Wer nicht mehr arbeitsfähig ist, kann eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragen. Doch wer bekommt sie? Wo kann man sie beantragen? Und darf man etwas hinzuverdienen, wenn man eine Erwerbsminderungsrente bekommt? Alles, was Sie über die Erwerbsminderungsrente wissen sollten.

Wer schwer erkrankt ist, kann nicht immer bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten. Betroffene Arbeitnehmer können eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragen. Diese kann als volle oder als teilweise Erwerbsminderungsrente ausgezahlt werden. Wenn Arbeiten im Umfang von mindestens drei und weniger als sechs Stunden pro Tag noch möglich sind, sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert. Die volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn nach ärztlicher Prüfung das tägliche Arbeitsvermögen weniger als drei Stunden umfasst.
Dabei greift aktuell eine stufenweise erhöhte Zurechnungszeit zu den Beitragsjahren in die gesetzliche Rentenkasse. Dies hat die Bundesregierung im Jahr 2019 beschlossen, damit auch junge Menschen mit wenigen Berufsjahren im Falle des Falles von einer Erwerbsminderungsrente profitieren. Diese Zurechnungszeit steigt schrittweise an und hat sich für alle Rentenneuzugänge zuletzt ab dem 1. Januar 2022 geändert. Zum nächsten Jahreswechsel steht der nächste Schritt an.
Erwerbsminderungsrente: Was hat sich 2021 geändert?
Konkret heißt dies: Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn seit dem 1. Januar 2019 erhalten eine verlängerte Zurechnungszeit. Die Zurechnungszeit wurde von 62 Jahren und drei Monaten in einem Schritt auf das vollendete 65. Lebensjahr und acht Monate angehoben. Bei einem Rentenbeginn seit dem 1. Januar 2022 wurde die Zurechnungszeit weiter verlängert – auf 65 Lebensjahre und elf Monate. Zum Jahresbeginn 2023 steigt sie auf 66 Jahre. "Sie steigt schrittweise bis zum 31. Dezember 2030 so an, dass sie auf das vollendete 67. Lebensjahr verlängert wird", erklärt Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin. Bei einem Rentenbeginn ab 1. Januar 2031 endet sie dann also mit dem 67. Lebensjahr, spätestens aber mit dem Erreichen der individuellen Regelaltersgrenze.
Umso länger die Zurechnungszeit ist, desto höher wird die Erwerbsminderungsrente. Das gilt, auch wenn Abschläge anfallen. Die Abschläge waren bereits vor dem Inkrafttreten der Rentenreform 2019 auf 10,8 Prozentpunkte begrenzt.
Erwerbsminderungsrente: So verändern sich die Zurechnungszeiten
Rentenbeginn im Jahr | Anhebung um ... Monate | Auf das Alter Jahr | Monate |
2019 | 65 | 8 | |
2020 | 1 | 65 | 9 |
2021 | 2 | 65 | 10 |
2022 | 3 | 65 | 11 |
2023 | 4 | 66 | 0 |
2024 | 5 | 66 | 1 |
2025 | 6 | 66 | 2 |
2026 | 7 | 66 | 3 |
2027 | 8 | 66 | 4 |
2028 | 10 | 66 | 6 |
2029 | 12 | 66 | 8 |
2030 | 14 | 66 | 10 |
2031 | 16 | 67 | 0 |
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund
Wer eine Erwerbsminderungsrente beantragen will, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Die folgenden Fragen und Antworten zeigen, welche das sind und was bei der Antragstellung zum jetzigen Zeitpunkt zu beachten ist.
Welche Voraussetzungen müssen für die Erwerbsminderungsrente erfüllt sein?
Eine Erwerbsminderungsrente erhalten Erkrankte in der Regel nur, wenn für sie mindestens fünf Jahre (Wartezeit) in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurde. Außerdem müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge liegen. Wer zum Beispiel aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Familienauszeit längere Zeit keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, verliert unter Umständen seinen Anspruch.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen von der so genannten Wartezeit. So gilt die Wartezeit beispielsweise als erfüllt, wenn Sie vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben.
Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente?
Die Höhe der Rente berechnet sich individuell aus den bis zum Eintritt der Erwerbsminderung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten. Bei einem Beginn der Erwerbsminderungsrente seit dem 1.Januar 2019 wird die sogenannte Zurechnungszeit bis zum regulären Renteneintrittsalter des laufenden Kalenderjahres gewährt. In 2022 wurde die Zurechnungszeit auf das Alter 65 Jahre und elf Monate angehoben. Zum Jahresbeginn 2023 steigt sie auf 66 Jahre.
