Corona-Lockdown Ein harter Schlag fürs Handwerk

Deutschland geht zum zweiten Mal in diesem Jahr in einen harten Lockdown. Das trifft auch viele Handwerksbetriebe. Friseursalons müssen schließen, Kfz-Werkstätten und Bäckereien bleiben dagegen geöffnet. Dafür soll es weitere finanzielle Hilfen geben.

Deutschland geht in einen zweiten harten Lockdown. Das betrifft auch viele Handwerksbetriebe. Bäckereien allerdings bleiben geöffnet. - © Detlev Müller

Das öffentliche Leben in Deutschland wird angesichts der sich ausbreitenden Corona-Pandemie schon ab dem kommenden Mittwoch drastisch heruntergefahren. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, wertete die von Bund und Ländern verschärften Beschränkungen als "sehr harten Schlag für unsere Betriebe". Die ohnehin schon schwieirge Lage werde weiter erschwert. "Umso wichtiger ist es, die von diesen härteren Vorgaben betroffenen Betriebe und Unternehmen nicht allein zu lassen, sondern ihnen mit Hilfen unter die Arme zu greifen, die der jeweiligen Betroffenheit angepasst sind", sagte Wollseifer.

Er begrüßte die Ankündigung einer Überbrückungshilfe III. Weiter sagte der ZDH-Präsident: "Wir hätten uns Anderes gewünscht und auf die nun geplanten Einschränkungen gerne verzichtet, aber leider gibt die Infektionsdynamik der Politik den Takt vor." Die erschreckend hohen Infektions- und inzwischen auch Todeszahlen ließen keine wirklich andere Entscheidung mehr zu, um die Infektionsdynamik zurückzuführen. Wollseifer sagte: "Gesundheitsschutz ist Betriebe-Schutz."

Hilfen für Unternehmen ausgeweitet

Scholz kündigte umfangreiche Überbrückungshilfen an. "Es wird bis zu 500.000 Euro Unterstützung im Monat geben für direkt oder indirekt geschlossene Betriebe", sagte er mit Blick auf die Überbrückungshilfe III. Bei Umsatzeinbußen von 30 bis 50 Prozent im betreffenden Kalendermonat im Vergleich zum Vorjahreszeitraum könnten 40 Prozent der Fixkosten, bei Umsatzeinbußen von 50 bis 70 Prozent 60 Prozent der Fixkosten und bei Umsatzeinbußen von mehr als 70 Prozent 90 Prozent der Fixkosten übernommen werden, heißt es im Bundesfinanzministerium. Dabei soll es wie bei der November- und Dezemberhilfe Abschlagszahlungen geben.

Erst jüngst hatte die Regierung bekannt gegeben, dass diese von 10.000 Euro auf 50.000 Euro erhöht werden sollten. Bekannt wurde auch, dass ab Januar für alle von Schließungen betroffenen Unternehmen wie Gaststätten die   Überbrückungshilfe III greifen soll. Daneben soll der durch die Schließungen verbundene Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern durch Teilabschreibungen aufgefangen werden. Vereinfacht werden sollen auch Verhandlungen zwischen Gewerbemietern beziehungsweise Pächtern und Eigentümern. Insgesamt rechnet Scholz mit Ausgaben in Milliardenhöhe: „Wenn es zu einer vollen Schließung für einen ganzen Monat kommt, rechnen wir mit Ausgaben knapp über elf Milliarden Euro für einen Monat.“ Dabei verschlingen schon die noch großzügigeren November- und Dezemberhilfe rund 33 Milliarden Euro. Geld, das die Bunderegierung vor allem durch neue Schulden finanzieren will.

Die ausgeweiteten Corona-Finanzhilfen für betroffene Unternehmen sind aus Sicht des Einzelhandels noch immer zu gering. "Die bisher vorgesehenen Gelder reichen bei weitem nicht aus, um eine Pleitewelle in den Innenstädten zu verhindern", kritisiert der Handelsverband Deutschland (HDE). Der HDE fordert für den Dezember die gleiche Unterstützung, die bereits die seit Anfang November geschlossene Gastronomie erhält. Die Überbrückungshilfen alleine reichten nicht aus, um die betroffenen Handelsunternehmen zu retten.

