Die Zahl der Firmeninsolvenzen steigt erstmals seit der Finanzkrise 2009 wieder. Mehr als jede fünfte Pleite war dem Handwerk zuzuordnen. Eine Insolvenzwelle ist nach Einschätzung von Experten aber nicht in Sicht.

Die befürchtete Pleitewelle in der deutschen Wirtschaft ist im vergangenen Jahr trotz gestiegener Energiepreise und höherer Zinsen ausgeblieben. Zwar stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erstmals seit der weltweiten Finanzkrise 2009 wieder an. Sie legte um 4,3 Prozent auf 14.590 gemeldete Fälle zu. Experten sprachen von einem niedrigen Niveau und erwarten auch im laufenden Jahr trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes keine Pleitewelle. Im Handwerk ist die Zahl der Insolvenzen stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft.
"Seit Einführung der neuen Insolvenzordnung 1999 gab es nur 2021 noch weniger Insolvenzen", sagte Frank Schlein, Deutschland-Geschäftsführer des Informationsdienstleisters Crif. Im laufenden Jahr geht er von einem Anstieg der Firmenpleiten um knapp 13 Prozent auf bis zu 16.500 Fälle aus. "Wir sehen keine Insolvenzwelle, sondern vielmehr eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens in Deutschland."
Zinsanstieg belastet Baubranche
Der Berufsverband der Insolvenzverwalter (VID) erwartet allenfalls einen moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. "Für einzelne Branchen, wie etwa der Baubranche, werden die Insolvenzrisiken allerdings allein schon aufgrund des Zinsanstiegs deutlich größer ausfallen", sagte Verbandsvorsitzender Christoph Niering. Schon im November meldeten die Amtsgerichte die meisten Insolvenzen im Baugewerbe.
Auch eine Schätzung der Creditreform Wirtschaftsforschung deutet darauf hin, dass Handwerksbetriebe in besonderem Maße unter den aktuellen Krisen leiden. Im vergangenen Jahr meldeten demnach 3.270 Handwerksbetriebe Insolvenz an. Das sind zwölf Prozent mehr als im Jahr 2021. Damit stiegen die Insolvenzen im Handwerk dreimal mehr als im gesamtwirtschaftlichen Trend. Besonders kräftig gestiegen ist die Zahl der Pleiten laut Creditreform im Ausbaugewerbe (16 Prozent) sowie im Metallhandwerk und Handwerk des gewerblichen Bedarfs (36,5 Prozent).
Die Gründe für Insolvenzen
Im Februar 2023 stiegen die beantragten Unternehmensinsolvenzen nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts um 10,8 Prozent gegenüber dem Vormonat, nachdem sie im Januar noch um 3,2 Prozent gesunken waren. Die Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liege in vielen Fällen fast drei Monate davor.
Hauptursachen für Firmenpleiten im vergangenen Jahr waren nach Einschätzung Schleins hohe Energiekosten, anhaltende Probleme in den Lieferketten und die hohe Inflation. "Hinzu kam die Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern, die aufgrund der hohen Energiepreise und der Inflation weniger Geld zur Verfügung hatten."
Um eine Pleitewelle in der Corona-Pandemie zu verhindern, war zudem von März 2020 bis Mai 2021 die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, für überschuldete Unternehmen ganz oder teilweise ausgesetzt gewesen. Experten hatten nach dem Auslaufen dieser Ausnahmen mit einem Anstieg der Insolvenzen gerechnet.
Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus dem Jahr 2022 bezifferten die Amtsgerichte auf rund 14,8 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch rund 48,3 Milliarden Euro gewesen. Der Rückgang ist den Angaben zufolge darauf zurückzuführen, dass 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragten als im Folgejahr.
Zahlungsmoral sinkt
Die Zahlungsmoral hat sich nach einer Studie des Kreditversicherers Allianz Trade im vergangenen Jahr allerdings deutlich verschlechtert. Das wurde als deutlicher Hinweis auf weltweit steigende Insolvenzrisiken gewertet. "Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr rund 15 Prozent mehr Pleiten als 2022 und damit eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens", erklärte der Allianz-Trade-Chef für den deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts.
Im weltweiten Schnitt wurden die Rechnungen 2022 erst nach 59 Tagen bezahlt und damit fünf Tage später als im Jahr zuvor. Deutschland dauerte es 49 Tage und damit vier Tage länger als im Jahr zuvor. Das war eine Woche früher als in europäischen Nachbarländern üblich. dpa/fre