Kein leichtes Spiel für die zuständige Kommission: Im Juni soll ein Vorschlag auf den Tisch, ob und wie der Mindestlohn 2021 angepasst werden soll. Vor der Corona-Krise schien eine Erhöhung um mindestens 50 Cent als wahrscheinlich, Teile des Handwerks hoffen auf weniger.
Karin Birk

Viele Bäckereien, Friseursalons und andere Handwerksbetriebe haben in den vergangenen Wochen die Folgen der Corona-Krise hautnah zu spüren bekommen. Entweder mussten sie ihre Ladengeschäfte ganz schließen oder sie hatten sonst mit weniger Geschäft zu kämpfen. "Eine große Zahl unserer Bäckereien hat in den letzten Wochen erhebliche Umsatzeinbußen erlitten", sagt Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. "Als Zentralverband plädieren wir deshalb dafür, dass eine Mindestlohnanpassung in der aktuellen Krisensituation unterbleibt", ergänzt er. Eine Erhöhung würde den Lohnkostenanteil vieler Betriebe weiter erhöhen und das Lohngefüge erneut von unten her zusammenstauchen und damit viele Betriebe zusätzlich unter Druck setzen.
Bei den Friseuren ist es nicht anders: "Der Shutdown hat das Friseurhandwerk im Mark getroffen", sagt Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. "Bei den Verhandlungen zur Mindestlohnanpassung kann ich nur zu Mäßigung und Zurückhaltung raten", betont er. Die weggebrochenen Umsätze der vergangenen Monate könnten nicht nachgeholt werden. Gerade kleine Betriebe hätten heute schon einen Lohnkostenanteil von annähernd 50 Prozent.
ZDH: "Die Mindestlohnkommission kann die Corona-Krise nicht ignorieren."
Die paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern besetzte Mindestlohn-Kommission will im Juni eine Empfehlung für die weitere Erhöhung des Mindestlohns ab dem 1. Januar 2021 aussprechen. Stimmt die Bundesregierung dieser Empfehlung zu und setzt sie diese mit einer Verordnung um, gilt er dann ab Anfang 2021.
Karl Sebastian Schulte, ZDH-Geschäftsführer und einer von drei Vertretern der Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission, kennt die aktuellen Probleme vieler Unternehmen innerhalb und außerhalb des Handwerks. "Entscheidend ist, dass der aktuellen wirtschaftlichen Situation Rechnung getragen wird und die Beschäftigungssicherung an erster Stelle steht", sagt er mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen. "Die Mindestlohnkommission kann die Corona-Krise nicht ignorieren." Angesichts der tiefen Rezession muss seiner Ansicht nach ein Kompromiss gefunden werden, der möglichst viele Arbeitsplätze sichert. Richtschnur könne dabei nicht allein das Tarifgeschehen der Vergangenheit sein.
Mindestlohn könnte 2021 auf 9,85 Euro steigen
Nach dem Gesetz orientiert sich die Kommission nachlaufend an der Tarifentwicklung der vergangenen zwei Jahre. Der entsprechende Index des Statistischen Bundesamtes hat sich um 5,4 Prozent erhöht. Danach müsste die gesetzliche Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2021 von derzeit 9,35 Euro brutto pro Stunde auf rund 9,85 Euro steigen. Das Gesetz sieht aber auch vor, dass die Entwicklung der Konjunktur und die Beschäftigungssicherung in den Blick zu nehmen ist. Darauf verweist Schulte. Ansonsten könnten insbesondere kleine Handwerksbetriebe in strukturschwachen Regionen in Schwierigkeiten geraten, warnt er.
Die Vertreter der Arbeitnehmerseite sind anderer Auffassung. "Wir bleiben dabei: Der Mindestlohn muss steigen. Dieses Geld geht direkt in den Konsum und stützt die Konjunktur", erklärt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, ebenfalls Mitglied der Mindestlohnkommission. "Die Menschen müssen von ihrer Hände Arbeit leben können - auch in der Krise. Schon mit dem jetzigen Mindestlohn ist dies kaum möglich. Deshalb muss er auf ein existenzsicherndes Maß angehoben werden. Ziel muss 60 Prozent vom mittleren Einkommen bei Vollbeschäftigung sein, so wie es auch auf europäischer Ebene diskutiert wird. Dies würde für Deutschland zwölf Euro je Stunde bedeuten", ergänzt er.