Steigende Preise, Inflation, Energiekrise und Ukraine-Krieg machen dem Bauhandwerk zu schaffen. Auch weil Bauherren nun möglicherweise ihre Aufträge stornieren und Bauverträge kündigen. Das gilt rechtlich bei der Kündigung eines Bauvertrages.

Pacta sunt servanda: Verträge sind einzuhalten. Doch dieser Rechtsgrundsatz scheint in einer Krise in Gefahr, denn nach neuen Konjunkturumfragen spitzt sich Lage gerade in der Bauwirtschaft zu. Noch dazu gibt es im Werkvertragsrecht eine Besonderheit: ein freies Kündigungsrecht. "Viele Handwerker wissen nicht, dass ein Bauherr ein freies Kündigungsrecht hat", sagt Rechtsanwältin Claudia Stoldt von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. "Das ist ein Risiko, mit dem ein Unternehmer leben muss."
Bauherr kündigt Bauvertrag
Das freie Kündigungsrecht für die Bauherren, also die Auftraggeber, bedeutet: Er kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen einen Bauvertrag kündigen. Dies gewährt ihm § 648 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Darin heißt es: Der Besteller (= der Auftraggeber oder Bauherr) kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. "Dieses Recht kann vertraglich auch nicht ausgeschlossen werden", sagt Claudia Stoldt.
In diesem Zusammenhang zur Begriffsdefinition: Bauverträge sind immer Werkverträge, Werkverträge sind aber nicht immer Bauverträge. Dieser Artikel behandelt im Folgenden Bauverträge. Ein Bauvertrag muss immer schriftlich gekündigt werden (§ 650h BGB).
Handwerker kündigt Bauvertrag
Der Handwerker als Auftragnehmer hat kein freies Kündigungsrecht. Er kann einen Bauvertrag jedoch kündigen, wenn der Bauherr seine Mitwirkung unterlässt (§ 643 BGB). Das bedeutet: Muss der Bauherr in irgendeiner Form tätig werden, damit der Handwerker seinen Auftrag ausführen kann, und tut er dies auch innerhalb einer angemessenen Frist nicht, kann der Handwerker den Bauvertrag kündigen.
Nach § 648a BGB haben beide Parteien darüber hinaus ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund liegt demnach vor, wenn einer der beiden Parteien nicht zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis fortzusetzen bis das Werk fertig gestellt ist.
Definition: Bauvertrag nach § 650a BGB
(1) Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Für den Bauvertrag gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Kapitels.
(2) Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.
Quelle: www.gesetze-im-internet.de
Bauvertrag wird ausgesetzt
Eine mögliche Variante zur Kündigung in der Krise wäre, den Bauvertrag auszusetzen, also ruhen zu lassen. Damit müssten beide Seiten – Bauherr und Auftragnehmer – einverstanden sein und den Bauvertrag dahingehend schriftlich ändern.
Bauvertrag gekündigt – das sind die Folgen
Kündigt der Bauherr einen Bauvertrag, darf der Handwerker die vereinbarte Vergütung verlangen. Natürlich auf bereits erbrachte Leistungen, darüber hinaus aber auch für noch nicht erbrachte Leistungen. Das sieht § 648 II BGB vor, quasi als Ausgleich für das freie Kündigungsrecht.
"Bei einer Kündigung durch den Bauherrn bekommt der Handwerker grundsätzlich Geld, er geht nicht leer aus", stellt Claudia Stoldt klar.
Das Gesetz legt fest, dass dem Unternehmer fünf Prozent der vereinbarten Vergütung für noch nicht erbrachte Leistungen zustehen. "Am einfachsten ist der Fall, wenn der Handwerker noch gar nicht tätig geworden ist", so die Rechtsanwältin, "denn dann rechnet man mit einem Nettobetrag, weil es sich um Schadenersatz handelt und nicht um eine Vergütung für eine Leistung."
Abgrenzungsschwierigkeiten
Ist hingegen schon eine Leistung durch den Handwerker erbracht worden, gebe es jedoch meist Abgrenzungsschwierigkeiten und "es kommt oft zu Fehlern bei der Abrechnung von Aufwendungen", weiß die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht. Denn hat der Handwerker schon Leistungen erbracht und der Bauvertrag wird gekündigt, fällt für den Rechnungsanteil der erbrachten Leistungen Mehrwertsteuer an.
Nach § 648 II BGB muss der Unternehmer nach der Kündigung eines Bauvertrags Abzüge bei der vereinbarten Vergütung vornehmen für
- Aufwendungen, die er sich infolge der Aufhebung des Vertrages erspart.
- Aufwendungen, die er nach der Kündigung des Bauvertrags durch eine anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft kompensieren kann.
Ob diese Ansprüche in der Praxis immer durchgesetzt werden, ist fraglich, denn so berichtet die Rechtsanwältin aus ihrer Praxis: "Handwerker stellen häufig keine Rechnung, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt von demselben Bauherrn wieder einen Auftrag bekommen wollen, insbesondere, wenn der Bauherr eine größere Baufirma ist, der selbst der Bauvertrag gekündigt wurde."
Für alle erbrachten und abgeschlossenen Leistungen haftet der Handwerker selbst nach der Kündigung des Bauvertrags.
Die Verjährungsfrist beträgt bei Werkleistungen zwei oder fünf Jahre gemäß § 634 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB. Dies lasse sich vertraglich auch im Fall einer Kündigung nicht ausschließen.