Strukturwandel im Bäckerhandwerk Mythos Bäckersterben?

Belastend hohe Energiepreise, steigende Rohstoffkosten und die Inflation hinterlassen Spuren. Die Zahl der Handwerksbäckereien sinkt weiter. Dennoch spricht der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks nicht vom "Bäckersterben". Doch die Branche wandelt sich.

Bäckersterben? Bäcker in der Backstube
Der Begriff "Bäckersterben" stimmt so nicht: Vielmehr wandeln sich die Strukturen des Bäckerhandwerks. Aus vielen kleinen Einzelbetrieben werden Betriebe mit mehreren Filialen. - © Kzenon - stock.adobe.com

780 Handwerksbäckereien haben im vergangenen Jahr aufgegeben. Zu hoher Kostendruck, kein Nachfolger oder Verkauf an Wettbewerber – die Gründe sind vielfältig. Genauso vielfältig wie die Branche und deren Ideen für Neugründungen. So ist trotz dieser Tatsache vom viel gehörten "Bäckersterben" in der Branche nicht die Rede. Denn im Jahr 2022 kamen auch 422 neue Bäckereien hinzu, die nun in die Handwerksrolle eingetragen sind. Insgesamt gingen die Betriebszahlen deshalb nur um 358 zurück – ein Minus von 3,6 Prozent.

Dieses Minus zeichnet in gewisser Weise einen Trend weiter, der schon seit Jahren anhält. Und so zeigt sich der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks auch positiv gestimmt, wenn man die Belastungen der letzten Jahre betrachtet. So häuften sich in den vergangen Monaten die Berichte über die Belastungen durch die andauernde Energiekrise und die gestiegenen Rohstoffkosten die den Bäckereien schwer zu schaffen machen, ebenso wie die Erhöhung des Mindestlohns, der sich in der personalintensiven Branche besonders zeigt. "Die Herausforderungen waren für alle Betriebe deutlich spürbar", teilt Bäckerpräsident Michael Wippler zum neuen Geschäftsbericht mit, der nun vorliegt. Dennoch hat der Großteil der Betriebe den Herausforderungen bislang standgehalten und Szenarien wie eine große Pleitewelle zugunsten der Backindustrie ist ausgeblieben.

Bäckersterben? Oder Rückbesinnung auf das Handwerk?

So konnte das Bäckerhandwerk auch ein Umsatzplus melden: Der Umsatz der handwerklichen Betriebe nahm insgesamt um 9,4 Prozent auf 16,27 Milliarden Euro zu. Allerdings muss man diese Zahlen in den Zusammenhang mit den allgemeinen Preissteigerungen betrachten, die durch die hohe Inflation ausgelöst wurde. So relativiert der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Friedemann Berg: "Die meisten Betriebe konnten die immense Steigerung der Ausgaben nicht im vollen Umfang auf die Produktpreise umlegen."

Doch Fakt ist eben auch, dass die Zahl der Bäckereibetriebe in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 auf nunmehr 9.607 gesunken ist. Immer wieder ist deshalb vom Begriff des "Bäckersterbens" die Rede. Doch kann man das wirklich schon sagen oder ist es zu weit gegriffen in Zeiten, in denen viele Menschen sich auch wieder mehr auf handwerklich hergestellte Lebensmittel zurückbesinnen? Immerhin zeigen die aktuellen Zahlen auch, dass es über 400 Neueintragungen in die Handwerksrolle – und damit Neugründungen im Bäckerhandwerk – gab.

Zudem ist die Zahl der Verkaufsstellen nach Angaben des Zentralverbandes seit Jahren stabil bei rund 46.000. Geschlossene Filialen werden meist vom Wettbewerb übernommen und die Lücken mit neuen Standorten geschlossen. Das Bäckerhandwerk ist demnach weiterhin präsent in den Städten und Dörfern des Landes.

Strukturwandel statt Bäckersterben

Zumindest als "übertrieben" wertet Friedemann Berg, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks den Begriff "Bäckersterben". Vom Bäckerverband wird er deshalb schon lange nicht mehr benutzt. Er vermittelt laut Berg ein falsches Bild und stellt den Strukturwandel zu vereinfacht dar. "Beim Rückgang der Betriebszahlen handelt es sich vielmehr um einen Konzentrationsprozess, der durch den allgemeinen Strukturwandel auf dem Backwarenmarkt ausgelöst wurde", erklärt er.