Friseure müssen schließen

Der Einzelhandel muss ab Mittwoch mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf schließen. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten mit. Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown habe "nicht gereicht", sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Die Verschärfung der Maßnahmen habe Auswirkungen auf die Feiertage. Aber: "Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch."

"Corona ist außer Kontrolle geraten", warnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Deswegen habe man keine halben Sachen mehr machen wollen. Ab Mittwoch gelte ein "Lockdown für alle", sagte der CSU-Vorsitzende. "Die Philosophie heißt: Daheim bleiben!"

Von der Geschäftsschließung ausgenommen sind nach dem Beschluss von Bund und Ländern unter anderem: der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen.

Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseursalons, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden nach Angaben der Regierung geschlossen, weil in diesem Bereich eine körperliche Nähe unabdingbar sei. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege, blieben weiter möglich.

Rund 80.000 Friseursalons in Deutschland sind von dem erneuten harten Lockdown betroffen. "Das Friseurhandwerk hat mit einem umfangreichen und konsequent umgesetzten Hygienekonzept bewiesen, dass unsere Dienstleistungen auch in der Corona Pandemie sicher erbracht werden können", sagte Harald Esser, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks (ZV) in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung der Politik. "Wir müssen die Maßnahmen hinnehmen, sind jedoch sehr enttäuscht, dass wir nun, in den wichtigsten Wochen für unser Handwerk, erneut schließen müssen." Jetzt gehe es darum, für die geschlossenen Friseurbetriebe Liquiditätshilfen bereitzustellen und vor allem Umsatzausfälle zu kompensieren. Die Auswirkungen der Corona Pandemie gefährdeten die Existenz vieler Salons.

Handwerksbetriebe dürfen noch aufgesucht werden

Anders als beim ersten Lockdown dürfen Kunden alle Handwerksbetriebe aufsuchen, die noch öffnen dürfen. Nur Betriebe, die "körpernahe Dienstleistungen" erbringen, müssen schließen. Alle anderen Betriebe dürfen weiterhin öffnen und auch von Kunden besucht werden. Nach Auffassung der Handwerkskammer für München und Oberbayern können demnach auch Fotografen weiterhin ihrer Arbeit nachgehen, wenn sie die üblicken Hygieneregeln beachten. Details regeln indes die Bundesländer - es ist auch möglich, dass die derzeit gültigen Regelungen noch angepasst werden.

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur noch aus triftigem Grund erlaubt. Die Ausübung beruflicher Tätigkeiten zählt allerdings ausdrücklich zu diesen triftigen Gründen , teilt die Handwerkskammer für München und Oberbayern mit. Fahrten zur Ausübung der beruflichen Tätigkeiten seien demnach zulässig. Das bedeute, dass alle handwerklichen Arbeiten beim Kunden weiterhin möglich seien, außer eben die genannten "körpernahen Dienstleistungen". Allerdings wies die Regierung bereits darauf hin, dass Betriebe möglichst umfangreich Betriebsferien zwischen den Festtagen und darüber hinaus nutzen sollten.

Kraftakt für die Wirtschaft

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die Beschlüsse von Bund und Ländern als hart, aber notwendig. "Wir brauchen diesen erneuten Kraftakt im Interesse unser aller Gesundheit wie auch der Wirtschaft", erklärte Altmaier. "Je schneller wir mit den Infektionszahlen nach unten kommen, desto schneller geht es für unsere Wirtschaft auch wieder bergauf."

Für Weihnachten sollen nach dem Beschluss die strengen Regeln für private Kontakte - maximal fünf Personen aus maximal zwei Hausständen - gelockert werden.

Neun Monate nach dem ersten Corona-Lockdown an Kitas und Schulen sollen die meisten Einrichtungen nun ebenfalls überall in Deutschland geschlossen oder nur noch eingeschränkt betrieben werden. Merkel und die Ministerpräsidenten vereinbarten, dass Schüler und Kita-Kinder spätestens ab Mittwoch für zunächst dreieinhalb Wochen zu Hause bleiben sollen.

An Silvester und Neujahr wird in Deutschland angesichts der sich ausbreitenden Corona-Pandemie ein bundesweites An- und Versammlungsverbot gelten. Zudem werde der Verkauf von Feuerwerk vor Silvester grundsätzlich verboten. str/bir/dpa