Sachgrundlose Befristungen sind genau einmal erlaubt – alles andere verstößt gegen das Grundgesetz, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Richter kassierten damit ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts – und bestätigen die Praxis vieler Handwerksbetriebe.
Harald Czycholl

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen ist zulässig – aber nur ein einziges Mal bei ein und demselben Arbeitgeber. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (Aktenzeichen: 1 BvL 7/14). Die Verfassungsrichter kassierten damit ein älteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu der Thematik.
Die obersten Arbeitsrichter hatten vor einiger Zeit geurteilt, eine erneute sachgrundlose Befristungen sei zulässig, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren gelegen hat. Doch der Gesetzeswortlaut sei eindeutig, so das Bundesverfassungsgericht: Demnach ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“. Sogenannte Kettenarbeitsverträge, bei denen sich Mitarbeiter von Vertrag zu Vertrag hangeln müssen, bleiben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unzulässig.
An der gelebten Praxis der allermeisten Handwerksbetriebe ändert sich durch das aktuelle Urteil nichts. Zwar sei es bei Neueinstellungen wichtig, dass den Handwerksbetrieben genügend Zeit zur Verfügung steht, um die persönliche und fachliche Eignung eines neuen Mitarbeiters umfassend im betrieblichen Alltag wie auch im Kundenkontakt zu prüfen, so Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH). „Eine sachgrundlose Befristung gibt hierzu die Möglichkeit: Es gibt Betrieben wie Mitarbeitern die Gelegenheit zu schauen, ob es passt oder eben nicht.“
Doch durch die enge Zusammenarbeit in den Betrieben wisse man im Handwerk in der Regel nach einer gewissen Frist über die Eignung Bescheid. Mehrere sachgrundlose Befristungen aneinander zu ketten, sei daher im Handwerk unüblich. „Aus der betrieblichen Praxis wissen wir, dass gerade in Zeiten des Fachkräftemangels guten Mitarbeitern auch schnell und häufig noch vor Ablauf einer Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten wird“, sagt Wollseifer.
Union und SPD wollen sachgrundlose Befristungen einschränken
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne „sachlichen Grund“ ist aktuell für eine Dauer von zwei Jahren zulässig. Innerhalb dieses Zeitraums kann ein befristeter Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden. Tarifverträge können Abweichungen vorsehen. In ihrem Koalitionsvertrag sagen Union und SPD den sachgrundlosen Befristungen allerdings den Kampf an: Demnach sollen zukünftig in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch höchstens 2,5 Prozent der Mitarbeiter ohne Sachgrund befristet beschäftigt werden können. Zudem soll der zulässige Zeitraum von zwei auf eineinhalb Jahre reduziert werden.
Die Neuregelung soll demnach auch für Leiharbeiter in befristeten Arbeitsverhältnissen gelten. So sollen in Zukunft „auch eine oder mehrere vorherige Entleihung(en) des befristet eingestellten Arbeitnehmers durch Verleihunternehmen angerechnet“ werden, heißt es. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber soll erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren wieder möglich sein.
Sachgrundlose Befristung: Tausende Regierungsmitarbeiter betroffen
Die Bundesregierung setzt die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele selbst nur unzureichend um – und beschäftigt fast 8000 ihrer Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen, ohne dabei einen konkreten Sachgrund für die Befristung anzugeben. Damit nutzt die Regierung das Instrument der sachgrundlosen Befristung bei mehr als der Hälfte aller ihrer Befristungsfälle. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Otto Fricke. Allein im Bundesinnenministerium hatten demnach Ende Januar 4541 von insgesamt 5595 befristet beschäftigten Mitarbeitern eine sachgrundlose Befristung – das sind mehr als 80 Prozent. czy