Die Bilanz der Getreideernte 2023 fällt schwierig aus. Zwar fehlt es nicht so stark an Menge, aber dafür an Qualität. Auf die Mühlen kommt Arbeit zu, damit die Bäcker gutes Mehl bekommen. Wie die beiden Handwerksbranchen auf die aktuelle Situation reagieren. Und warum eine Mühle aus Baden-Württemberg die Dinkelernte 2023 dennoch als sehr gut bewertet.

Nass im Frühjahr, dann kam die anhaltende Trockenheit und die Hitze. Der Spätsommer und damit die Erntezeit war wiederum geprägt von Regen und einigen starken Unwettern in vielen Regionen. Das Wetter machte es den Landwirten in diesem Jahr nicht leicht beim Getreideanbau. Nun liegt der Erntebericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) vor und spiegelt die schwierige Wetterlage wider. Zwar werden sich die Zahlen eventuell noch ein wenig verändern, da die Erntebilanz 2023 jetzt Anfang September erst vorläufig berechnet werden kann. Fest steht für allen Beteiligten aber, dass eine gute Ernte anders aussieht.
So meldet der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS, dass die Qualität der diesjährigen Ernte für die Müllerinnen und Müller wenig zufriedenstellend sei. "In vielen Regionen gibt es Probleme mit Fallzahlen, Kleberwerten und Proteingehalten", heißt es in der offiziellen Bewertung der Ernte 2023. Ein viel zu großer Teil der diesjährigen Ernte tauge nur als Futtergetreide.
Getreideernte 2023: Zukauf aus dem Ausland nötig?
Fallzahlen, Kleberwerte und Proteingehalte bestimmen wiederum die Qualität des Getreides – und sie haben direkt Einfluss darauf, wie man mit dem daraus erzeugten Mehl backen und wie man es verarbeiten kann. Um die Folgen daraus für das Bäckerhandwerk abzuschätzen, ist es derzeit nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks noch zu früh. Der Verband geht davon aus, dass die Mühlen die Bäckereien in Deutschland dennoch gut versorgen. Aber auch, dass diese Getreide mit entsprechend besseren Qualitäten aus dem Ausland zukaufen müssen. Wie sich die Preise entwickeln werden, könne derzeit noch niemand abschätzen.
Handwerksbäcker seien aufgrund ihres Know-hows in der Lage, auch mit Mehlen zu backen, die geringere Qualitäten haben, teilt der Zentralverband auf Anfrage mit. Noch geht aber keiner davon aus, dass dies nötig ist. So berichtet etwa die SchapfenMühle aus Ulm, die als vergleichsweise großes Unternehmen der Branche auch eine eigene Einschätzung zur Ernte herausgibt, dass es für die Müller nun auch darum gehe, die unterschiedlichen Sorten optimal zu mischen, um den Kunden eine gleichbleibende Qualität zu liefern.
Auch die SchapfenMühle zieht eine sehr durchwachsene Bilanz der Ernte 2023 – allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen zu den unterschiedlichen Getreidesorten. Im Vertragsanbau arbeiten die Mühlenbetreiber mit Landwirten zusammen und dazu gehört neben dem Weizenanbau, der in Deutschland insgesamt noch immer mit Abstand am meisten angebaut wird, vorrangig auch der Anbau von Dinkel. Und mit den Ergebnissen der Dinkelqualität ist die SchapfenMühle in diesem Jahr durchaus zufrieden. Die Abweichungen von der Qualität seien dabei überschaubar.
Getreideernte 2023 zeigt: Biodiversität ist wichtiger denn je
"Dinkel ist hinsichtlich der Wetterlage unempfindlicher, weil es ein Spelzgetreide ist", erklärt dazu Jürgen Ellerkamp, der Leiter des Bereichs Bäckergeschäft bei der SchapfenMühle. Dennoch hatten die Landwirte in der Region Ulm auch Glück, dass sie den Dinkel einholen konnten, als es gerade wenig Wetterkapriolen gab, berichtet Jürgen Ellerkamp. Die Schapfen Mühle setzt nach eigenen Angaben mit einem Schwerpunkt auf den Dinkel als regional typische Getreidesorte. Sie schreibt in ihrem Erntebericht zu den Trends, die die Zukunft der Branche nach eigener Einschätzung prägen werden, dass dabei Biodiversität auch hinsichtlich der Getreidesorten immer wichtiger werden.
"Biodiversität kann man dadurch stärken, dass nicht nur Weizen, Mais oder Raps angebaut werden, sondern auch andere Getreidearten wie Dinkel und Emmer. Ebenfalls werden Backwaren aus Hülsenfrüchten an Bedeutung gewinnen und somit dem Trend nach alternativen Proteinen entgegenkommen", heißt es dazu. In dem Bericht gibt der Verarbeitungsfachmann Jürgen Ellerkamp auch Tipps zum Umgang mit den Mehlen der verschiedenen Getreidesorten und erklärt Bäckern, wie die jeweiligen Backqualitäten einzuschätzen sind.
Getreideernte 2023: Mehr oder weniger Dünger?
Der VGMS sieht durch die durchwachsene Ernte 2023 auch Herausforderungen sowohl auf die Müllerinnen und Müller als auch auf die Bäckerinnen und Bäcker zukommen. Doch er teilt auch mit, dass er davon ausgeht, dass unterm Strich genügend Qualitätsgetreide aus Deutschland für die Verarbeitung zur Verfügung stehen wird. Peter Haarbeck, der Geschäftsführer des VGMS mahnt jedoch, dass die Politik dringend nachjustieren müsse und bezieht sich auf die aktuellen Bestimmungen zur Getreidedüngung und den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. Diese würden seiner Meinung nach zu wenig Flexibilität erlauben im Umgang mit dem schwankenden Wetter.
Das BMEL – genauso wie die EU-Politik – setzt aktuell auf eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und hat im Jahr 2020 mit einer neuen Düngeverordnung auch dafür gesorgt, dass mehr Einschränkungen beim Einsatz von Düngemitteln gelten. Damit will man unter anderem verhindern, dass zu viel Nitrat in die Umwelt eingetragen wird. Es dient dem Gewässerschutz, dem Erhalt der natürlichen Kreisläufe und der Förderung der Biodiversität.
Während sich Umwelt- und Naturschutzverbände stark dafür einsetzen, die Einschränkungen noch weiter auszudehnen und der industrialisierten Landwirtschaft damit Grenzen aufzuzeigen, sehen Verbände wie der VGMS damit allerdings auch Unsicherheiten auf die Lebensmittelversorgung auf Deutschland zukommen – gerade in schwierigen Erntejahren. "Hier braucht die Getreidewertschöpfungskette dringend und schnell flexiblere Rahmenbedingungen. Sonst ist Qualitätsgetreide 'made in Germany' ein Auslaufmodell", warnt Peter Haarbeck.