Viele Geschäfte sind aktuell dazu verpflichtet, Kontakte zwecks der Corona-Nachverfolgung zu dokumentieren. Digitale Lösungen wie Luca, Recover oder eGuest versprechen, diesen Prozess noch einfacher zu machen. Die Bäcker haben sich bereits für eine der Apps ausgesprochen. Doch es gibt auch Kritik.
Eileen Wesolowski

In Mecklenburg-Vorpommern könnten Papierberge aus Kontaktlisten bald Geschichte sein: Denn es ist das erste Bundesland in Deutschland, das für eine flächendecke Kontaktnachverfolgung eine App nutzt. Für die Lizensierung des Luca-Systems hat das Land 440.000 Euro in die Hand genommen. Seit dem 12. März ist es an alle Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen. Damit können Einrichtungen mit Publikumsverkehr wie Geschäfte, Gaststätten, Kulturbetriebe, Hotels oder Behörden und ihre Besucher im ganzen Nordosten die App nutzen. Die Gesundheitsämter können im Fall eines nachgewiesenen Corona-Falls auf die verschlüsselten Daten zur Kontaktverfolgung zurückgreifen. "Wir schaffen damit die Zettelwirtschaft ab", sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).
Bäckerverband spricht sich für App aus
Nach dem Lockdown sehnen sich viele Menschen danach, wieder ins Restaurant zu gehen oder eine Veranstaltung zu besuchen. Die Luca-App von der Betreiberfirma Culture4Live ist nur eine von vielen digitalen Lösungen, um das damit verbundene Risiko einer Corona-Infektion zu minimieren. Andere Apps heißen Corona-Anmeldung.de, Recover, Gastident, eGuest, Kontakterfassung.de, Smartmeeting und darfichrein.de. Sie sollen nicht nur die Kontaktnachverfolgung einfacher machen, sondern auch Papierlisten ersetzen, die aktuell viele Betriebe für die Dokumentation nutzen.
Der Bäckerverband hat sich positiv zur Luca-App geäußert: "Die Bäckerei-Cafés sind seit mehr als vier Monaten geschlossen und brauchen dringend eine Öffnungsperspektive. Helfen können dabei technologische Lösungen zur gezielten Nachverfolgung der Kontakte, wie die Luca-App", erklärt Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks.
Wie das Prinzip der App im Fall der Bäckereien und Cafés funktionieren würde: Die Handwerksbetriebe hinterlegen digital ihren Standort und hängen einen QR-Code ins Schaufenster. Die Kunden scannen den QR-Code und checken so im Laden ein. Werden nun Infektionen mit dem Corona-Virus gemeldet, kann das örtliche Gesundheitsamt die Kontakte im Laden über das verschlüsselte System innerhalb kürzester Zeit nachverfolgen und Infektionsketten schnell unterbrechen. Die App ist dabei für Bäckereien und Kunden kostenlos.
Die Bäcker fordern Politik in Bund und Ländern auf, die App als einheitliche Lösung voranzutreiben. Sie sei einfach zu bedienen und biete eine datenschutzrechtlich sichere Lösung. "Die Luca-App funktioniert allerdings nur, wenn möglichst alle mitmachen. Daher müssen Wirtschaft, Verwaltung und Politik gemeinsam an einem Strang ziehen", so Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Bäckerverbands.
Kritik kommt von anderen Anbietern
Diese Forderung kritisieren wiederum andere. Die Start-up-Initative "Wir für Digitalisierung" hat sich gegen eine exklusive Einführung der Luca-App zur bundesweiten Kontaktverfolgung in der Corona-Pandemie ausgesprochen. "Eine einheitliche Lösung kann, auch mit Blick auf die Erfahrung mit der Corona-Warn-App, nur zum Scheitern verurteilt sein", erklärte Jan Kus, Geschäftsführer der Railslove GmbH, die mit der Recover-App eine konkurrierende Lösung zur Luca-App anbietet.
Die Initiative strebe eine "kollaborative, offene und gemeinsame Schnittstelle" an, an die sich alle Kontaktdatenerfassungssysteme anbinden könnten, darunter auch Luca. Die Kontaktdaten aus den verschiedenen Erfassungslösungen könnten dann über eine einheitliche Schnittstelle zur Nachverfolgung an Systeme der Gesundheitsämter übernittelt werden.
Die Luca-App gilt in der Politik als favorisierte Lösung. Sie hatte in den vergangenen Wochen viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Unter anderem hatte sich Armin Laschet (CDU) als Fan der App geoutet. Das System wurde vom Musiker Smudo von den Fantastischen Vier mitentwickelt. "Ich bin davon überzeugt, dass Luca uns in Kombination mit Testungen, der Corona-App und den AHA-Regeln in ein immer normaleres Leben führen wird", sagte Smudo der Deutschen Presse-Agentur. Bei einem TV-Auftritt bei "Anne Will" am 14. März machte er klar, dass er ein Nebeneinander von verschiedenen Kontakterfassungs-Apps nicht für sinnvoll hält. Ein Gateway zu bauen, helfe nicht. "Dann kommt der FC Bayern mit seiner App – oder ein Hotelbetrieb von der anderen Seite mit seiner Hotel App." So könne man nicht herausfinden, ob eine positiv getestete Person, die gerade im Stadion war, sich vielleicht zuvor einem Restaurant aufgehalten habe.
