Internationaler Frauentag 2021 Frauen im Handwerk: Eine Bestandsaufnahme zum Weltfrauentag

Kennen Sie eine Betonbauerin? Falls nein, verwundert das kaum. Auf 99 Männer kommt in diesem Beruf nur etwa eine Frau. In welchem Handwerksberuf das Verhältnis genau andersrum ist und zu welchem überraschenden Ergebnis eine Studie der Uni Göttingen kommt.

Bei den Maurern und Betonbauern sind Frauen besonders rar. - © H_Ko - stock.adobe.com

Lange galt das Handwerk in weiten Teilen als Männerdomäne. Heute kommt es bei den Auszubildenden immerhin auf einen Frauenanteil von 18,3 Prozent, wie eine Auswertung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zum Internationalen Frauentag 2021 zeigt.

Sieht man genauer hin, sind es aber vor allem handwerkliche Berufe aus dem kreativen Bereich, die von Frauen ergriffen werden. Die Kosmetik ist mit einem Frauenanteil von 99,2 Prozent fast vollständig in weiblicher Hand. Dicht gefolgt vom Maßschneider- (84 Prozent) und Konditorenhandwerk (80,4 Prozent), den Gold- und Silberschmieden (76,6 Prozent) und Friseuren mit 74,7 Prozent.

In den gewerblich-technischen Berufen sieht das Bild deutlich anders aus. Bei beispielsweise den Maurern und Betonbauern (Frauenanteil 1,1 Prozent), den Informationstechnikern (1,9Prozent) und den Klempnern/Spenglern (2,1 Prozent) sind Frauen rar.

Ein Lichtblick: Einige gewerblich-technische Berufe konnten ihren Frauenanteil in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Im Zweiradmechaniker-Handwerk wurden 2019 beispielsweise 61 Frauen mehr ausgebildet als noch 2017, eine Steigerung des Frauenanteils um 2,3 Prozentpunkte auf nunmehr 9,2 Prozent. Bei den Tischlern waren es 213 weibliche Azubis mehr als 2017 – eine Steigerung von 0,8 Prozent auf 13,1 Prozent Frauenanteil. Die Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, mehr Frauen für diese Berufe zu begeistern.

Wollseifer: "Wir wollen Frauen zu einer Berufswahl jenseits von Klischees ermutigen"

Darum bemüht sich auch die Handwerksorganisation. Mit einer Imagekampagne, Engagement beim Girls Day und viel regionalem Engagement. "Wir wollen Frauen zu einer Berufswahl jenseits von Klischees ermutigen. Frauen für gewerblich-technische Berufe zu begeistern, ist nicht nur wichtig mit Blick auf die Fachkräftesicherung. In der höheren Diversität der Mitarbeiterschaft steckt großes Potential für unsere Betriebe", erklärt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.

"Kann die das?"

Das sieht auch die junge Glasergesellin Cecile Höllmüller so, die sich mehr Frauen auf der Baustelle wünscht. "Dort bin ich häufig die einzige Frau. Es wäre schön, wenn das anders wäre. Denn mit mehr Frauen kann eine Baustelle anders ablaufen, weil Frauen oft andere Lösungsansätze haben als Männer", so Höllmüller. Sie ruft Frauen dazu auf, mehr Mut zu zeigen. Es sei wichtig, dass "junge Frauen keine Angst haben, sich einen ‚männlichen‘ Handwerksberuf anzuschauen und es nicht grundsätzlich ausschließen. Sonst könnte ihnen ihr Traumberuf entgehen", erklärt sie. Für sie selbst war die Männerdominanz in ihrem Gewerk kein Grund, von ihrer Berufswahl Abstand zu nehmen. "Es war v on Kollegenseite nie ein Problem, dass ich eine Frau bin. Höchstens der eine oder andere Kunde hat gefragt: Oh, kann die das?", so Höllmüller.

Angst vor fehlender Anerkennung und zu hoher körperlicher Belastung

Eine Erklärung, warum immer noch wenige Frauen den Schritt in einen gewerblich-technischen Beruf wagen, hat Doreen Gaumann parat: "Viele Frauen haben Sorgen, dass sie nicht anerkannt werden, man sie nicht respektiert oder sie den Beruf körperlich nicht schaffen," erklärt die 29-jährige Braumeisterin. "Am Ende kommt es aber drauf an, was man draus macht. Man wächst mit jeder Situation und jedem Erlebnis, das man hat."

Studie überrascht mit besonders hohen Zufriedenheitswerten von Frauen im Handwerk

Entscheiden sich Frauen bewusst für einen Handwerksberuf, haben sie nicht nur sehr gute Zukunftsaussichten, sondern sind häufig auch besonders erfüllt mit ihrer Berufswahl. Dies belegt eine Studie von Ann-Kathrin Blankenberg vom Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung der Georg-August-Universität Göttingen, zu der fast 2.000 Handwerkerinnen und Handwerker befragt wurden. Frauen äußern in der Studie "Handwerksstolz" besonders hohe Zufriedenheit mit ihrem Beruf. 86,6 Prozent der befragten Frauen gibt der Handwerksberuf ein gutes Gefühl (Durchschnitt aller Befragten liegt bei 78,2 Prozent). 86,8 Prozent der befragten Handwerkerinnen sehen in ihrem Beruf ihre Leidenschaft (Durchschnitt aller Befragten 83,3 Prozent). Zum Vergleich: In einer Auswertung des Personaldienstleisters Randstad, bei der mehrere Branchen in den Blick genommen wurden, gaben nur 75 Prozent der Arbeitnehmerinnen an, zufrieden mit der Arbeit bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu sein.

Jeder fünfte Handwerksbetrieb von einer Frau geführt

Er freulich aus Sicht des Handwerks ist zudem, dass sich viele Frauen in der Branche ehrgeizige berufliche Ziele stecken. So wird jeder fünfte Handwerksbetrieb inzwischen von einer Frau geführt. Mehr als 75 Prozent der Handwerksbetriebe sind zudem Familienbetriebe, die von einem (Ehe-)Paar gemeinsam geleitet werden. 3.436 erfolgreiche Absolventinnen haben darüber hinaus 2019 mit der Meisterprüfung den Grundstein für eine Selbständigkeit im Handwerk gelegt. Für Braumeisterin Doreen Gaumann kann das dennoch nur ein Anfang sein: "Ich bin jetzt seit zehn Jahren in diesem Beruf und werde anerkannt. Aber es ist leider immer noch etwas Besonderes." fre

Die zehn beliebtesten Berufe weiblicher Auszubildender

  1. Friseur/in: 14.858 weibliche vs. 5.036 männliche Auszubildende
  2. Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk: 9.915 weibliche vs. 2.607 männliche Auszubildende
  3. Kauffrau/-mann für Büromanagement: 7.116 weibliche vs. 2.525 männliche Auszubildende
  4. Augenoptiker/in: 5.232 weibliche vs. 2.413 männliche Auszubildende
  5. Konditor/in: 3.226 weibliche vs. 787 männliche Auszubildende
  6. Zahntechniker/in: 3.009 weibliche vs. 2.356 männliche Auszubildende
  7. Tischler/in: 2.355 weibliche vs. 15.660 männliche Auszubildende
  8. Kfz-Mechatroniker/in: 2.350 weibliche vs. 61.537 männliche Auszubildende
  9. Maler/in und Lackierer/in: 2.170 weibliche vs. 12.087 männliche Auszubildende
  10. Hörakustiker/in: 1.783 weibliche vs. 1.432 männliche Auszubildende

Quelle: ZDH