Bis Juli 2014 galt die Zurechnungszeit nur bis zum 60. Lebensjahr; seither hat der Gesetzgeber sie mehrmals erhöht. Durch die Zurechnungszeit werden also zusätzliche Zeiten berücksichtigt, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die Zurechnungszeit wird mit dem Durchschnittswert der bis zum Eintritt der Erwerbsminderung zurückgelegten Versicherungszeiten bewertet und steigert so die Rente. In den Durchschnittsverdienst des Arbeitnehmers werden die letzten vier Jahre vor dem Beginn der Erwerbsminderungsrente nicht mehr einbezogen, wenn in dieser Zeit bereits Einkommenseinbußen zu verzeichnen waren, die sich negativ auf die Berechnung auswirken – etwa, weil die Arbeitszeit wegen der Erkrankung reduziert wurde.
Darf man trotz Erwerbsminderungsrente etwas hinzuverdienen?
Seit dem 1. Juli 2017 gelten durch das Inkrafttreten der Flexirentengesetzes neue Hinzuverdienstgrenzen. Diese werden sowohl beim Bezug der vollen als auch bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente individuell berechnet. Die bis zum 30. Juni 2017 geltende Regelung zur anteiligen Rente gibt es nicht mehr. So ist es auch nicht mehr möglich, dass man bei einem geringfügigen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze auf die nächstniedrigere anteilige Rente herabgestuft wird. Zum 1. Januar 2023 greifen hierbei wiederum neue Hinzuverdienstgrenzen.
Als Hinzuverdienst gelten laut Deutscher Rentenversicherung Bund der Bruttoverdienst aus abhängiger Beschäftigung, der steuerrechtliche Gewinn (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit und aus Land- und Forstwirtschaft), vergleichbares Einkommen (zum Beispiel Abgeordnetenbezüge) sowie bestimmte Sozialleistungen. Der Hinzuverdienst wird außerdem nicht mehr monatlich, sondern kalenderjährlich berechnet. Die Hinzuverdienstregelungen gelten in den alten wie in den neuen Bundesländern gleichermaßen.
Rente wegen voller Erwerbsminderung
Wer derzeit eine volle Erwerbsminderungsrente bekommt, für den gilt eine feststehende Hinzuverdienstgrenze. Sie beträgt 6.300 Euro im Kalenderjahr. Das entspricht den bisher geltenden Regelungen, wonach ein monatlicher Hinzuverdienst von 450 Euro immer möglich war. Zusätzlich darf man diesen Betrag zwei Mal pro Jahr überschreiten, also 14× 450 Euro.
"Wer die jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro jedoch überschreitet, bei dem teilt man den darüber liegenden Betrag durch zwölf. Davon werden 40 Prozent auf die Rente angerechnet", erläutert Sennewald.
Zusätzlich zu diesen Regelungen gilt eine Obergrenze für den Hinzuverdienst, der sogenannte Hinzuverdienstdeckel. Dafür werden die gekürzte Rente und der Hinzuverdienst zusammengerechnet. Liegt dieser Betrag über dem bisherigen Einkommen (höchstes Einkommen der letzten 15 Jahre), wird der darüber liegende Betrag zu 100 Prozent auf die verbliebene Rente angerechnet.
Ab dem 1. Januar 2023 wird die Hinzuverdienstgrenze allerdings angehoben auf 17.800 Euro, die dann anrechnungsfrei bleiben. Das geht auf Pläne der Bundesregierung zurück, die auch im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Hinzuverdienst von Rentnern stehen. Die Grenze wird künftig jährlich neu festgelegt und an die Entwicklung der anderen Sozialversicherungsgrenzen angepasst.
Grundsätzlich ist gilt dabei aber keine starre Hinzuverdienstgrenze mehr. Stattdessen gilt unter Beachtung des eingeschränkten Leistungsvermögens von weniger als drei Stunden täglich eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von drei Achteln der 14fachen monatlichen Bezugsgröße.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Auch bei teilweiser Erwerbsminderung gilt derzeit eine jährliche Hinzuverdienstgrenze, diese berechnet die Rentenkasse grundsätzlich individuell. Sie orientiert sich laut Rentenversicherung an dem höchsten beitragspflichtigen Jahreseinkommen der letzten 15 Jahre. Mindestens liegt sie im Jahr 2022 bei 15.989,40 Euro jährlich.
