Die Grüne Woche hat begonnen und zeigt die Trends der Lebensmittelbranche. Das Bäckerhandwerk ist kritisch: Kosten und Konkurrenzdruck nehmen zu, der Online-Handel boomt. Bäckerpräsident Peter Becker erkennt aber auch Chancen. Regionalität als Verkaufsargument wird wichtiger – allerdings fehlen eindeutige Standards.
Jana Tashina Wörrle
Jedes Jahr zur Grünen Woche steht die Lebensmittelbranche stärker in der Öffentlichkeit denn je. Bei der weltgrößten Agrarmesse präsentieren sich 1.650 Aussteller aus 70 Ländern. Als Trends gelten hier seit Jahren regionale Produkte, die Stärkung von heimischer Landwirtschaft, Verarbeitung und Vermarktung. Eigentlich Themen, die perfekt zum Bäckerhandwerk passen.
DHZ: Herr Becker, warum tut sich der Trend außerhalb der Messe bei der großen Mehrheit der Bevölkerung schwer?
Peter Becker: Die Bäckereien kämpfen mit einer immer stärkeren Konkurrenz aus der Industrie. Wir haben ein außerordentlich schweres Fahrwasser, gerade durch Discounter wie Lidl und Aldi. Die Regionalität von Lebensmitteln wird zwar zu einem immer wichtigeren Verkaufsargument, aber bislang gibt es dafür noch keine allgemeingültigen Standards. Ob damit die Herkunft der Zutaten, die Verarbeitung oder die Vermarktung gemeint ist, ist unklar – auch in der Politik wird heftig gestritten. Das zeigt, das vor einem Jahr eingeführte Regionalfenster des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das sich noch nicht durchsetzen konnte. Wir würden es begrüßen, wenn die Verarbeitung dabei mehr Gewicht gewinnt, denn Rosinen oder andere Zutaten, die Bäcker häufig verarbeiten, kann man nun mal nicht regional anbauen. Aber trotzdem entstehen daraus Produkte, die größtenteils aus der Region kommen.
DHZ: Schaut man sich die Ausstellerliste der Grünen Woche an, fällt auf, dass vor allem Bio-Bäckereien vertreten sind. Wie stark ist der Bio-Trend mittlerweile und müssen sich auch kleine Bäckereien darauf einstellen?
Becker: Wenn eine Bäckerei traditionell arbeitet, gibt es substantiell keinen Unterschied bei der Qualität zwischen einem Bio-Brot und einem herkömmlichen Brot. Einzig die Zutaten stammen aus biologischem Anbau. Bio ist immer noch eine Nische, die einige Betriebe gezielt bedienen und andere nicht. Meiner Einschätzung nach kaufen nur rund fünf Prozent der Verbraucher ausschließlich Bio-Waren. Die aktuelle Diskussion um das Bio-Siegel zeigt, dass diese Mindestvorgaben schon wieder angezweifelt werden. Regionalität wird zukünftig das stärkere Verkaufsargument sein.
DHZ: Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte im Vorfeld der Messe, dass Verbraucher allein mit ihren Kaufentscheidungen bestimmen, was produziert wird. Mehr Bio ist aus seiner Sicht wichtig. Was verlangt das den Bäckereien ab? Wie schnell ändert sich heute die Nachfrage?
Becker: Wir haben relativ stabile Trends und Bio betrifft wie gesagt nur eine Nische. Viel wichtiger ist für die Bäckereien die demografische Entwicklung. Heute werden viel weniger große Brotlaibe gekauft und dafür mehr Brotaufschnitt aus verschiedenen Sorten. Seit Jahren steigt zudem die Nachfrage nach Körner- und Vollkornbrot sowie nach mediterranen Backwaren wie Ciabatta und Ähnliches. Hat mein Vater in unserer Bäckerei vor einigen Jahrzehnten noch drei bis vier Brotsorten in großen Laiben und genauso viele Brötchensorten angeboten, so müssen wir heute kleinere Gebäcke haben und dafür eine große Auswahl. Veränderungen sehe ich aber auch durch die Zunahme der Allergien und Unverträglichkeiten, auf die sich Bäcker einstellen müssen, und den starken Außer-Haus-Verzehr. Belegte Brötchen und der Kaffee to go sind ein wichtiges Geschäftsfeld für Bäcker.
DHZ: Zur Grünen Woche kommen auch immer wieder politische Forderungen auf den Tisch zum Thema Landwirtschaft und Ernährung. Welche Forderungen haben Sie an die Regierung?
Becker: Die größte Belastung sehen wir momentan in den hohen Energiepreisen. Deshalb haben wir auch zum Beginn des Jahres eine Petition zur Abschaffung der EEG-Umlage beim Deutschen Bundestag eingereicht. Die Energiewende ist eine gute Sache, aber die Kosten müssen auf allen Schultern gleichermaßen verteilt werden. Es kann auch nicht sein, dass wir mittlerweile einen Überschuss an Strom produzieren, ihn ins Ausland exportieren und trotzdem immer mehr draufzahlen. Die hohen Energiekosten belasten die Betriebe und die Verbraucher, deren Kaufkraft sinkt. Ein weiteres Thema sind die Pläne, dass Betriebe künftig für die Kontrollen der Lebensmittelkontrolleure zahlen sollen. Auch hier entstehen Unverhältnismäßigkeiten.
DHZ: Nicht nur die Energiekosten, sondern auch die Lebensmittelpreise steigen. Laut Statistischem Bundesamt verteuerten sie sich 2013 um 4,4 Prozent verteuerten – so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Besonders Speiseöle, Butter und Obst, also klassische Zutaten auch der Bäcker, sind teurer geworden. Wie verkraften das die Betriebe?
Becker: Durch die verschiedenen Preissteigerungen sind die Bäckereien natürlich stark belastet. Rund 20 Prozent macht der Wareneinsatz aus, also eine wichtige Kostenschraube. Ob die einzelnen Betriebe die Kosten an die Kunden weitergeben, müssen sie individuell entscheiden. Durch den großen Konkurrenzdruck der Discounter wird das aber zunehmend schwieriger.
DHZ: Welche Themen stehen für Sie in Zukunft besonders im Fokus? Welche Entwicklung bereitet Ihnen Sorgen?
Becker: Das Bäckerhandwerk steht nicht nur durch die Backwarenindustrie unter Druck. Auch der zunehmende Internethandel wirkt sich indirekt auch auf die Handwerksbäcker aus, die stark von der Laufkundschaft in den Innenstädten profitieren. Wir haben hier eine Entwicklung nach amerikanischem Vorbild: die Innenstädte sterben aus, da die Menschen nur noch in großen Einkaufzentren einkaufen oder online bestellen. Das wird auch bei uns mittelfristig zu einem großen Problem werden, da müssen wir gegensteuern.
DHZ: Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch.