Einsatzchancen von KI in den Betrieben Künstliche Intelligenz entlastet Handwerker

Drei aktuelle Forschungsprojekte zeigen, wie künstliche Intelligenz die Gesundheit der Mitarbeiter schonen und die Abläufe in Handwerksbetrieben verbessern kann.

Steffen Guthardt

Das Projekt Bauprevent analysiert die körperlichen Belastungen, denen Maler und Stuckateure ausgesetzt sind. Mit Hilfe von KI erhalten sie Bewegungs- und Entspannungstipps. - © August-Wilhelm Scheer Institut gGmbH/YouTube.com

Ein Maler, der die Farbrolle immer wieder von oben nach unten zieht, ist einer dauerhaften Belastung der Arme ausgesetzt. Langfristig können solche monotonen Tätigkeiten, wie sie in vielen Handwerksberufen anfallen, zu gesundheitlichen Beschwerden und im schlimmsten Fall sogar zur Arbeitsunfähigkeit führen.

Das Forschungsprojekt Bauprevent will diese Belastungen für Handwerker erstmals präzise und systematisch digital erfassen und auswerten. Dafür sind die Handwerker der Pilotbetriebe während der Arbeit mit Wearables (Modeelektronik) ausgestattet, in die viele Sensoren integriert sind. Diese messen, welche Kräfte auf die Muskeln und das Skelett des Handwerkers wirken. Die Ergebnisse werden mithilfe von künstlicher Intelligenz analysiert. Die KI gibt Empfehlungen ab, wie der Handwerker die stark belasteten Körperregionen am besten entspannen kann und schlägt ausgleichende Tätigkeiten vor, damit es gar nicht zu einer Überbelastung kommt.

Die Handwerker bekommen am Ende des Tages ein auf sie zugeschnittenes Belastungsmonitoring ausgehändigt. Dieses kann auch digital angezeigt werden, etwa auf dem Tablet oder Smartphone. "Falls die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht, lassen sich solche Daten auch in Echtzeit auswerten", erklärt Pascal Kraushaar , Projektleiter von Bauprevent im E-Business-Kompetenz-Zentrum im Bau- und Ausbauhandwerk. Die Wearables würden nicht als störend empfunden. Dennoch müsse es das Ziel sein, die Zahl, der in der Kleidung integrierten Sensoren bei gleichbleibender Präzision der Ergebnisse in Zukunft zu reduzieren. Derzeit sind jedoch nur Prototypen im Einsatz. Bis zu einer Markt­reife solcher Produkte dürften noch ein paar Jahre vergehen, betont Kraushaar.

Büroarbeit beschleunigen

Die Einsatzchancen von künstlicher Intelligenz im Handwerk werden derzeit auch im Rahmen des Forschungsprojektes Smart AI Work untersucht. Projektpartner ist das Institut für Betriebsführung im Deutschen Handwerksinstitut (DHI). Im Pilotbetrieb Bad & Heizung Schimmel aus Hof wird die Sachbearbeitung mithilfe von künstlicher Intelligenz optimiert und beschleunigt. "Wir haben uns auf diesen Geschäftsbereich konzentriert, da er sich auf viele andere Handwerksbetriebe übertragen lässt", erläutert Rüdiger Scholz, Projektbetreuer des DHI. Konkret wurde untersucht, wie die Kundenakquise und -beratung mit KI verbessert werden kann.

Die intelligenten Systeme können zum Beispiel in kürzester Zeit auswerten, welche Fördermöglichkeiten zur Heizungsmodernisierung ein Kunde je nach Heizungstyp nutzen kann. "Der Betrieb spart hier wertvolle Arbeitszeit, die je nach Anzahl der zu bearbeitenden Anfragen deutlich ins Gewicht fallen kann", verdeutlicht Scholz. Zudem könnten mit KI die Kosten für den Kunden optimiert werden. "Das gesparte Geld investiert der Kunde vielleicht in eine weitere Dienstleistung des Handwerkers", sagt Scholz. Damit kann der Einsatz von KI dem Betrieb neben der Zeitersparnis auch zusätzliche Umsatzchancen verschaffen. Scholz räumt allerdings ein, dass sich der Einkauf der KI für die meisten Betriebe derzeit wirtschaftlich noch nicht lohnen würde. Das dürfte sich in den nächsten Jahren ändern. Scholz geht davon aus, dass Betriebe solche Anwendungen künftig über eine für alle Betriebe zugängliche Webplattform günstig kaufen oder mieten können.

