Die Regierung ist nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern angeschlagen – und wird ihre Differenzen wohl mit Geld zukleistern.
Karin Birk

Erst Bayern, dann Hessen. Was Union und SPD in den Landtagswahlen erfahren haben, kann man nur als Klatsche bezeichnen. In Hessen kommt die CDU gerade noch auf 27 Prozent. Die SPD ist sogar unter 20 Prozent gerutscht. Was einmal in Berlin als große Koalition gestartet war, reicht in Hessen jetzt nicht einmal mehr für eine einfache Mehrheit.
Zu stark haben die anderen zugelegt: Die Grünen sind – nicht nur dort – auf Augenhöhe mit den Sozialdemokraten. Und die AfD hat es mit ihrem zweistelligen Ergebnis in Hessen jetzt in jedes Länderparlament geschafft. Zuvor musste sich schon in Bayern die CSU von ihrem Alleinregierungsanspruch verabschieden, und die SPD hat mit gerade mal 9,7 Prozent ein desaströses Ergebnis eingefahren. Der Herbst 2018 wird die Bundespolitik nachhaltig prägen. Wie genau, ist derzeit schwer absehbar. Gewiss ist nur: Die Arbeit der schwarz-roten Koalition wird nicht einfacher.
Nach Hessen-Wahl: SPD stellt Große Koalition in Frage
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat das schon am Abend der Hessen-Wahl deutlich gemacht. Sie forderte einen "verbindlichen Fahrplan" für die Koalition. Falls die Umsetzung bis zur "Halbzeitbilanz" der Regierung nicht gelinge, müsse die SPD überlegen, ob sie in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei. Sprich: Die Union soll künftig noch mehr nach der SPD-Pfeife tanzen – obwohl die Wähler nun das gerade nicht wollten.
Wie schnell die schlechten Wahlergebnisse personalpolitische Konsequenzen haben können, zeigte sich einen Tag nach der Hessen-Wahl. Am Morgen kündigte Angela Merkel an, sich beim Parteitag der CDU im Dezember nicht mehr der Wahl zur Parteivorsitzenden stellen zu wollen. Bundeskanzlerin wolle sie aber weiter bleiben. Zuvor wollte Merkel noch einmal als Parteivorsitzende antreten. Ganz nach ihrem Motto: Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand. Fraglich ist auch die politische Zukunft von Horst Seehofer. Der Druck auf den CSU-Vorsitzenden wächst, Verantwortung zu übernehmen für die Streitereien zwischen CDU und CSU und den desolaten Zustand der großen Koalition. Aber auch Nahles verliert in der SPD zusehends an Rückhalt.
Mehr und mehr stellt sich die Frage, ob die von Anfang an ungeliebte Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält. In der SPD sorgt man sich um nicht weniger als die eigene Existenz als Volkspartei. Das No-Groko-Lager dürfte weiter Zulauf erhalten. Noch ungemütlicher wird es für die SPD, wenn man an die Landtagswahlen in Ostdeutschland im kommenden Jahr denkt.
Und die Union? Sie ist in Ostdeutschland noch schwächer als im Westen. Auch leidet sie noch immer unter der Flüchtlingskrise. Ein Thema, von dem die AfD profitiert. Zwar sind die Flüchtlingszahlen zurückgegangen, doch taucht in diesem Zusammenhang ein Problem auf, wird es mit Merkel verknüpft. In der Union könnte also auch deshalb der Wunsch größer werden, einen Befreiungsschlag zu wagen. Dann könnte die Spekulation um eine Jamaika-Koalition Auftrieb erhalten. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat schon zu Protokoll gegeben, dass seine Partei für eine Koalition ohne Merkel zur Verfügung stehe. Und was ist mit den Grünen, die derzeit auf einer Welle des Erfolges schwimmen? Sie wollten schon vor Jahresfrist im Bund mitregieren.
Doch ganz so schnell wird die schwarz-rote Koalition wohl nicht aufgeben. Viel eher werden sie – mehr noch als bisher – Differenzen mit Geld zukleistern.