Inflation, unterbrochene Lieferketten und viele Unsicherheiten – die Folgen des Ukraine-Kriegs treffen auch Soloselbständige und Kleinstunternehmen mit Wucht. Das zeigt der neue ifo-Geschäftsklimaindex, der speziell die kleinen Unternehmen in den Blick nimmt. Was dahinter steckt – und wie es um die Geschäftslage der Kleinstunternehmen ganz aktuell bestellt ist.

Es gibt zahlreiche Konjunkturumfragen. Bei den meisten stehen allerdings nicht die Unternehmen im Fokus, die keine oder nur sehr wenige Mitarbeiter haben. Die Soloselbständigen und Kleinstunternehmen erzielen Umsätze, die für die Statistik der Gesamtwirtschaft eher uninteressant sind. Sie haben wenig Einfluss darauf und deshalb auch eine geringe Aussagekraft. Dennoch haben Wirtschaftsforscher vom ifo-Institut in München nun einen neuen Geschäftsklimaindex extra für die Kleinen erstellt bzw. erstellen ihn seit August 2021 regelmäßig jeden Monat.
Denn Kleinstunternehmen spielen trotz zahlenmäßig geringerem Umsatz eine wichtige Rolle für das generelle Wirtschaftsgeschehen. Das zeigt sich alleine daran, dass Start-ups von der Politik aktiv gefördert werden. Idee und innovative Konzepte entstehen oftmals bei den Kleinen und werden dann an die Großen weitergegeben. Für die Wirtschaftsforschung sind sie außerdem deshalb interessant, weil sie Konjunktur- und Gesellschaftsentwicklungen direkt spüren und schnell in der eigenen Entwicklung abbilden.
Neuer Geschäftsklimaindex speziell für die Kleinstunternehmen
Nicht selten decken sie Tätigkeiten ab, die die großen Firmen gar nicht oder nur am Rande selbst anbieten. Man denke nur an die vielen kleinen Zuliefererbetriebe der Industrie, an kleine regionale und auch handwerkliche Hersteller und an die Branchen, die direkt an andere und größere angekoppelt sind. "Wenn keine Veranstaltungen stattfinden, bekommen alle die, die sich dabei sonst ums Catering kümmern auch keine Aufträge", nennt Klaus Wohlrabe als Beispiel.
Klaus Wohlrabe ist jeden Monat an der Veröffentlichung des bekannten ifo-Geschäftsklimaindex beteiligt. Er gilt als wichtiger Indikator für den aktuellen Zustand der deutschen Wirtschaft und vor allem für das, was kommt. Er stützt sich auf Konjunkturumfragen unter rund 9.000 deutschen Unternehmen. Sie werden zu ihrer derzeitigen Geschäftslage sowie zu Plänen und Erwartungen für die kommenden Monate befragt. Seit August 2021 kümmert sich der Wirtschaftsforscher vom ifo-Institut nun aber auch um die Unternehmen, die bisher in den Statistiken unterrepräsentiert oder gar nicht vertreten waren: diejenigen, die komplett alleine oder mit weniger als neun Mitarbeitern tätig sind.
1.500 Kleinstunternehmen werden jeden Monat befragt
Begonnen hat dies mit der eben genannten Veranstaltungsbranche und damit denjenigen, die durch die Corona-Pandemie mitunter am stärksten umdenken mussten. SIe standen nicht selten vor der konkreten Existenzbedrohung. "Wir haben Kommentare über die sozialen Medien bekommen, dass wir hier wirtschaftliche Probleme nicht darstellen, die aber sehr bedeutend sind", sagt Wohlrabe. Weiter erklärt er, dass er daraufhin mit verschiedensten Verbänden gesprochen habe, die die kleinen Unternehmen vertreten. Schnell war dann klar, dass sich auch diese eine stärkere Sichtbarkeit ihrer Mitglieder wünschen. Seitdem ist das ifo-Institut dabei, auch unter den Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen einen Pool an Firmen aufzubauen. Sie werden jeden Monat befragt.