Gab es in den 1950er Jahren überwiegend kleine Familienbetriebe, in denen der Verkauf an die Backstube angeschlossen war, so geht der Trend heute vermehrt zu zentralen Produktionsstätten mit einem lokalen oder regionalen Netz von Verkaufsstellen. Häufig würden Meisterbetriebe übernommen und in das Filialnetz einer größeren Bäckerei eingegliedert, wenn der frühere Besitzer in den Ruhestand geht.

Aus vielen kleinen Bäckereien mit nur einer Filiale werden als weniger große, die jeweils mehrere Verkaufsstellen haben. Deutlich wird das auch an der Zahl der Beschäftigten. Denn diese ist im Vergleich zu den Betriebszahlen relativ stabil. Das liegt auch daran, dass die meisten Handwerksbäcker ihr gastronomisches Angebot mit Kaffee und Snacks als zweites Standbein ausgebaut und erfolgreich etabliert haben.

Bäckerhandwerk in Zahlen

Die Zahl der Bäckereibetriebe lag zum Jahresende 2022 bei 9.607. Vor über 60 Jahren lag sie noch bei rund 55.000 Handwerksbäckern im alten Bundesgebiet. Ende 2021 waren noch 9.965 Betriebe in die Handwerksrolle eingetragen und so ergibt sich allein seitdem ein Rückgang von 3,6 Prozent bis heute. Bei sinkender Zahl der Betriebe und nahezu unveränderter Zahl der Verkaufsstellen erhöhte sich die Zahl der Filialen pro Betrieb. Konsequenterweise stieg dadurch die Betriebsgröße. Die durchschnittliche Mitarbeiteranzahl liegt mittlerweile bei 24,8 (zuvor 24,2).

Die Beschäftigtenzahl des Bäckerhandwerks insgesamt lag Ende 2022 bei 238.200 Mitarbeitern der Branche. Damit gab es deutschlandweit ein Minus von 2.600 Betriebsinhabern, Familienangehörigen und Mitarbeitern der Branche.

Quelle: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks

Friedemann Berg spricht aufgrund dieser Entwicklung von einer "Filialisierung im Bäckerhandwerk". Ob und in welchem Umfang diese noch anhalten wird, hänge von den zukünftigen Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen des Bäckerhandwerks ab. "Momentan sind die Hauptgründe für die sinkenden Betriebszahlen sicherlich die steigende finanzielle Last, der Nachwuchsmangel und der bürokratische Aufwand", erklärt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer. Verschärfte Aufzeichnungspflichten durch das Mindestlohngesetz, Lebensmittelinformationsverordnungen und immer komplizierter werdende Deklarationspflichten – der bürokratische Aufwand für Bäckereien wächst stetig und stellt insbesondere kleine Bäckereibetriebe vor unzumutbare Hürden.

Aktuell hat der Verband daher ein Forderungspapier mit 32 konkreten Vorschlägen aufgesetzt und steht im engen Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern. Das Bundesjustizministerium will nämlich in Kürze einen Plan vorlegen, wie die Bürokratie abgebaut werden kann.

Neue Bäckereien mit neuen Konzepten

Berg hat trotz aller kritischen Entwicklungen jedoch auch gute Nachrichten: "Wir vermuten, dass der Strukturwandel zwar zunächst anhalten wird, sehen aber bereits jetzt, dass die Kurve langsam in eine Seitwärtsbewegung umschlägt." So erlebt der Bäckerverband derzeit, dass diejenigen Handwerksbäcker, die mit modernen Konzepten, Snackideen und gemütlichen Cafés ihre Kunden finden, äußerst erfolgreich im Markt sind und auch in neue Produktionsstätten und Filialen investieren.

So hofft der Verband, dass die Branche nach den Verwerfungen des vergangenen Jahres wieder in ruhiges Fahrwasser kommt. Allerdings müssen dazu die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Eine mittelstandsfreundliche Wirtschafts- und Steuerpolitik, bezahlbare Strom- und Gaspreise und weniger Bürokratie sind allerdings die notwendigen Voraussetzungen, damit das gelingen kann. Hier sei die Ampel-Regierung gefragt, die endlich die Probleme des Landes angehen muss, heißt es von Seiten des Zentralverbandes.