Auch im Projekt Handwerk Digital, das von der Handwerkskammer für Schwaben in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer für Unterfranken und dem Fraunhofer IGCV ins Leben gerufen wurde, wird das KI-Potenzial im Handwerk erforscht. Im Augsburger SHK-Betrieb Erich Schulz wurde die vollständige und lückenlose digitalisierte Abwicklung eines Reparaturauftrags an einer ­Heizungsanlage demonstriert. Dabei wurde neben Augmented Reality (computergestützte Realitätserweiterung) auch KI integriert. Eine intelligente Lagerhaltung und Bestandsüberwachung im Servicefahrzeug informiert den Handwerker darüber, welche passenden Ersatzteile zur Verfügung stehen oder benötigt werden. Das System ist auch mit der Zentrale, dem Großhändler und dem Hersteller vernetzt, um den Auftrag schnellstmöglich zu erledigen.

"KI ist kein Mysterium"

Herr Dörn, ist künstliche Intelligenz dem Menschen überlegen?

Keinesfalls. In manchen Teilbereichen ist KI schon deutlich schneller und präziser als der Mensch, etwa bei der Auswertung von Daten. In anderen Anwendungsgebieten ist sie aber noch dem Menschen unterlegen, wie etwa beim autonomen Fahren. Derzeit ist der menschliche Fahrer noch nicht komplett durch KI ersetzbar. KI stellt uns unterstützende Systeme zur Verfügung. Am Ende schaut aber nochmal der Mensch als Experte darüber. Eine starke KI, die das menschliche Gehirn komplett nachbilden kann, ist bislang nur eine Utopie.

Wird die Bedeutung von künstlicher Intelligenz also überschätzt?

Nein, aber KI ist nicht das große Mysterium, wie es in den Medien oft dargestellt wird. Es handelt sich einfach um ein intelligentes System auf Basis von leistungsfähigen Algorithmen, die aus großen Datenmengen lernen. Die KI-Systeme sind oft unscheinbar und werden gar nicht als KI wahrgenommen. Nehmen wir als Beispiel das Smartphone. Jedes neue Modell besitzt KI, etwa in Form der Spracherkennung.

Wie kann KI dem Handwerk helfen?

Sie kann zum Beispiel in Roboter integriert werden und körperlich schwere Arbeiten übernehmen und damit die Gesundheit der Mitarbeiter schonen. Das wird vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel wichtig werden. Es gibt da schon sehr interessante Anwendungsbeispiele auf dem Markt und in der Forschung

Braucht die Forschung das Handwerk bei der KI-Entwicklung?

Unbedingt. Es ist ganz wichtig, dass die Forscher die Anforderungen der Unternehmen kennen, um anwenderfreundliche Lösungen zu schaffen. Der Theoretiker muss das Grundprinzip des Praktikers verstehen und umgekehrt. Das Schlimmste ist es, KI-Anwendungen zu entwickeln, die niemand braucht oder niemand versteht.

Wie kann eine anwenderfreundliche KI aussehen?

Das System sollte sich möglichst intuitiv und selbsterklärend bedienen lassen, zum Beispiel über eine App, die beim Handwerker keine Programmierkenntnisse erfordert. Ein Beispiel sind intelligente Roboter, die über Sensoren ihre Umgebung wahrnehmen und sich auf Basis von Feedback der Umwelt selbst verbessern. Etwa bei einem Arbeitsschritt in der Werkstatt, den der Handwerker dem Roboter so lange vormacht, bis er ihn perfekt beherrscht.

Wird sich KI im Handwerk langfristig durchsetzen?

Nicht nur das. KI wird ein Wettbewerbsfaktor werden. Die Anwendungen werden immer nutzerfreundlicher und die Kosten sinken rapide, so dass die Technik auch für die Breite erschwinglich wird. Das ist vergleichbar mit einem Smartphone. Die darin verbaute Technik hätte vor zwanzig Jahren den Wert eines Einfamilienhauses gehabt.