Tatsächlich sterben in Deutschland mehr Menschen an den Folgen von Treppenstürzen als infolge eines Motorradunfalls. Zwar geht die Zahl der tödlichen Unfälle bei der Arbeit und auf dem Weg dorthin zurück. Dennoch verzeichnen die Unfallkassen steigende Unfallzahlen. Wo Gefahren lauern.

"Jeder tödliche Arbeitsunfall ist einer zu viel", kommentiert die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) die aktuelle Unfallstatistik, mit der sie eigentlich ganz zufrieden sein kann. Denn die Zahlen sinken. Zwar steht eine genaue Auswertung der Statistik noch aus, doch die vorläufigen Zahlen zu den tödlichen Unfällen bei der Arbeit und auf dem Weg dorthin sind schon veröffentlicht.
Der Trend zeigt wie auch in den Vorjahren darauf, dass es weniger tödliche Arbeitsunfälle gab: So waren es im Jahr 2016 exakt 46 weniger als noch 2015, die bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen gemeldet wurden. Insgesamt waren es 424 tödliche Arbeitsunfälle; davon 304 auf dem Weg zur Arbeit (44 weniger als 2015).
Arbeitsunfall: Stolpern, Rutschen und Stürze am häufigsten
Doch trotz dieser positiven Entwicklung zeigt die Statistik insgesamt eine Zunahme bei den Arbeitsunfällen. So stieg die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Vergleich zum Vorjahr insgesamt auf 876.579 (2015: 866.056). Eine genaue aktuelle Analyse der Unfallgründe steht aus dem Jahr 2016 noch bei der DGUV noch aus. Sehr wahrscheinlich ist jedoch eine hohe Zahl der SRS-Unfälle – als Abkürzung für Stolpern, Rutschen, Stürzen. Sie führen seit Jahren konstant die Liste der meldepflichtigen Arbeitsunfälle an.
Nicht hohe Gerüste, schwere Lasten oder gefährliche Maschinen sind die häufigsten Auslöser für Arbeitsunfälle – sondern schlichte Fehltritte . 20 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle sind auf Stolpern, Ausrutschen und Stürze zurückzuführen, meldet die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) .
Von insgesamt rund 840.000 meldepflichtigen Arbeitsunfällen bundesweit im Jahr 2014 sind mehr als 171.000 auf SRS-Unfälle zurückzuführen - also jeder fünfte. Auf den ersten Blick scheinen diese Unfälle vergleichsweise harmlos zu sein. Doch laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sterben in Deutschland mehr Menschen an den Folgen von Treppenstürzen als infolge von Motorradunfällen. Dabei lassen sich gerade diese Unfälle leicht vermeiden.
Unternehmer muss Stolperfallen erkennen
“Der Unternehmer hat laut Arbeitsschutzgesetz die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten“, erklärt Rolf Bußmann, Leiter der Stabsstelle Arbeitsumgebungsbedingungen der BGHM. Dazu gehört auch, Stolper- und Rutschgefahren auszuschließen.
Die Grundlage dafür ist eine aussagekräftige Gefährdungsbeurteilung :
- Wie ist der technische Zustand von Böden und Treppen?
- Ist alles instand gesetzt und wird regelmäßig kontrolliert?
- Alle Aspekte der Beurteilung werden in Risikoklassen eingeteilt und Präventionsmaßnahmen festgelegt.
“Das beginnt schon auf dem Firmenparkplatz“, erklärt Bußmann. „Gerade im Winter passiert es oft, dass sich auf Schotterparkplätzen Kuhlen oder Löcher bilden und dort Wasser gefriert - eine typische Rutschfalle.” Deshalb sei es wichtig, Löcher stets zuzuschütten und den Untergrund möglichst eben zu halten.
Im Gebäude besteht Rutschgefahr, wenn Mitarbeiter von draußen kommen und mit nassen Schuhen über glatte Böden laufen. “Hier hilft ein einfacher großer Fußabtreter, um das Risiko des Stürzens zu mindern”, weiß Bußmann. Auch wenn Fußböden gereinigt werden, sollte immer ein Hinweisschild aufgestellt werden.
Stolpern über Kanten
Eine weitere Ursache für Stürze im Betrieb sind Stolperkanten, die oft bei Neu- oder Anbauten im Gebäude entstehen. “Gerade für neue Mitarbeiter stellen diese ein hohes Risiko dar, weil sie die üblichen Wege noch nicht kennen. Am besten ist es, wenn direkt in der Bauphase darauf geachtet wird, vorstehende Kanten zu vermeiden. Falls das nicht mehr möglich ist, müssen sie farblich kenntlich gemacht werden“, erklärt der Experte.
Weitere Aspekte, die in der Prävention bedacht werden müssen, sind große und rutschfeste Trittflächen von Treppen , ausreichende Beleuchtung sowie im Winter sicher begehbare Rampen. Hier sind die Räum- und Streudienste gefragt. Oft ist es auch die Aufgabe von Hausmeistern oder Pförtnern, die Flächen von Eis und Schnee zu befreien. Für sie gibt es spezielle überziehbare Spikes, die an den Schuhen sicher befestigt werden können.
Richtiges Schuhwerk bewahrt vor dem Fall
Grundsätzlich trägt richtiges Schuhwerk maßgeblich dazu bei, Unfälle durch Ausrutschen oder Umknicken zu vermeiden. “Gleisbauarbeiter brauchen andere Sicherheitsschuhe als Arbeiter in der Werkhalle. Für die einen ist ein hoher Schaft gegen Umknicken besonders wichtig, für andere reicht eine rutschfeste Sohle“, erläutert Bußmann.
Stolperfallen und Rutschgefahren sollte man immer ernst nehmen. “Oft wird ja auch einfach darüber gelacht, wenn jemand stolpert und fällt. So nach dem Motto: Ach, der hat halt nicht richtig aufgepasst“, sagt Bußmann. Doch gerade die Meldung von Beinahe-Unfällen könne dazu beitragen, schlimme zukünftige Unfälle mit langwierigen Folgen zu verhindern. Beschäftigte sollten grundsätzlich immer sofort die Sicherheitsfachkraft informieren, sobald sie potenzielle Stolper- oder Rutschgefahren ausfindig gemacht haben.
Grundsätzlich sei eine gewisse Sensibilität für das Thema notwendig, um sich kompetent und verantwortungsvoll zu verhalten, betont Bußmann. „Man sollte immer nur vorgeschriebene Verkehrswege benutzen und keine abgesperrten Bereiche betreten.“ Ordnung und Sauberkeit am Arbeitsplatz seien zudem grundlegende Voraussetzungen für die Sicherheit im Betriebsalltag. “Wenn etwas herunterfällt, hebe ich es auf, damit niemand darüber stolpert. Wer Flüssigkeit verschüttet, sollte sie sofort aufwischen. Das sind im Grunde alles ganz einfache Maßnahmen, die aber schlimme Unfälle verhindern können.“
Unternehmer sollten ihre Beschäftigten regelmäßig zum Thema SRS-Unfälle unterweisen und darauf achten, dass alle notwendigen Präventionsmaßnahmen umgesetzt und eingehalten werden. “Auch wenn solche Unfälle zunächst nach etwas Banalem klingen: Fehlzeiten, auch durch Stolpern, Rutschen und Stürzen kosten Geld! Das sollte Unternehmern stets bewusst sein“, sagt Bußmann. „Für den Arbeitnehmer bedeuten sie außerdem Schmerzen und unter Umständen bleibende Schäden.“
Dieser Beitrag wurde am 18. April 2017 aktualisiert.