass Produkte auch reparierfähig und Ersatzteile verfügbar seien, findet Peter Miller. Auf viele Produkte aus Asien treffe das nicht zu. "Es rentiert sich oft nicht mehr. Wenn eine Reparatur 30 oder 40 Euro kostet, kaufen sich die Leute lieber einen neuen Wecker für zehn Euro", sagt der 64-Jährige. Verbraucher interessiere Qualität meist nicht mehr, es müsse vor allem billig sein. Was nicht mehr funktioniere, werde weggeworfen. "Ich sehe ja, was ich täglich auf dem Werktisch habe. Das ist Schrott, der um die halbe Welt gekarrt wird. Da tut es mir um die Rohstoffe leid, die dafür verschwendet werden."