Wer die eigenen Kinder für den Familienbetrieb begeistern will, sollte sich früh Gedanken machen – und nie Druck ausüben. Tipps, wie Betriebsinhaber die Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten können.
Sabine Hildebrandt-Woeckel
Wer die Homepage der Schreinerei Rumpfinger im oberbayerischen Hohenlinden aufruft, blickt in die lachenden Gesichter der Firmeninhaber. Seit 2007 lenken Mario und Johannes Rumpfinger die Geschicke des Familienbetriebes – und sie fühlen sich wohl dabei. Dabei gibt Johannes unumwunden zu, war es – zumindest für ihn – keineswegs immer klar, dass er die Tradition fortführen würde. Ein paar Mal hat er gezweifelt, sich dann aber doch bewusst und gerne dafür entschieden.
So soll es sein. Den Traum, den Betrieb in der eigenen Familie weiterzugeben, den träumen fast alle Unternehmer. Die Realität sieht jedoch oftmals anders aus: Gerade gut die Hälfte (54 Prozent) aller Betriebsübergaben erfolgen familienintern, so die Zahlen des Institutes für Mittelstandsforschung in Bonn. Und das liegt keineswegs immer daran, dass schlicht kein Erbe da ist, weiß Andrea Winkler, Nachfolgemoderatorin bei der Handwerkskammer in Karlsruhe. Immer häufiger wollen die Kinder einfach nicht.
Spaß am Unternehmerleben vermitteln
Eine Entscheidung, die ihre Unternehmereltern nicht selten verzweifeln lässt, an der sie aber oftmals auch selbst nicht unschuldig sind. Wer möchte, dass seine Kinder den Betrieb übernehmen, so Winkler, der muss sich rechtzeitig Gedanken darüber machen, wie er seinem Kind den Spaß am Unternehmerleben vermittelt. Dabei wichtig: das eigene Vorbild. Wer ständig am Esstisch jammert und wegen der vielen Arbeit jedes Kindergarten- und Schulfest verpasst, muss sich nicht wundern, wenn die Kinder sich ein anderes Leben wünschen.
Viele Kinder, erläutert die Expertin, wollen allein deswegen nicht übernehmen, weil der Betrieb ihr ganz Leben bestimmt hat – und das keineswegs positiv. Wochenende war nie richtig Wochenende, Urlaub war nie richtig Urlaub. Gemeinsames Picknick, Radtouren, der Zoobesuch am Sonntagnachmittag, von denen Schulfreunde berichteten. Fand alles nicht statt. Ihr Rat an Unternehmereltern ist daher ganz klar: Im eigenen Leben Balance von Beruf und Familie herstellen und den Blick auf das Wesentliche nicht verlieren. Dabei weiß sie sehr wohl, wie schwer das ist.
Den Stress nicht in die Familie lassen
"Ich habe das alles doch nur für die Kinder gemacht", lautet der meistgesagte Satz vieler Unternehmereltern, den auch andere Übergabeexperten immer wieder hören. Doch Winkler stellt eindeutig klar: "Er ist falsch!" Manchmal drückt er einfach Frust über eigene Lebensentscheidungen aus, zum Beispiel, dass man selbst dem Druck der Eltern nicht widerstehen konnte. Oft aber steht dahinter die Idee, durch die Weitergabe des Betriebes über den eigenen Tod hinauszuwirken. Ein Wunsch, der mitunter so stark ist, dass die Interessen des Kindes darüber aus dem Blickfeld geraten.
Träume der Eltern sind nicht immer die der Kinder
Was das bedeutet, berichtet Petra Salzbrunn. Gleich zweimal erlebte die Unternehmerin, dass die Träume der Eltern nicht immer die der Kinder sind. Zuerst bei ihrem Bruder, mit dem sie in den 60ern gemeinsam die Schütz Natursteine GmbH übernahm. Während sie die Arbeit liebte, machte er mit, weil dies von ihm erwartet wurde – und trauerte immer den vergebenen Möglichkeiten hinterher. Jetzt bei ihren eigenen Töchtern. "Der Funke", so die leidenschaftliche Unternehmerin, "ist nicht übergesprungen." Leicht ist es ihr nicht gefallen, sich damit abzufinden, das gibt sie zu. Doch inzwischen steht der Familienbeschluss. In zwei, drei Jahren geht die Familientradition zu Ende.
Eine gute Entscheidung, findet Fachfrau Winkler. Doch sie betont auch: Dass es nicht immer klappt, bedeutet nicht, dass Eltern gar keine Möglichkeiten haben, ihre Kinder zur Übernahme zu motivieren. Der entscheidende Aspekt auch hier wieder: das eigene Vorbild. Den betrieblichen Stress nicht in die Familie zu lassen, heißt im Umkehrschluss nämlich nicht, die Arbeit, das Handwerk an sich, außen vor zu lassen. Im Gegenteil: Unternehmerkinder sollen den Betrieb kennenlernen – und das eher früher als später. Schon als kleiner Junge, erinnert sich Johannes Rumpfinger, habe er aus Vaters Holz Schwerter geschnitten und mit dem Meterstab Fenster vermessen.
