Obwohl es der Fachkräftemangel anders vermuten lässt, bewerten viele Jugendliche das Handwerk als attraktiv. Das zeigt eine neue Studie. Woran aber liegt es, dass viele von ihnen trotzdem nicht in der Branche arbeiten?

Wie attraktiv ist das Handwerk? Und was macht die Branche interessant für junge Menschen? Um diese und weitere Fragen dreht sich der "Handwerkskompass" der Isotec-Gruppe, Spezialist für die Beseitigung von Feuchte- und Schimmelpilzschäden an Gebäuden, und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Für die Studie haben die Verantwortlichen 248 Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes sowie 214 Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahre befragt. Die Ergebnisse: Immerhin rund 29 Prozent der befragten Jugendlichen können sich eine Karriere im Handwerk vorstellen. Neun Prozent sind zumindest unentschlossen. Eine berufliche Zukunft im Handwerk sehen häufiger Männer (42,3 Prozent) als Frauen (22,1 Prozent) für sich.
Was das Handwerk für Jugendliche attraktiv macht
Die Attraktivität der Branche haben die Studienautoren anhand von sechs Kategorien gemessen, darunter die Kategorien "Gehalt und Anerkennung" und "Sinn und Bedeutung".
Als sehr positiv bewerten Jugendliche am Handwerk, die Sinnhaftigkeit der Berufe. Sie bescheinigen ihnen darüber hinaus eine "hohe Wirksamkeit“. Rund 84 Prozent der befragten Jugendlichen denken, dass im Handwerk Kunden konkret geholfen wird. Rund 70 Prozent sind der Meinung, dass durch die eigene Arbeit deren Lebensqualität erhöht wird.
Handwerksbetriebe sehen das ähnlich
Über 80 Prozent der Unternehmen sehen diese Aspekte ebenfalls erfüllt. Außerdem heben neun von zehn Handwerksbetrieben Vertrauen, Teamwork, Arbeitsplatzgestaltung und Gesundheit, Arbeitsbedingungen am Einsatzort, die Verwendung moderner Werkzeuge und einen konsequenten Arbeits- und Gesundheitsschutz als besonders attraktiv hervor. Auch sieht sich das Handwerk in Konkurrenz zu Industriebetrieben als stark, wenn es um einen sicheren Job (91 Prozent) und die Förderung leistungsstarker Mitarbeiter (81,3 Prozent) geht.
Jugendliche bemängeln Gehalt und Karrierechancen
Defizite sehen die Jugendlichen vor allem bei den Punkten Gehalt und – anders als die befragten Handwerker selbst – bei der Karriere. Weit oben auf der Wunschliste der Jugendlichen steht nämlich ein "gutes" Einkommen (71,5 Prozent). Aus der Sicht der Jugendlichen gibt es im Handwerk zudem geringere Karrieremöglichkeiten als etwa in Industriebetrieben. "Hier fällt die tatsächliche gegenwärtige Umsetzung in den Betrieben hinter die grundsätzliche Bedeutung für die Attraktivität im Handwerk zurück", heißt es im Handwerkkompass.
Viele können sich Karriere im Handwerk vorstellen, wenige arbeiten tatsächlich in der Branche
Obwohl sich wie oben erwähnt rund 29 Prozent der jungen Menschen eine Karriere im Handwerk vorstellen können, ist nur knapp jeder Zehnte der befragten Jugendlichen im Handwerk berufstätig. Woher kommt diese Diskrepanz? "Der Handwerkskompass zeigt auf, dass viele Potenziale ungenutzt und die besonderen Stärken des Handwerksberufs zu wenig kommuniziert und herausgestellt werden", fasst Horst Becker, Inhaber und Geschäftsführer von Isotec die Ergebnisse zusammen.
Handwerksbetriebe müssen besser kommunizieren
Was also können Handwerker tun, um mehr junge Leute für sich zu gewinnen? Basierend auf den Studienergebnissen geben die Autoren folgende Handlungsempfehlungen:
- Insbesondere in den kleineren Betrieben seien viele Attraktivitätslücken auf fehlende oder ausbaufähige Managementsysteme zurückzuführen. Laut Isotec-Handwerkskompass werden dadurch bereits vorhandene Attraktivitätsaspekte wie die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit nicht überzeugend kommuniziert, wozu sich niederschwellige Kommunikationswege wie die Social-Media-Kanäle der Betriebe besonders eignen würden. Dazu zählen unter anderem die Themen Gehalt, Betriebs- und Führungskultur, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzgestaltung und betriebliche Karriereoptionen.
- Um das Handwerk für Auszubildende, Gesellen, Meister und Selbständige wieder attraktiver zu machen, müsse aber auch die Politik die Rahmenbedingungen verbessern. Der Abbau von Bürokratie, steuerliche Entlastungen, Förderung der Selbstständigkeit und Vergünstigungen insbesondere für Auszubildende analog zu denen für Studierende seien nötig.
- Nicht zuletzt sollten Betriebe, Verbände und Politik vernetzt bei Nachwuchskräftegewinnung, Digitalisierung, Kommunikation und Imageförderung vorgehen – mit Medienkampagnen und Social-Media-Kommunikation. Nur so ließen sich das Potenzial des Handwerks vermitteln, um Nachwuchskräfte zu gewinnen und zu binden. ew
>>> Hier geht's zum Download der vollständigen Studie (nach Registrierung).