Steuerrechtlerin Johanna Hey zur Erbschaftsteuer "Eine schnelle Betriebsübergabe ist ratsam"

Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich aktuell mit der Erbschaftsteuer. Der Bundesfinanzhof hält das Gesetz für verfassungswidrig. Steuerrechtsexpertin Johanna Hey gibt im DHZ-Interview Tipps, was Betriebe jetzt tun sollten.

Karin Birk

Prof. Johanna Hey ist Direktorin des Instituts für Steuerrecht der Universität zu Köln. - © Foto: Institut für Steuerrecht

DHZ: Frau Professor Hey, das Bundesverfassungsgericht prüft die Erbschaftsteuer. Sollte ein Handwerker jetzt noch schnell den Betrieb übergeben?

Hey: Eine schnelle Übergabe ist unter erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten sicherlich ratsam, insbesondere wenn der Betrieb nicht mehr als 20 Arbeitnehmer hat, weil die Vergünstigung für Betriebsvermögen dann unter erleichterten Bedingungen in Anspruch genommen werden kann. Generell ist davon auszugehen, dass Betriebe unter geltendem Recht vollständig steuerfrei übertragen werden können. Ob das so bleibt, ist ungewiss. Klar ist aber auch, dass man sich damit in der Nachfolgeplanung endgültig festlegen muss.

DHZ: Ihr Kollege Lars Feld nennt die Erbschaftsteuer eine Dummensteuer, da sehr  große Vermögen mit dem richtigen Steuerberater fast keine Steuer bezahlen. Ist das so?

Hey: Man kann auch von „Sandwichsteuer“ sprechen. Hohe Freibeträge lassen den Großteil aller Erbschaften steuerfrei. Ganz große Vermögen können in der Regel durch intelligente Gestaltungen ausweichen. Am ehesten trifft die Erbschaftsteuer daher mittlere Vermögen, die immobil sind.

DHZ: Wann und mit welcher Entscheidung ist zu rechnen?

Hey: Beides ist nur sehr schwer prognostizierbar. Ein konkretes Datum für die Entscheidung steht bisher nicht fest. Die letzte Vorlage des Bundesfinanzhofs hat bis zur Entscheidung vier Jahre beim Bundesverfassungsgericht gelegen. Der Ausgang ist sehr viel weniger gewiss als beim letzten Mal, weil das Verfassungsgericht selbst angeregt hat, Betriebsvermögen durch Steuervergü­nstigungen zu entlasten. Es wird um die Frage gehen, ob die Verschonungen des geltenden Rechts übermäßig sind und ob sie im Hinblick auf die Gestaltungsanfälligkeit zu wenig zielgenau sind.

DHZ: Das Handwerk will eine rückwirkende Gesetzesänderung zu Lasten der Steuerpflichtigen ausschließen und fordert eine Schutzerklärung.

Hey: Die Politik wird eine solche Erklärung möglicherweise abgeben. Fraglich ist, wie belastbar sie wäre. Ich halte eine rückwirkende Verschärfung für verfassungswidrig. Trotz der Kritik am Erbschaftsteuerrecht darf der Bürger in die geltende Rechtslage vertrauen. Davon, dass die geltende Rechtslage evident verfassungswidrig ist – dann könnte die Schutzwürdigkeit eingeschränkt sein –, wird man nicht ausgehen können. Es ist ja, wie gesagt, selbst für Juristen schwierig, vorherzusagen, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Umso weniger kann man dem Bürger entgegenhalten, er hätte nicht vertrauen dürfen.

DHZ: Wie sähe für Sie eine steuerlich gerechte und wirtschaftlich verträgliche Erbschaftsteuer aus?

Hey: Das ist simpel: Breite Bemessungsgrundlage, niedrige Steuersätze. Konkret hieße dies, Abschaffung der Steuervergünstigungen für Betriebsvermögen, aber auch die Senkung der persönlichen Freibeträge in der Steuerklasse I von derzeit 500.000 beziehungsweise 400.000 Euro auf 100.000 oder 200.000 Euro. Das vom Erben mitbewohnte Eigenheim sollte weiter von der Erbschaftsteuer ausgenommen werden. Will man keine Mehreinnahmen erwirtschaften, kämen sehr niedrige Steuersätze heraus, die in der Spitze unter 10 Prozent liegen könnten. Zusätzlich könnten durch eine Stundungsregel Härten vermieden werden.

DHZ: Mit Rot-Grün droht die Verdoppelung der Erbschaftsteuer. Zugleich sagt ihr Spitzenkandidat, er wolle Unternehmen verschonen. Geht das?

Hey: Nur wenn man die bestehenden Gerechtigkeitsdefizite der Erbschaftsteuer noch verschärfen will. Eine kleine, letztlich willkürlich herausgegriffene Gruppe von Erben zahlt, und dann durchaus in empfindlicher Höhe. Der Rest wird verschont.