Ein Salon ohne Spiegel. Eine Friseurmeisterin, die nur noch macht, was sie will. Und eine Preistafel, die nicht nach Geschlecht unterscheidet. Kann das funktionieren? Diese vier Friseursalons sind der Beweis: Mut zum Anderssein kann sich auszahlen.

Drei Unternehmerinnen und ein Unternehmer haben mit ihren Friseursalons unkonventionelle Wege eingeschlagen. Sie erzählen davon, was sie anders machen und wie sich die Beziehung zu ihren Kunden dadurch verändert hat.
Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip: "Ich mache nur noch, was ich will"
"Es ist eine Win-Win-Situation für unsere Kunden, die Mitarbeiter und mich", sagt Friseurmeisterin Michelle Ross-Krämer aus Witten. Seit fast sechs Jahren führt sie ihren Salon nach dem Prinzip "Ich mache nur noch, was ich will". Ross-Krämer bedient nur noch Kunden, die ein Wohlfühlerlebnis wünschen und hohe Qualität zu schätzen wissen. "Ich habe mich dafür entschieden, nicht mehr die breite Masse anzusprechen und meinen Fokus stattdessen auf Kunden zu legen, die eine ganzheitliche Betrachtung ihrer Persönlichkeit und ihres Lifestyles schätzen. Es geht um soviel mehr als um eine Coloration oder einen Haarschnitt", sagt Ross-Krämer. Entsprechend hat sie auch ihre Mitarbeiter persönlich und fachlich geschult.
Positiver Nebeneffekt: Die Qualität der Bewerbungen habe durch das geänderte Konzept zugenommen. Wenngleich die Anzahl an Bewerbungen zurückgegangen sei. Ihr Schlüssel zum Erfolg: ständig an sich und der eigenen fachlichen Qualifikation weiterarbeiten. "Die persönliche und fachliche Wertschätzung von Seiten der Kunden ist um ein Vielfaches gestiegen", sagt Ross-Krämer.
Ohne Spiegel, aber mit Vertrauen
Die österreichische Friseurmeisterin Teresa Bundy setzt seit 2010 auf einen Salon ohne Spiegel an der Wand. Ihre Kunden müssten sich so nicht ununterbrochen selbst ansehen und konzentrieren sich auch nicht auf vermeintliche Makel. Sie erklärt: Die Beleuchtung in den Salons ist häufig auf die Haarfarbe ausgerichtet und damit für Kunden nicht immer vorteilhaft. "Dadurch sind die Kunden permanent im negativen Ich", sagt Bundy. Der Friseurbesuch bei ihr soll den Kunden die Möglichkeit geben, eine Auszeit zu nehmen. "Das kann man am besten, wenn man nicht dauernd mit sich selbst konfrontiert ist." Der Schlüssel für das Konzept ist eine ausführliche Beratung sowie das Aufbauen von Vertrauen zwischen Kunden und Friseur. Abgerundet wird Bundys Konzept durch hochwertige Produkte und ein Ambiente, das im ersten Moment nicht an einen Friseursalon erinnert. "Mir ist es wichtig, den Kunden eine Wohnzimmer- und Wohlfühl-Atmosphäre zu bieten." Während des Besuchs sitzen sich die Kunden gemeinsam an einem großen Tisch gegenüber. Das soll Barrieren abbauen. Kunden haben trotzdem die Möglichkeit, in Ruhe den Besuch zu genießen. Das Konzept kommt an. "Die Kunden erzählen mir, dass sie sich bei mir komplett fallenlassen können", sagt die Unternehmerin.
Unterschiedliches Geschlecht, gleicher Preis
Seit Mitte 2021 sind die Preise im Salon von Nils Brockmann in Essen genderneutral. Das bedeutet: Männer und Frauen zahlen für einen Haarschnitt den gleichen Preis. Bemessen werden die Preise im Salon nach Aufwand. Dafür gibt es verschiedene Preispakete. "Mich hat es schon ein paar Jahre gestört, dass es diesen Preisunterschied gab, obwohl zum Beispiel die Arbeitszeit für einen Kurzhaarschnitt die Gleiche ist", sagt der Friseurmeister. Historisch hätte es diesen Unterschied schon immer gegeben. Der Preisunterschied wurde einfach beibehalten, obwohl es durch Veränderungen in der Mode einfach ungerecht geworden sei. "Wenn man sich die Mode von früher anschaut - und damit meine ich vor 50 Jahren - war sicherlich ein großer Unterschied im Arbeitsaufwand da und ein Preisunterschied gerechtfertigt." Frauen hatten zum Großteil aufwendige Föhn- oder Hochsteckfrisuren. Männer - wie heute - oftmals kurze Haare, die schnell gestylt sind. Brockmann ist wichtig, dass er jeden Preis, den er berechnet hat, rechtfertigen kann. "Es kann ja nicht sein, dass 30 Minuten meiner Arbeitszeit für eine Frau mehr kosten als für einen Mann." Die Preise nach Arbeitsaufwand würden bei den Kunden durchweg positiv ankommen. "Ich kann mich an keine einzige negative Stimme dazu erinnern", sagt der Handwerksmeister.
Ausfallgebühren bei Nichterscheinen
Auch im Berliner Salon von Claire Lachky wird beim Preis nicht zwischen Mann und Frau unterschieden. Dafür würde sie rigoros mit Kunden umgehen, die ihren Termin verfallen lassen – und erhebt laut AGBs eine Ausfallgebühr. Diese liegt bei 80 bis 100 Prozent des Preises für die vereinbarte Dienstleistung. "Im Nichterscheinen zeigen die Kunden wie wenig ihnen das Handwerk bedeutet", sagt die Unternehmerin. Das hätte auch etwas mit der Beziehung zwischen Kunden und Friseur zu tun. "Meine Kunden – und ich habe nur noch Stammkunden – würden ein Nicht-Erscheinen zum Termin von sich aus ausschließen." In dem verbreiteten Ärgernis terminuntreuer Kunden sieht Lachky ein gesellschaftliches Problem. Die Friseurmeisterin spricht liebevoll von der "Mal-gucki-Generation". Menschen, die möglichst keine Verbindlichkeiten mehr eingehen möchten. "Dass ein Termin auch ein Vertragsabschluss ist, ist vielen nicht bewusst", sagt sie. Tatsächlich Gebrauch von ihrer Ausfallgebühr habe die Saloninhaberin bislang nicht machen müssen. Allein die Androhung sei Abschreckung und Zeichen genug.