Mit dieser Grenze wird der Hinzuverdienst verglichen. Liegt er darüber, wird der darüber liegende Betrag durch zwölf geteilt. Davon werden 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Auch hierbei gilt der Hinzuverdienstdeckel als Obergrenze.
Die Rentenversicherung rechnet dabei ab Januar 2023 wie folgt. Dabei bleibt im neuen Jahr zwar die Hinzuverdienstgrenze unverändert, aber es erfolgt eine Umstellung auf eine monatliche Bezugsgröße (9.72fache der monatlichen Bezugsgröße statt 0,81fache der jährlichen Bezugsgröße): Die kalenderjährliche Mindesthinzuverdienstgrenze entsprechend dem Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich wird sechs Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße betragen statt 0,5 Entgeltpunkte.
Informationen über die individuellen Hinzuverdienstgrenzen erhält jeder Betroffene im Rentenbescheid. Infos zum Hinzuverdienst bei der Erwerbsminderungsrente gibt die Deutsche Rentenversicherung in einer speziellen Broschüre.>>>
Wie beantrage ich Erwerbsminderungsrente?
Auch für eine Rente wegen Erwerbsminderung ist ein Antrag nötig. Die dafür notwendigen Antragsformulare sind auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung zu finden. Sie liegen auch in den bundesweiten Auskunfts- und Beratungsstellen aus. Hier kann man sich auch ausführlich zum Thema vor Ort beraten lassen. Die Krankenkasse kann Beschäftigte auch auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen. Dieser Aufforderung müssen sie nachkommen. Wenn jedoch für eine Reha-Maßnahme keine Erfolgsprognose besteht oder der/die Versicherte nicht rehafähig ist oder nach der durchgeführten Reha weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliegt, kann der Reha-Antrag in einen Rentenantrag umgedeutet werden.
Was, wenn der Antrag abgelehnt wird?
In jedem Ablehnungsbescheid steht eine Begründung, entweder gibt es medizinische Gründe oder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Innerhalb eines Monats kann der Antragsteller dann einen Widerspruch einlegen. Dieser muss aber genau begründen, warum beispielsweise ein Anspruch auf die Rente besteht. Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente geht dann erneut in eine Prüfung und es ergeht ein neuer Bescheid, der sogenannte Widerspruchsbescheid. Wenn der Betroffene dann wieder eine Ablehnung bekommt, bleibt nur noch der Schritt zur Klage vor dem Sozialgericht.
Infos zur Erwerbsminderungsrente gibt es auch bei der Deutschen Rentenversicherung.>>>
Anspruch auf Erwerbsminderungsrente kann bei Verurteilung entfallen
Wer nach einem Unfall ganz oder teilweise nicht mehr arbeiten kann, hat Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente. Doch nicht immer ist das so. Zum Beispiel dann nicht, wenn man sich strafbar gemacht hat.
Vielen Fahrzeugführern sind die Folgen für die Sozialversicherung nach einem Verkehrsunfall, bei dem man sich strafbar gemacht hat, nicht bekannt. Wird ein Fahrer verurteilt, kann der Rentenanspruch für Erwerbsminderung beispielsweise entfallen, wenn er das Fahrzeug ohne Führerschein bedient hat. Das geht aus einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts hervor (Az.: L 5 R 129/14).
Versicherung kann Antrag ablehnen
Im konkreten Fall handelte es sich um einen 29-Jährigen Mann, der ohne Führerschein und mit 1,39 Promille einen Unfall verursachte. Durch die Verletzungen, die er sich dabei zuzog, ist er seitdem voll erwerbsgemindert. Da er vom Amtsgericht wegen Trunkenheit am Steuer und Fahrens ohne Führerschein zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, lehnte die Rentenversicherung seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab .
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass er sich grob selbstgefährdend verhalten habe . Wer bewusst gegen Gesetze verstoße, die gegen Schaden schützen sollen, der habe keinen Anspruch mehr auf Versicherungsleistungen.
Dieser Argumentation schlossen sich die Sozialgerichte in zwei Instanzen an. Die Rente kann auch versagt werden, wenn die Erwerbsminderung infolge einer strafbaren Handlung eingetreten ist, so die Auffassung des Landessozialgerichts Hessen. dpa/tmn
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