Energiepreise Immer mehr Metzgereien stehen vor dem Aus

Ende November schließt die Metzgerei Gühring nach 93 Betriebsjahren ihr Geschäft. Enorm gestiegene Strom- und Rohstoffpreise treiben die Metzger in den Ruin. Damit sind sie nicht die einzigen: Wenn die Politik nichts unternimmt, gibt es in Deutschland bald weniger Auswahl an qualitativ hochwertigem Fleisch.

Vorderansicht der Metzgerei Gühring.
Die Metzgerei Gühring schließt Ende November ihre Türen. - © Gühring

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Nach 15 Jahren haben sich Kurt und Marion Gühring entschlossen, ihre Metzgerei im baden-württembergischen Rosenfeld bis Ende November 2022 zu schließen. Das Geschäft war seit mehr als 93 Jahren im Besitz der Familie. "Die derzeitigen Rahmenbedingungen machen das Führen eines Betriebes unserer Größe unmöglich", sagt Marion Gühring. Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise haben einen großen Anteil an der Entscheidung, den Betrieb zu schließen. "Die Stromkosten im Juli 2021 lagen noch bei 2.500 Euro, im Juli dieses Jahres bei 5.240 Euro. Pro Jahr brauchen wir ungefähr 100.000 bis 130.000 kWh. Daher rechnen wir im September mit einer Stromrechnung im fünfstelligen Bereich", erläutert Marion Gühring. Letztendlich lassen sich diese zusätzlichen Kosten nicht mehr auf ihre Waren umlegen.

Deutschlandweit teilen Metzgereien dieses Schicksal

So wie den Gührings geht es vielen Metzgereien in Deutschland. Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo eine Fleischerei zumacht: ob in Norddeutschland, im Rheinland, im Osten oder Hessen. Landesinnungsmeister Joachim Lederer vom Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg berichtet, dass in seinem Verband bereits zehn Betriebe schließen mussten. "Und wir rechnen damit, dass bis Ende des Jahres weitere 20 bis 30 Prozent ihre Betriebe aufgeben werden", führt er aus. Bei vielen Metzgern haben sich die Stromkosten nicht nur verdoppelt, sondern sogar vervierfacht. "Die derzeitige Situation ist das Schlimmste was im Endeffekt auf alle zukommt. Da war Corona ein Witz gegen", sagt Lederer.

Von den extrem steigenden Stromkosten ist Robert Seidl bisher zum Glück noch verschont geblieben. "Zurzeit habe ich noch einen bestehenden Vertrag mit bezahlbaren Konditionen", erzählt der Metzger aus Hinterschmiding in Bayern. Sein kleiner Betrieb kämpft trotzdem mit der momentanen Situation. Die steigenden Rohstoff-Preise und die wachsende Konkurrenz der Discounter und Supermärkte mit ihren billigeren Produkten gefährden seine Existenz. "Das Schweinefleisch ist 25 Prozent teurer geworden. Der Rindfleischpreis ist sogar noch viel weiter angestiegen", berichtet Seidl. Seine Kundschaft hat sich dafür um rund ein Drittel reduziert. Er macht sich Sorgen, dass es noch weniger werden: "Die Kunden wollen momentan natürlich auch Geld sparen und verzichten lieber auf bessere Qualität bei ihren Lebensmitteln, als auf ihren jährlichen Urlaub".

Jürgen Krön in seiner nun geschlossenen Metzgerei in Nürnberg.
Jürgen Krön in seiner nun geschlossenen Metzgerei in Nürnberg. - © Metzgerei Krön

Auch Metzger Jürgen Krön aus Nürnberg wurde mit einem starken Kundenrückgang konfrontiert. Dadurch, dass Verpackungsmaterialien, Gewürze, Hilfsstoffe und vor allem das Fleisch immer teurer geworden sind, musste er seine Preise stark anheben. "Innerhalb einer Woche sind uns deswegen 30 Prozent der Kunden weggebrochen", erzählt Krön. Im Zusammenhang mit höheren Stromkosten zog der Metzger deswegen die Notbremse und schloss schweren Herzens Ende September seine Metzgerei.

Fleischer drängen auf Hilfen von der Politik

Landesinnungsmeister Joachim Lederer fordert schnelle Hilfen seitens der Politik. Zum einen müsse der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt werden und zum anderen müssten die Strom- und Energiekosten wieder auf ein normales Niveau herunterkommen. "Die Bäcker und die Metzger sind systemrelevant. Es kann nicht sein, dass wir das vier- oder fünffache vom Strompreis bezahlen müssen. Die Politik macht den Mittelstand und das Handwerk komplett kaputt", sagt Lederer. Auf der Liste der förderfähigen Branchen wurden die Metzgereibetriebe zunächst nicht berücksichtigt. "Es ist nicht nachzuvollziehen, warum unsere Handwerksunternehmen ausgeschlossen bleiben, während industrielle Schlachtbetriebe, die zum Teil in unmittelbarer Konkurrenz stehen, Zuschüsse bis zu 50 Millionen Euro erhalten können", kritisiert auch der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands, Herbert Dohrmann. Inzwischen hat die Regierung zugesagt, die entsprechenden Zuschussprogramme auch für Betriebe außerhalb der Industrie zu öffnen.

Um auf die Situation der Metzgereien noch besser aufmerksam zu machen, werden im Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg bereits Proteste diskutiert. "Wir Metzger müssen jetzt einfach auf die Straße gehen. So kann es nicht weiter gehen. Wir warten sonst nur darauf, dass auch der letzte Betrieb zumachen muss", meint Lederer.

Metzgermeister Robert Seidl an Maschine.
Metzgermeister Robert Seidl kämpft noch. Seine Sorgen sind aber groß. - © Onlinemagazin da Hog‘n (www.hogn.de)

Wenn Metzgereien verschwinden, dann auch qualitativ hochwertiges Fleisch

Laut Studien sind die meisten Verbraucher an der Qualität und Vielfalt der Produkte, bezahlbaren Preisen, der Erreichbarkeit von Geschäften im Wohnumfeld und einem angenehmen Einkaufserlebnis mit geringem Zeitaufwand interessiert. Je mehr Metzgereien aber verschwinden, desto weniger Auswahl und Vielfalt an Fleisch- und Wurstwaren gibt es in der näheren Umgebung. So dürften viele Menschen vor allem im ländlichen Raum wohl vermehrt auf abgepackte Ware aus dem Discounter zurückgreifen. Wenn für qualitativ hochwertigeres Fleisch, das zusätzlich teurer ist, erst noch ein längerer Fahrweg in Kauf genommen werden muss, wird der Aufwand für zahlreiche Verbraucher zu hoch – und sie wandern ab zu Supermärkten.