Der Weg zu einem digitalisierten Betrieb ist manchmal beschwerlich und kostet zunächst mehr Arbeit als er einspart. Doch der Lohn erfolgreicher Digitalisierung sind mehr Effizienz in den Prozessen und mehr Zeit für das Wesentliche. Manchmal erwachsen daraus sogar neue Geschäftsmodelle. Drei Betriebe berichten von ihren Erfahrungen.

"Es tut manchmal weh, bis es richtig läuft“
Vor rund 15 Jahren machte Benedikt Kratzer die ersten kleinen Schritte bei der Digitalisierung seines Handwerksbetriebs. Damals wurde beim Neubau des Firmengebäudes im schwäbischen Gablingen das Lager mit Barcodes ausgestattet, um die Abläufe bei der Warenlogistik effizienter zu gestalten.
Bis das Unternehmen jedoch seine gesamten Prozesse digital abbildete, sind noch einige Jahre vergangen und so richtig Fahrt aufgenommen hat das Vorhaben erst vor etwa vier Jahren.
"Das Schlüsselerlebnis war für mich eine Digitalisierungsveranstaltung, bei der ich teilgenommen habe", erinnert sich der Betriebsinhaber. Ihm sei schnell klargeworden, dass das Unternehmen einen Fahrplan für die Digitalisierung brauche, um seine Wettbewerbsfähigkeit am Markt langfristig zu sichern und die Qualität der Prozesse und Serviceleistungen für die Kunden zu verbessern.
Viel digitales Know-how hat sich Kratzer selbst angeeignet und besonders von dem Austausch mit Kollegen aus seiner Branche profitiert. "Ich habe mir ein Netzwerk gebildet und zum Beispiel regelmäßig virtuelle Stammtische besucht. Mit den Social-Media-Kanälen ist das heute so einfach möglich, miteinander in Kontakt zu kommen", sagt Kratzer, der andere Handwerksbetriebe ermutigt, ebenfalls zu Netzwerken anstatt ihr eigenes Süppchen zu kochen. Den Gedanke, dass er durch den offenen Austausch möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil verlieren könne, hatte der Firmenchef nie.
Schnell lernte Kratzer, dass es nicht damit getan ist, sich eine hübsche Software zu kaufen, sondern dass es vor allem sehr viel Zeit und Durchhaltevermögen braucht, bis alle digitalen Prozesse wirklich effizient ineinandergreifen und ein echter Mehrwert für den Betrieb entsteht. Dabei erlebte er, dass manche seiner Kollegen an den Hürden verzweifelt sind und ihre Reise der Digitalisierung schnell wieder abgebrochen haben.
"Man muss einen klaren Kopf behalten und immer wieder den aktuellen Stand mit dem Fahrplan abgleichen, den man zu Beginn entwickelt hat." Neben der Zeit sei auch die Disziplin ein ganz wichtiger Faktor, damit die Digitalisierung gelinge. "Ich empfehle zunächst mit kleinen Aufgaben zu starten, damit man auch Erfolgserlebnisse hat. Und es ist sinnvoll immer erst ein Projekt komplett abzuschließen, bevor das nächste begonnen wird."
Ganz wichtig war Benedikt Kratzer, seine Mitarbeiter in seine Pläne einzubeziehen und ihre Meinungen zu berücksichtigen. "Ich habe sie nicht nur informiert, was ich vorhabe, sondern ihnen konkret erklärt, welche Vorteile es für ihre ganz persönliche Arbeit haben kann, wenn wir uns digital aufstellen."
Dabei sollte der Chef nach seiner Meinung aber trotzdem die Verantwortung übernehmen und eigene Kompetenz aufbauen. "Ich habe mich nie blind auf andere verlassen, sondern mich selbst mit den Themen beschäftigt." Das sei auch für seine Gespräche mit den IT-Dienstleistern ganz wichtig gewesen. "Da gab es schon welche, die uns am Anfang als kleinen Handwerksbetrieb nicht für voll genommen haben", erinnert sich Kratzer.
Dank des eigenen Wissens und der konkret formulierten Ziele habe man aber schnell eine gemeinsame Sprache gefunden. "Digitalisierung macht richtig Spaß, kann aber manchmal auch weh tun bis es richtig läuft", sagt der Firmenchef. Und sie sei nie abgeschlossen, sondern immer fortlaufend. Heute seien die digitalen Helfer nicht mehr wegzudenken.
Die meisten Prozesse laufen inzwischen standardisiert ab und die Mitarbeiter sind mit Tablet-PCs auf den Baustellen unterwegs und können von überall auf ihre Projekte zugreifen. "Darin sehen wir auch einen Vorteil bei der Fachkräftesuche, weil wir uns als moderner Betrieb präsentieren können, der etwa flexible Arbeitszeitmodelle mit Homeoffice anbieten kann."
Mit anderen Handwerkern will sich Kratzer zusammenschließen, um auch künftig gegen die großen Plattformen bestehen zu können.
"Betriebe sollten in Mehrwerten denken"
Der Berliner Handwerksbetrieb Vallovapor ist auf die Schimmelentfernung spezialisiert. Mit steigenden Auftragseingängen machte sich Geschäftsführer Martin Urbanek vor ein paar Jahren Gedanken darüber, wie sich viele wiederkehrende Arbeiten mit digitalen Hilfsmitteln standardisieren lassen können, um mehr Zeit für die eigentliche Arbeit beim Kunden zu haben.
