Im Messebau hinterlässt die Corona-Pandemie besonders starke Spuren. Aufträge sind auf unbestimmte Zeit weggebrochen. Betriebe der Branche müssen kreativ sein, um zu überleben. Ein Messebauer aus Oldenburg zeigt, wie das geht. Er hat ein neues Geschäftsfeld gefunden: den Bau von Tiny-Häusern.

Im Frühjahr 2020 brach für die Engelmann Messe und Design GmbH das wichtigste Standbein weg. Eine Messe nach der anderen wurde aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Für die Tischler, Architekten und Designer des Unternehmens gab es bis auf Weiteres viel weniger Aufträge. Und nun?
Eine Fernsehreportage brachte die Kehrtwende. "In einer Besprechung erzählte ein Kollege von einer Sendung über Tiny-Häuser und schnell ging bei uns allen hier die Gedankenmaschine los, ob man dieses große Interesse nicht selbst bedienen könnte", erzählt Swanja Schildt. Sie ist Architektin und kümmert sich mittlerweile auch um das Marketing bei "Winzig Wohnen". So heißt der Teil des Betriebs und auch die Marke, unter der die Firma mittlerweile ihre Tiny-Häuser baut und verkauft.
"Winzig Wohnen" gehört noch direkt zur Engelmann Messe und Design GmbH und fängt derzeit viel von dem auf, was normalerweise der Messebau an Aufträgen bringt. Sollte das Messegeschehen wieder an Fahrt aufnehmen – und davon ist Swanja Schildt überzeugt – könnte aus "Winzig Wohnen" eine eigene Firma werden. So lautet zumindest ein Ziel für die Zukunft. Beim Bau der Tiny-Häuser kooperiert die Firma Engelmann aus Oldenburg mit dem Atelier Damböck aus Bayern, sozusagen als Dependance im Süden.
Tiny-Häuser: Zukunftsplan in der Corona-Pandemie
Und noch weitere Ziele formuliert Schildt: "Zwanzig Tiny-Häuser im Jahr könnten wir schaffen." Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das dafür benötigte Material auch verfügbar ist. Denn daran hapert es derzeit auch beim Tiny-Hausbau. Holz ist teuer und nicht immer in ausreichenden Mengen zu bekommen. "Wenn alles an Material da ist, brauchen wir drei bis vier Wochen für den Bau eines Tiny-Hauses", erklärt die Architektin. Rechnet man die Planungs- und Vorbereitungszeit dazu sind es etwa drei bis vier Monate, die der Bau eines Tiny-Hauses dauert.

Zwar sind die Mitarbeiter – die Planer am Schreibtisch und auch die Tischler, die normalerweise die Messestände aufbauen – beim Messebau Zeitdruck und vor allem eine tagesgenaue Taktung gewöhnt. Dass die Taktung bei den Winzig-Häusern eine andere ist, ist für Swanja Schildt der größte Unterschied zwischen den beiden Geschäftsfeldern. Ansonsten ergänzen sie sich perfekt: Material, Maschinen und das Know-How der Mitarbeiter können sozusagen doppelt genutzt werden. Bei beidem steht für den Betrieb die starke Orientierung am Design im Zentrum.
Genau das ist es auch, was die Tiny Häuser von "Winzig Wohnen" aus Sicht von Swanja Schildt besonders macht. "Das Design der Häuser selbst und auch der Einrichtung ist uns ganz wichtig. Jedes Haus ist ein Unikat", sagt sie. Derzeit gibt es drei verschiedene Prototypen der Tiny-Häuser. Der vierte ist gerade in Arbeit. Die Prototypen geben dem Bauherrn ein Gerüst vor, aber die einzelnen Elemente der verschiedenen Häuser kann man miteinander kombinieren. "Ganz individuell können wir natürlich nicht bauen, denn bei Tiny-Häusern gibt es ja von vorne herein ein paar Bedingungen, die immer passen müssen." Damit meint Schildt, dass alle Tiny-Häuser der Firma derzeit noch "on wheel" gebaut sind und nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen dürfen. Gebaut wird, wenn ein Auftrag erteilt ist, denn einen Lagerbestand an Tiny-Häusern kann der Betrieb nicht vorhalten.
Neues Geschäftsfeld: Tiny-Häuser statt Messebau
Für den Bau der Tiny-Häuser kann der Betrieb zwar viel Erfahrung aus dem Messebau nutzen – und auch die Kontakte aus diesem Bereich haben den Start mit dem neuen Geschäftsfeld erleichtert. Dennoch hatten die Mitarbeiter auch einiges damit zu tun, das Unternehmen umzustrukturieren und Bereiche wie das Materiallager oder auch die Werkstatt so umzubauen, dass sie jetzt drei Tiny-Häuser gleichzeitig bauen können.
Das Interesse an der reduzierten, flexiblen Wohnform ist enorm groß. Dass die Engelmann GmbH nun Tiny-Häuser anbietet, hat Swanja Schildt vor allem über Social Media und dann auch über die lokale und regionale Presse bekannt gemacht. Nun kann man den weiteren Fortgang einen Selbstläufer nennen. Anfragen kommen aus ganz Deutschland und nicht nur für Tiny-Häuser zum eigenen dauerhaften Wohnen. Auch auf Campingplätzen findet man immer mehr davon – hierbei ist das sogenannte Glamping ein Stichwort, die etwas luxuriösere Form des Campings. Genauso nutzen kann man die kleinen Häuser als Gartenhütte, Gästehaus oder Büro. Auch als alternative Hotelzimmer bzw. Ferienhäuser dienen immer mehr Tiny-Häuser.
Hierbei haben sie den Vorteil, dass dort, wo Ferienhäuser erlaubt sind, auch Tiny-Häuser meist problemlos stehen dürfen. Einen passenden dauerhaften Standort für sie zu finden, ist nämlich noch eine der größten Hürden für Tiny-Haus-Besitzer. Das Baurecht und auch Vorgaben hinsichtlich der Energieeffizienz der Minihäuser, die nun mal als Gebäude gewertet werden, können Probleme bereiten. "Wir können die Wände hierbei nicht so dick machen wie bei einem Einfamilienhaus und sie nicht so gut dämmen", nennt Swanja Schildt als Beispiel. Doch sie sagt auch, dass bei den genannten Hürden derzeit viel in Bewegung sei und sich auch die Bauämter an die neue Wohnform gewöhnen. Entsprechend werde es künftig auch mit Genehmigungen einfacher werden. Immer mehr Kommunen sehen in neuen Baugebieten auch Plätze für Tiny-Häuser vor.