Nach einem Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sollen elf Branchen bald ihre Arbeitszeit täglich digital dokumentieren. Baugewerbe, Gebäudereiniger und Dachdecker sind alarmiert und warnen vor unlösbaren Problemen.

Der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Entwurf zur Neuregelung der Minijobs stößt im Baugewerbe und bei den Gebäudereinigern und Dachdeckern auf heftige Kritik. Dabei ist der Stein des Anstoßes nicht die Erhöhung der Minijobgrenze auf 520 Euro zum 1. Oktober 2022. Vielmehr geht es um die ebenfalls mit dem Gesetz geplante Verschärfung der Arbeitszeit- und Dokumentationspflichten für Betriebe, selbst wenn sie keine Minijobber haben. "Die Vorschläge zur Digitalisierung und Arbeitszeiterfassung sind realitätsfern und deshalb abzulehnen", sagt Heribert Jöris, Geschäftsführer Sozial- und Tarifpolitik beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Die Gebäudereiniger und Dachdecker sehen das nicht anders.
Betriebe sollen Arbeitszeit täglich digital erfassen
Nach den bisherigen Plänen will Heil alle elf im Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz aufgeführte Branchen dazu verpflichten, ab 1. Oktober 2022 die Arbeitszeit ihrer Beschäftigen täglich elektronisch zu dokumentieren. Die Arbeitgeber seien "verpflichtet, den Beginn der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch und manipulationssicher aufzuzeichnen", heißt es im "Gesetzesentwurf zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung".
Branchen sehen sich vor unlösbaren Problemen
Die häufig dezentral arbeitenden Branchen sind alarmiert. Die Pläne würden sie vor "juristisch und technisch nicht lösbare Probleme" stellen, schreiben sie in ihren Stellungnahmen. Zumal die fehlende Erfüllung sofort zu einer Ordnungswidrigkeit und damit zu Bußgeldern führen würde. Für die Bundesvereinigung Bauwirtschaft, die Gebäudedienstleister und das Dachdeckerhandwerk ist das nicht hinnehmbar. Denn die Beschäftigten arbeiten oft auf wechselnden Baustellen beziehungsweise unterschiedlichen Einsatzorten und kommen direkt vom Wohn- zum Arbeitsort. Die Unternehmen wären damit gezwungen, "nahezu jeden Arbeitnehmer flächendeckend mit mobilen Zeiterfassungsgeräten auszustatten", betont die Bauvereinigung mit Blick auf ihre rund 3,4 Millionen Beschäftige.
Private Mobiltelefone dürfen nicht genutzt werden
Nicht anders geht es den Gebäudereinigern. "Es müssten mindestens 700.000 Geräte beschafft und mit der entsprechenden Software programmiert werden", heißt es. Dafür sei die Frist zu kurz. Private Mobiltelefone dürften aus Datenschutzgründen nicht genutzt werden. Auch müssten die Mitarbeiter eingewiesen werden. "Dabei ist angesichts der neuen gesetzlichen Vorgabe eine Null-Prozent-Fehlerquote in der Bedienung nicht zu gewährleisten", heißt es weiter. Dies sei undenkbar. Hinzu kommt noch ein anders Problem: "Bei Minijobbern, die nah an der Verdienstgrenze von 520 Euro arbeiten, kann schon eine geringe Überschreitung von wenigen Minuten dazu führen, dass das Beschäftigungsverhältnis – entgegen dem Willen der Beschäftigten – sozialversicherungspflichtig wird", schreiben die Gebäudedienstleister in ihrer Stellungnahme.
Dachdecker: Viele Fragen bleiben offen
Das Dachdeckerhandwerk bezeichnet die Forderung des Bundesarbeitsministers als praxisfern. Zudem blieben viele Fragen unbeantwortet, etwa diejenige, was mit vergessenen Meldungen und Falschmeldungen geschieht. "Und weiter: Wie sollen Überstunden erfasst werden? Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung. Alles in allem ein undurchdachter Schnellschuss", sagte Dirk Bollwerk, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks.
Bauwirtschaft: Bisherige Regelung erfüllt ihren Zweck
Für mobile Tätigkeiten sollte es nach Ansicht der Verbandsvertreter deshalb bei der bisherigen Regelung bleiben. "Auch bei der in der Praxis bisher häufig zu findenden Erfassung auf Handzetteln, die beispielsweise im Wochenrhythmus beim Arbeitgeber gesammelt, verarbeitet und abgelegt wurden, könnten Zollkontrollen bislang effektiv durchgeführt werden", sagt Jöris. Vor diesem Hintergrund führten die bisherigen Pläne zu einem "Mehr" statt zu einem "Weniger" an Bürokratie.