Kinder sollen sich ausprobieren
Ein "zu früh" gibt es nicht, findet denn auch Birgit Felden, Professorin für Management KMU und Unternehmensnachfolge in Berlin. Felden betont ebenso: Kinder sollten in der elterlichen Werkstatt nicht nur geparkt werden und spielen, sondern auch die Möglichkeit haben, das Handwerk kennenzulernen und sich auszuprobieren. Also mal selbst ein Produkt kreieren oder – später – eine Markteinführung begleiten. Doch Vorsicht: Mitmachen dürfen, heißt nicht, mitmachen müssen. Wer jeden Samstag im Betrieb schuften muss, verliert schnell die Lust.
Das Problem: Aus Angst, den potentiellen Unternehmensnachfolger an andere Interessen zu verlieren, üben viele Eltern zu viel Druck aus und ziehen von Anfang an zu enge Grenzen. Bereits das erste Schulpraktikum findet dann im elterlichen Betrieb statt oder zumindest im selben Handwerk. Und ist auch nur das geringste Interesse vorhanden, macht der Junior die Lehre zuhause.
Eltern ziehen oft zu enge Grenzen
"Fast schon ein Kardinalfehler", findet Felden. Gerade wenn das Kind grundsätzlich Interesse zeigt, sollte es die Möglichkeit haben, andere Unternehmen und auch andere Bereiche kennenzulernen. Ein paar Jahre im Ausland, ein Studium weit weg in einer anderen Stadt, schaden nie, weiß die Expertin. Die besten Übernahmen gelingen zumeist dann, wenn die Junioren sich erst vom elterlichen Betrieb lösen konnten und dann ganz freiwillig wieder zurückkehren.
So war es bei Johannes Rumpfinger. Nach Lehre und nachdem er den Betriebswirt des Handwerks gepackt hatte, arbeitete er zunächst ein paar Jahre als selbständiger Möbelhändler. Eine Zeit, die er bis heute nicht missen möchte – und aus der er viel Know-how in den elterlichen Betrieb zurückgebracht hat.
Zehn Tipps, den Spaß am Unternehmertum zu wecken
1. Spielen lassen: Zu früh kann man Kinder gar nicht an den eigenen Betrieb heranführen. Dabei aber wichtig: Am Anfang alles spielerisch halten.
2. Freude vermitteln: Überlegen Sie ganz bewusst, was Ihnen selbst Spaß macht in Ihrem Alltag. Lieben Sie das Handwerkliche, die Kreativität? Gefällt es Ihnen, Ihr eigener Herr zu sein? Erzählen Sie davon.
3. Offen sein: Reden Sie dabei ruhig auch offen darüber, dass Sie es schön fänden, wenn das Kind übernimmt. Aber machen Sie keine Doktrin daraus.
4. Zeit nehmen: Leben Sie vor, dass es auch ein Leben außerhalb des Betriebes gibt. Nehmen Sie Familientermine genauso ernst wie berufliche.
5. Ärger unterdrücken: Achten Sie darauf, dass gemeinsame Familienzeiten nicht von Stress und Sorgen dominiert werden.
6. Auszeiten nehmen: Definieren Sie Zeiten, in denen der Betrieb überhaupt kein Thema ist, z.B. bei den Mahlzeiten und im Urlaub.
7. Zeit geben: Machen Sie nicht zu früh Nägel mit Köpfen. Konkrete Übergabepläne sollten frühestens nach dem Abitur bzw. der Ausbildung besprochen werden. Auch dann gilt: Alle Optionen offenhalten. Wird es ernst, empfehlen Experten, zwischen dem ersten konkreten Gespräch und der tatsächlichen Übergabe drei bis fünf Jahre verstreichen zu lassen.
8. Genau hinsehen: Jeder Mensch ist anders. Sehen Sie genau hin, welche Interessen Ihr Kind hat – und fördern Sie diese. So erkennen Sie auch, welcher Aspekt des Betriebes ihm am meisten liegen könnte.
9. Zwang vermeiden: Jugendliche, die an den Wochenenden und in den Ferien im eigenen Betrieb mithelfen müssen, sind schnell frustriert. Auch wenn es sinnvoll ist, Verantwortung zu übernehmen, zu viel Druck schadet.
10. Freiraum lassen: Viele Kinder wollen erst ihre eigenen Erfahrungen machen – und kommen dann gerne zurück. Unterstützen Sie Auslandsaufenthalte und Praktika in anderen Bereichen.