Doch mit der damals genutzten Branchensoftware ließen sich zwar Angebote und Rechnungen schreiben, aber spezielle Anforderungen des Betriebs, wie etwa Vorher-Nachher-Bilddokumentationen der Schimmelbeseitigung, nicht umsetzen. "Viele Software-Produkte sind leider zu wenig passgenau auf die Bedürfnisse von Handwerkern ausgerichtet und oft mangelt es an einer selbsterklärenden Bedienung", sagt Urbanek.
Nachdem das Handwerksunternehmen am Markt keine geeignete Software finden konnte, entschloss sich der Geschäftsführer mehr Geld in die Hand zu nehmen, um eine eigene Lösung zu entwickeln. Wichtig war Urbanek dabei, keine teuren und sicherheitsanfälligen Server im eigenen Betrieb aufzustellen, sondern die Dienste in einer vertrauenswürdigen Cloud auszulagern, so dass sich die Software unkompliziert warten und aktualisieren lässt.
Bei der Umsetzung konnte der Betrieb auf das Fachwissen eines schon vorher im Unternehmen angestellten Programmierers zurückgreifen, so dass das Risiko aus Sicht des Chefs überschaubar war. Dabei kennt Urbanek durchaus Handwerksunternehmen, die mit dem Versuch, eine eigene Software zu entwickeln, gescheitert sind und viel Geld verbrannt haben.
Bei dem Aufbau seiner Software hatte Urbanek schon im Hinterkopf, dass diese auch für andere Handwerksbetriebe interessant sein könnte, die vor den gleichen Herausforderungen stehen wie Vallovapor. Inzwischen nutzt Urbanek die Software nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern verkauft sie über seine Firma Open Handwerk an andere Betriebe.
Er empfiehlt Handwerkern, die noch nicht digitalisiert sind, bei ihrer Entscheidung in Mehrwerten zu denken: "Was ist es mir wert, wenn mein Bauleiter direkt von der Baustelle auf das Projekt zugreifen kann und sich mit den Kollegen digital austauschen kann, anstatt erst ins Büro zu fahren? Oder was ist es mir wert, wenn jeder Mitarbeiter seine Stunden digital erfassen kann und die Daten direkt an den Steuerberater übermittelt werden, ohne diese handschriftlich zu notieren und in dicken Aktenordnern zu verwalten, die wertvollsten Platz im kleinen Handwerkerbüro wegnehmen?"
Urbanek beobachtet hier oft eine falsche Herangehensweise an das Thema. Anstatt zu fragen, was es mich kostet, wäre es seiner Ansicht nach nützlicher zu fragen, was es einspart. Dabei machten die Digitalisierungskosten oft nur ein Bruchteil der Lohnkosten aus, die im Betrieb anfallen.
"Zu viel Respekt vor Veränderung"
Der Fliesen- und Natursteinlegebetrieb Team Simon aus Gießen ist nach seiner Gründung vor mehr als zehn Jahren sehr schnell gewachsen und stieß an Kapazitätsgrenzen. Wichtige Arbeitsstunden, mit denen sich auf der Baustelle das Geld verdienen lässt, gingen mit Papierkram im Büro und der Pflege starrer Excel-Listen verloren, bei denen es kaum nachvollziehbar war, wann welcher Datensatz von wem bearbeitet wurde.
Inhaber Mario Simon betrachtete es deshalb als alternativlos, die eigenen Prozesse intelligenter zu machen, miteinander zu vernetzen und letztendlich mehr Zeit für das Wesentliche zu gewinnen. Etwa 20 verschiedene Softwarelösungen hat sich der Handwerksbetrieb angeschaut und getestet. Doch zufriedenstellend war für Simon keines der Produkte: "Entweder brauchte man eine Doktor-Ausbildung, um das Programm zu benutzen, oder es erfüllte nicht die spezifischen Anforderungen des Handwerksbetriebs."
Schließlich hat das Unternehmen viel Arbeit und Geld in die Entwicklung eines eigenen Produkts investiert. Dabei hat Simon auf interne und externe IT-Kompetenz zurückgegriffen und die Anregungen seiner Handwerker einfließen lassen, was ihre Bedürfnisse im Arbeitsalltag sind. Die Software wurde in mehreren Etappen aufgesetzt.
Zunächst beschränkte sich die Entwicklung auf eine digitale Projektmappe, mit der jeder Mitarbeiter auf der Baustelle auf alle Daten zugreifen kann. Inzwischen lässt sich mit der Software jedoch der gesamte Prozess ab dem Auftragseingang digital organisieren. Aus der Idee, ein eigenes Programm zu bauen, ist inzwischen der Softwareanbieter Werkules entstanden.
Gerade im Hinblick auf die Fördermittel von Bund und Land ist es aus Sicht von Simon für Betriebe heute sehr kosteneffizient möglich, den eigenen Handwerksbetrieb zu digitalisieren. "Man sollte nicht zu lange warten, weil man zu viel Respekt vor Veränderungen hat", sagt Simon. Aus den Kundengesprächen von Werkules weiß er, dass viele Handwerker am Anfang sehr zurückhaltend sind, wenn man ihnen ein digitales Produkt vorstellt. Sobald der Nutzen verstanden werde, ändere sich dies jedoch schnell.