Verbraucher sind verunsichert
Auch Datenschützer kritisieren die Luca-App. Experten wie Tibor Jager, Professor für IT-Sicherheit und Kryptographie an der Bergischen Universität Wuppertal, bemängeln, dass das Luca-System nicht quelloffen (Open Source) entwickelt wurde.
Die Skepsis der Datenschützer kritisiert Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom. Beim Einsatz von Apps wie Luca, Recover oder eGuest herrsche vielerorts noch große Verunsicherung, weil einige Verbraucher- oder Datenschützer empfehlen, auf Papierlisten zu setzen. "Dabei haben Apps zur Kontaktnachverfolgung den großen Vorteil, dass persönliche Daten wie Telefonnummer oder Adresse nicht von jedermann eingesehen werden können, die Lesbarkeit sichergestellt ist und vor allem, dass die Gesundheitsämter direkt digital informiert werden, wenn es Infektionen an einem bestimmten Ort gab", sagt Berg. In Kombination mit der Corona-Warn-App könnten solche Kontaktnachverfolgungs-Apps eine große Unterstützung bei einer Öffnungsstrategie aus dem Lockdown sein. Mit Inhalten von dpa
Wo können Nachverfolgungs-Apps helfen?
Das Kontaktverfolgungssystem hat in den vergangenen Monaten nur mäßig gut funktioniert. Oft saßen "Donald Duck" oder "Micky Maus" am Gästetisch, zumindest hatten sie sich mit diesen Namen in die Gästeliste eingetragen. Viele Gastwirte haben diese falschen Daten hingenommen, denn sie waren für die Angaben rechtlich nicht verantwortlich und durften auch keine Personalien kontrollieren. Dieses Recht haben nur das Ordnungsamt und die Polizei. Die Check-in-Apps versprechen eine effizientere Methode, Restaurant-Besucher vor dem Risiko einer Corona-Infektion zu warnen. Die App-Macher wollen aber nicht nur Fake-Einträge vermeiden, sondern die sensiblen Gästedaten besser schützen als auf Papierlisten.
Wie funktionieren die Apps?
Am Luca-System sind drei Seiten beteiligt: Gast, Gastgeber und Gesundheitsämter. Für die Gäste ist es am bequemsten, sich die dazugehörige Luca-App auf ihrem Smartphone zu installieren. Man kann aber auch über das Web seine eigenen Kontaktdaten eintragen. Auch hier könnten sich die User als "Donald Duck" registrieren. Im Unterschied zur Gästeliste aus Papier wird aber die Mobilfunknummer mit einer SMS gecheckt, sodass die Gesundheitsämter immerhin wüssten, unter welcher Telefonnummer "Donald Duck" nach einem Risiko-Vorfall erreicht werden kann. Das Einchecken vor Ort läuft mit Hilfe der Smartphone-Kamera, die einen QR-Codes einliest. Die Klötzchengrafik wird vom Gastgeber mit Hilfe der Luca-App generiert.
Infiziert sich ein Nutzer, kann freiwillig die Check-in-Historie mit dem Gesundheitsamt geteilt werden. Das Gesundheitsamt informiert dann die einzelnen Veranstaltungsorte und Events und sendet eine Anfrage zur Datenfreigabe an das Luca-System. Mit dieser Anfrage kann der Gastgeber dem Gesundheitsamt alle zeitgleichen Check-ins seiner Gäste freigeben.
Bei Recover muss auf dem Smartphone keine App installiert werden. Ähnlich wie bei Luca wird mit der Kamera ein QR-Code erfasst und eine Webseite von Recover aufgerufen. Dort werden die Kontaktdaten eingetragen und der Veranstaltung zugeordnet. Mit einem weiteren Fingertipp kann man sich wieder auschecken.
Darüber hinaus können die jeweiligen Apps über Zusatzfunktionen verfügen. Die App Corona-Anmeldung.de bietet Kunden von Restaurants, Cafés oder Bars etwa die Möglichkeit, auch die Speisekarte digital abzurufen.
Was ist der Unterschied zur Corona-Warnapp?
Die Corona-Warn-App stellt mithilfe des Bluetooth-Funks anonym fest, ob sich zwei Menschen über mindestens fünf Minuten gefährlich nahe gekommen sind. Außerdem dient die App der schnellen digitalen Übertragung der Testergebnisse. Im Fall der Luca-App ist ein bewusstes Einchecken an einem Eventort, Geschäft, Verkehrsmittel oder Restaurant notwendig.
Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Patrick Hennig ist Geschäftsführer des Berliner Start-ups Nexenio, das die Luca-App entwickelt hat. Ihm zufolge sorgt das System dafür, dass Kontaktdaten bereits auf dem Smartphone so verschlüsselt werden, dass nur das Gesundheitsamt nach Freigabe von Betrieben oder Nutzern im Infektionsfall Zugriff auf die Daten erlangt. "'Luca' informiert damit automatisch alle betroffene Personen, sobald für ein Gesundheitsamt Daten freigegeben werden", so Henning. "In Kürze werden diese Anfragen der Gesundheitsämter nur noch aus dem Netzwerk des Bundes heraus erfolgen, um maximale Sicherheit zu gewährleisten.”
Datenschutzexperten kritisierten im Fall der Luca-App, dass das System nicht quelloffen (Open Source) entwickelt worden ist: "Ob und inwiefern die Luca-App ihre Versprechen erfüllt, kann man von außen zu diesem Zeitpunkt leider nicht einschätzen", sagt Tibor Jager, Professor für IT-Sicherheit und Kryptographie an der Bergischen Universität Wuppertal. dpa/ew