Rund 1.500 Soloselbstständige und Kleinstunternehmen mit weniger als neun Mitarbeitern sind es bereits – etwa je zur Hälfte aus beiden Bereichen vertreten. Sie gehören der verschiedensten Branchen an. Der genannte Pool soll allerdings noch wachsen. Klaus Wohlrabe sagt auch ganz klar: "Wir müssen noch lernen, wie das Antwortverhalten der Kleinen über eine längere Zeit zu deuten ist, was am meisten Einfluss hat und wie stark es schwankt." Dann soll es bessere direkte Vergleiche zwischen den großen Firmen und den kleinen geben und auch Sonderumfragen zu bestimmten Themen. Der neue ifo-Index nennt sich "Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex für Kleinstunternehmen und Soloselbständige". Das Institut kooperiert dabei mit dem Anbieter für Internetdienstleistungen Jimdo.
Das zeigt der Index für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen im April
Schon die Ergebnisse der ersten Monate zeigen klare Unterschiede zwischen dem Index der Soloselbständigen und Kleinstunternehmen und dem klassischen ifo-Geschäftsklimaindex. Sie sind mit ihrer derzeitigen Situation deutlich weniger zufrieden sind als die Gesamtheit aller Unternehmen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass kleinere Unternehmen stärker von der Corona-Krise in Mitleidenschaft gezogen wurden. Grundsätzlich erholen sie sich schneller bzw. können schneller auf Entwicklungen reagieren. Aktuell ist eine wirkliche Erholung aber nicht in Sicht.
Das belegt auch der neue Index für den Monat April bzw. der Ausblick auf die kommenden Monate. Dabei stehen die Preisanstiege im Fokus – ob bei der Energie direkt oder auch die Kosten für Materialien und den Einkauf generell. Alles wird teurer und die steigenden Kosten müssen Unternehmen dann auch an ihre Kunden weitergeben. Allerdings planen genau das weniger der Kleinstunternehmen. Sie zeigen sich bei den Preiserhöhungen zurückhaltender als die Großen und auch zurückhaltender als noch in den Monaten zuvor. Sind die Index-Werte in der Gesamtwirtschaft von März zu April um sieben Punkte gestiegen, so verzeichnen sie bei den Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen nur einen Anstieg um einen Punkt.
"In der Gesamtwirtschaft ist der Anteil der Unternehmen stark gewachsen, die gestiegene Preise an die Kunden weitergeben wollen. Das gilt aber nicht bei den Kleinen", sagt Klaus Wohlrabe. Die Gründe dafür können allerdings entweder darin liegen, dass die kleinen Firmen die gestiegenen Kosten nicht weitergeben können oder nicht weitergeben wollen. Meist haben kleinere Firmen andere Zielgruppen und andere Kunden als die Großen. Entsprechend anders oder auch sensibler müssen sie mit Preiserhöhungen umgehen. Wenn die Firmen steigende Kosten nicht oder nicht vollständig weitergeben können, sinken entsprechend ihre Gewinnmargen. Bleibt die Frage, wie schnell sich die Lage wieder entspannt.
Steigende Preise trüben die Geschäftserwartungen
Darin, flexibler auf die wirtschaftliche Entwicklung reagieren zu können, liegt eigentlich ein Vorteil der kleinen Firmen. Sie sind meist unabhängiger von der globalen Situation als die Gesamtwirtschaft. Außerdem können Kleinstunternehmen ihre Lieferanten oftmals flexibler wechseln. Diese eigentlich positiven Annahmen spiegeln sich aber derzeit nicht in der Geschäftslage wieder. Sie liegt noch immer weit unter den Werten der Gesamtwirtschaft.
Zwar hat sich die Stimmung der Unternehmen etwas verbessert seit der vergangenen Umfragerunde im März. Damals zeigte sich der Beginn des Ukraine-Kriegs sehr stark durch einen Einbruch der Geschäftserwartungen für die kommenden Monate. Dennoch zeigen diese Werte auch jetzt noch negative Vorzeichen.
Die steigenden Preiserwartungen und dass die kleinen Firmen die Preise nur zurückhaltend weitergeben, kann Folgen haben. Durch die steigenden Kosten sehen sich vergleichsweise mehr Kleinstunternehmen in ihrer Existenz bedroht. Nach Angaben des ifo-Instituts sind das rund 700.000 Kleinstunternehmen, die eine "existenzielle Bedrohung" angeben. "Wenn man bedenkt, dass die Kleinen die Inflation nicht so weitergeben können wie die Großen, dann droht der deutschen Wirtschaft ein weiterer Schwund an Selbstständigen", kommentiert Matthias Henze, Mitgründer und CEO von Jimdo, die Ergebnisse des neuen Index.