Leitartikel Neue Strategien gegen den Fachkräftemangel sind nötig

Vom Fachkräftemangel wird schon lange gesprochen, die Brückenteilzeit ist ein neueres Thema: Die Arbeitsmarktpolitik hat handfeste Auswirkungen auf das Handwerk. Auf dem Unternehmerforum wurde diskutiert.

Lothar Semper

Dr. Lothar Semper, stellvertretender Chefredakteur der Deutschen Handwerks Zeitung. - © Kasia Sander

Die Zahl der Erwerbstätigen hat im ersten Quartal 2018 in Deutschland mit 44,3 Millionen einen neuen Rekordwert erreicht. Das sind nochmals beachtliche 609.000 mehr als im Vorjahr. Der Anstieg der Erwerbstätigen wird aber nur durch eine Zunahme der Arbeitnehmer gespeist. Die Zahl der Selbstständigen ist – eben wegen der guten Arbeitsmarktlage – leicht rückläufig.

Fachkräftemangel bereits ein Wachstumshemmnis

Gleichzeitig geht die Zahl der Arbeitslosen weiter zurück. Damit verbunden sind Rekord­einnahmen der Bundesagentur für Arbeit. Schon wird diskutiert, ob die für das kommende Jahr avisierte Beitragssenkung nicht üppiger als 0,3 Prozent ausfallen könnte. Als Damoklesschwert hängt über dieser positiven Entwicklung der Fachkräftemangel. Für viele Handwerksbetriebe ist er bereits zum Wachstumshemmnis geworden.

Vor diesem arbeitsmarktpolitischen Umfeld fand kürzlich das Unternehmerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil statt. ZDH und Minister sind sich einig, dass alles Mögliche getan werden muss, um noch mehr Menschen zu Beschäftigten zu machen. Über das "Wie" allerdings gehen die Meinungen dann auseinander. Der Bundesarbeitsminister will eine Vollbeschäftigungsstrategie entwerfen. Man braucht hier nicht in den Diskurs von Volkswirten einzutreten, ab welcher Arbeitslosenquote Vollbeschäftigung herrscht. Fakt ist: Wir haben keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle, zumeist Langzeitarbeitslosigkeit.

1,6 Millionen junge Menschen ohne Erstausbildung

Minister Heil hat sicher Recht, wenn er darauf hinweist, dass wir jährlich mit 50.000 jungen Menschen deutlich zu viele haben, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Doch das ist ein bildungspolitisches Problem. Auch ist es ein gravierender Missstand, dass wir rund 1,6 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren haben, die ohne jegliche berufliche Erstausbildung sind. Bei der letztgenannten Gruppe muss man sicherlich auf "Fördern" und "Fordern" setzen, wobei das "Fordern" nicht zu kurz kommen darf. Die Wirtschaft kann jeden brauchen, der arbeitswillig und arbeitsfähig ist. Dafür braucht es keine allzu umfangreich geförderten Maßnahmen wie einen sozialen Arbeitsmarkt.

Bedenken bei der Brückenteilzeit

Vor allem – und da ist Minister Heil im Wort – darf dieser nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und dazu führen, dass der erste Arbeitsmarkt darunter leidet. Ein in der Regierung umstrittenes Thema ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf befristete Teilzeit. Im Bundesarbeitsministerium hat man dafür nun den Begriff der Brückenteilzeit erfunden – vielleicht in der Hoffnung, dass der Begriff Brücke etwas positiver besetzt ist. Handwerksbetriebe sind zwar aufgrund von Schwellenwerten zumeist nicht betroffen. Dennoch macht ZDH-Präsident Wollseifer zu Recht Bedenken geltend. Denn es geht hier auch um Ordnungspolitik und um Eingriffe in die unternehmerische Dispositionsfreiheit. Im Handwerk werden derartige Fragen zwischen Inhaber und Arbeitnehmern in der Regel positiv auf dem "kurzen Dienstweg" gelöst. Da braucht es nicht den Knüppel des Rechtsanspruchs.

Heil hat angedeutet, dass man mit ihm auch über eine stärkere Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags reden kann. Allerdings legt er Wert auf eine solide finanzielle Ausstattung der Arbeitsämter für schwierigere Zeiten. Dann allerdings müsste dieses Geld auch nur dafür zur Verfügung stehen und darf nicht vorher mit Arbeitsmarktexperimenten verfrühstückt werden.