Schlossermeister Andreas Grasmüller hat eine neue Art Feuerraum für Küchenherde gebaut. Ein Gewinn für die Umwelt und für die Ofensetzer-Branche.
Frank Muck
Irgendwann fühlte sich Andreas Grasmüller wie der Wanninger – jener von Karl Valentin erfundene Buchbinder, der seinen Kunden anruft und nur kurz die Auskunft möchte, ob er seine Rechnung der Lieferung gleich beilegen soll. Doch er wird nur von einem zum nächsten Ansprechpartner weiterverbunden, weil niemand sich zuständig fühlt, ihm eine Auskunft zu erteilen. Am Ende erhält er auch keine. Grasmüller ist Schlossermeister im oberbayerischen Lenggries und ihm ging es um die Frage nach der Umsetzung einer Verordnung zur Emissionsmessung für Küchenherde – ein deutlich schwierigeres Unterfangen. Immerhin gab’s am Ende eine Lösung.
Eigentlich macht Grasmüller Herdbauteile, die Ofenbauer für handwerklich erstellte holzbefeuerte Küchenherde benötigen: Heiztüren, Backrohre, Herdeinfassungen oder auch Holzauszüge. Die traditionellen Öfen mit Backrohr und Herdplatte werden vor allem im Alpenraum noch gerne eingesetzt. Doch eines Tages kam dann diese neue EU-Verordnung, nach der Öfen und Küchenherde neuen Emissionsgrenzwerten unterliegen.
Odyssee durch die Ämter
Seit 2015 sind handwerklich erstellte Grundöfen und Küchenherde messpflichtig für Feinstaub und Kohlenmonoxid. Das Problem: Wie wird das bei einem solchen Nischenprodukt überprüft? Grasmüller begann seine Odyssee durch Ämter, Verbände und Institute, vom Landratsamt über das Umweltministerium, den Innungsverband Bayern bis hin zur Ofensetzermesse im österreichischen Wels. Ohne Ergebnis.
Erst ein Gespräch mit Mohammad Aleysa vom Fraunhofer Institut für Bauphysik brachte ihn weiter. Im Prinzip gebe es drei Möglichkeiten: Man lässt den Kaminkehrer kommen und nachträglich messen, man baut Filter ein oder man nutzt einen typgeprüften Feuerraum. Für Grasmüller und seinen Ofensetzermeister Hubert Waldherr waren die beiden erstgenannten Lösungen keine gute Wahl. Denn wenn der Ofen die Grenzwerte nicht einhalten kann, muss ein Filter eingebaut werden.
Am Ende blieb nur die dritte Lösung
Ein Filter jedoch ist sehr teuer. Zum Kaufpreis kommen Einbau und Wartung dazu. Abgesehen davon ist der schlecht fürs Image. "Es wäre keine Werbung, wenn ein handwerklicher Ofen einen Filter braucht und ein Industrieherd nicht, weil er typgeprüft ist", sagt Grasmüller. Blieb nur Lösung Nummer drei: der typgeprüfte, also zertifizierte Feuerraum.
Ein Feuerraum ist der Raum, in dem die Verbrennung stattfindet. Was sich so einfach anhört, forderte am Anfang einiges an Recherche und Nachdenken. Im Herbst 2014 setzten sich die beiden Handwerker hin, um zu überlegen, wie man das Konzept Küchenherd neu denken kann. Erst einmal mussten sie wissen, was man überhaupt bauen darf. Schließlich gibt es tatsächlich keine Prüfnorm für einen seperaten Küchenherdfeuerraum.
Mohammad Aleysa half den beiden Männern weiter. Ein Jahr brauchten die beiden Handwerker für die Entwicklung. Anhand Aleysas Vorgaben bauten die Handwerker zwei Prototypen – einen Universalfeuerraum und einen kompletten Küchenherd, die sie im Herbst 2015 beim Fraunhofer-Institut in Stuttgart vorstellten.
Die Verbrennung hinterlässt nur ganz geringe Rückstände
Zu guter Letzt hatten Grasmüller und Waldherr ihre Lösung gefunden – eine sehr überzeugende sogar. Der Feuerraum ist praktisch eine völlige Neuentwicklung, die viel mit der Zirkulation der Verbrennungsluftzufuhr spielt. Ein doppelter Boden und eine doppelte Rückwand sorgen dafür, dass die Verbrennungsluft vorgewärmt wird. Eine Sauerstoffzufuhr an der Rückwand wiederum schafft eine Düsenwirkung, die dafür sorgt, dass die Rauchgase durchgewirbelt werden.
Zum Schluss führt ein horizontaler Zwischenraum die Luft nochmals über das Feuer, so dass sehr hohe Temperaturen entstehen, aus denen sich eine thermische Oxidation entwickelt, Gase und Feinstaube werden weiter reduziert. Am Ende bleiben bei der Verbrennung nur ganz geringe Rückstände. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass der Feuerraum keinen Rost braucht. So können unterschiedliche Holzscheitlängen eingesetzt werden ohne Einfluss auf die Qualität der Verbrennung.
"Neisfeir" = "neues Feuer"
Das Ergebnis heißt "neisfeir", "neues Feuer" auf gut Bayerisch. Das beste am neuen Feuer: Die Verbrennung erreicht deutlich bessere Emissionswerte als gefordert. 968 statt 1.500 Milligramm pro Kubikmeter Kohlenmonoxid und 7,6 statt 40 Milligramm pro Kubikmeter Feinstaub.
Letztlich war es eine Kombination aus Erfahrung, Expertise und der Zusammenarbeit mit dem Institut, die schließlich zum Ergebnis führte. Den neuen Feuerraum, der im Oktober 2015 vollendet werden konnte, nutzte das Fraunhofer-Institut auch für eigene Zwecke. Dank der guten Eigenschaften konnte das Institut die Erfindung für ein Dritte-Welt-Projekt einsetzen.
Ofensetzer können ganz individuell bauen
Für Waldherr und Grasmüller ist der neue Feuerraum auch ein Rettungsanker für das Ofensetzerhandwerk. Denn mit dem Universal-Feuerraum, der eine eigene Typprüfung besitzt, können Ofensetzer ganz individuelle Küchenherde bauen, die sich auch und vor allem von den Angeboten der Industrie abgrenzen. Inzwischen hat Grasmüller einen Gebrauchsmusterschutz angemeldet. Durch die Vermittlung der Handwerkskammer erhielt der 58-Jährige zusätzlich einen Innovationsgutschein im Wert von 7.500 Euro vom bayerischen Wirtschaftsministerium.
Auch wenn am Ende geschätzte 30.000 Euro Investitionen stehen, hat sich der Einsatz nach Meinung von Andreas Grasmüller gelohnt. Und um die Frage, ob die Grenzwerte passen, müssen sich Grasmüller und Waldherr auf jeden Fall keine Gedanken mehr machen. www.neisfeir.de