Diebstahl am Arbeitsplatz ist ein schwerer Vertrauensbruch. Rechtsanwalt Volker Heinze erläutert im Interview, was Chefs unternehmen können.
Daniel Grosse

DHZ: Herr Heinze, wie kann ein Handwerksunternehmer, der einen Diebstahl durch einen Mitarbeiter am Arbeitsplatz bemerkt oder einen Verdacht hat, reagieren?
Volker Heinze: Sie sprechen zwei unterschiedliche Fälle an. Zunächst gilt der Grundsatz: Wenn ich etwa als Handwerkschef einen Diebstahl im eigenen Betrieb tatsächlich festgestellt habe, dann genügt dieses Fehlverhalten grundsätzlich, um als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung herzuhalten. Dabei geht es auch nicht um den Wert, den eine Sache hat. Einfach ausgedrückt: Es kann auch nur um die einfache Schraube gehen. Eine betragsmäßige Abwägung wird im deutschen Recht dort nicht vorgenommen. Allerdings erfolgt am Ende jeder Kündigungsüberlegung immer noch eine Interessenabwägung und an dieser Stelle kann beispielsweise eine langjährige Betriebszugehörigkeit zugunsten des Mitarbeiters wirken, so dass zunächst einmal nur eine Abmahnung statthaft sein kann. Dies hat die berühmte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Fall "Emmely" – Stichwort Flaschenpfandbons – klargestellt. Bekannte Fälle wie die, wo Mitarbeiter Produkte des Arbeitgebers unerlaubt verzehrt haben, sind natürlich ebenso arbeitsrechtlich und strafrechtlich zu sanktionieren.
DHZ: Aber da ging es doch bloß um Kleinigkeiten?
Heinze: Bereits so genannte Bagatellfälle zu ahnden, ist für Chefs schon deshalb ratsam, damit gar nicht erst im Betrieb der Eindruck entsteht, das werde ja eh toleriert, da wird der Chef schon ein Auge zudrücken. Das muss dem Arbeitnehmer immer bewusst sein.
DHZ: Und was ist mit dem zweiten Fall, dem Verdacht?
Heinze: Der andere Fall ist der, dass der Arbeitgeber nur einen bloßen Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter etwas aus seinem Betrieb entwendet haben könnte. Dann kann für die Kündigung bereits der bloße Verdacht genügen, nach dem Motto: Ich weiß nicht sicher, ob er es war, aber ich habe den dringenden Verdacht und dieser Verdacht macht mir den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unerträglich.
"Es ist schon unternehmerisch sinnvoll, Diebstahlsfälle keinesfalls zu ignorieren, um nicht ein fatales Signal an die Belegschaft zu senden"
DHZ: Und dann könnte der Chef den Mitarbeiter rauswerfen?
Heinze: Nicht sofort. Zwingend ist in diesen Fällen, den Mitarbeiter noch anzuhören. Vorher wird bei Verdachtsfällen eine Kündigung keinesfalls wirksam. Beispiel: Ich gelange aufgrund objektiver Tatsachen als Chef zu der Annahme, dass mein Mitarbeiter einen Rasenmäher aus dem Fuhrpark entwendet hat. Wenn der Mitarbeiter diesen Verdacht durch eine Erklärung aber glaubhaft entkräften kann, dann kündige ich ihm auch nicht. Wichtig beim Thema "Klauen im Betrieb" ist also immer die Unterscheidung zwischen der Tat- und der bloßen Verdachtskündigung. Bei Letzterer muss der Mitarbeiter angehört werden.
DHZ: Darf man denn als Arbeitgeber bei einer Tatkündigung auch lediglich ordentlich kündigen?
Heinze: Rein rechtlich, ja. Insbesondere im Kleinbetrieb ist das möglich und manchmal sogar die zu empfehlende Variante. Die außerordentliche Kündigung bedarf immer eines wichtigen Grundes. Wenn ich mir unsicher bin, ob die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers diese Schwelle erreicht, dann bleibt mir im Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Arbeitnehmern immer die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung. Im Kleinbetrieb findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, hier bedarf meine Kündigung keiner Rechtfertigung. Ich muss als Arbeitgeber nur die Kündigungsfrist wahren. Beschäftige ich mehr als zehn Arbeitnehmer, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung und ich müsste den Arbeitnehmer zunächst einmal abmahnen, bevor ich ihm bei einem wiederholten Pflichtenverstoß ordentlich kündigen kann.
"Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Tat- und der bloßen Verdachtskündigung"
DHZ: Nochmal die Frage: Warum kündigen und nicht darüber hinwegsehen?
Heinze: Unabhängig vom Recht ist es schon unternehmerisch sinnvoll, Diebstahlsfälle keinsfalls zu ignorieren, um nicht ein fatales Signal an die Belegschaft zu senden. Dem sollte ich als Chef durch striktes Durchgreifen also etwas entgegensetzen – und das sollte man als Chef dann auch durchziehen.
DHZ: Wie kann ein Arbeitgeber legal Beweise für einen Diebstahl am Arbeitsplatz sammeln, ohne selbst arbeits- und strafrechtlich gegen geltendes Recht zu verstoßen?
Heinze: Wer sich nicht sicher ist, muss in der Tat unter Umständen Einsicht in Unterlagen des Mitarbeiters nehmen oder ganz simpel gesagt, dessen Spind durchsuchen. Das sollte er aber keinesfalls heimlich machen, denn damit könnte er Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verletzen. Etwaig so gewonnene Beweise könnten dann ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen, hätten rechtlich also keine Bedeutung. Mit einem solchen Vorgehen hätte ein Chef nichts gewonnen.
DHZ: Was kann der Chef machen?
Heinze: Er könnte den Mitarbeiter bitten, dass er ihm den Spind öffnet, und dabei anwesend sein, so dass er in Gegenwart des Mitarbeiters den Spindinhalt untersuchen kann.
DHZ: Darf er Videotechnik einsetzen?
Heinze: Einen Handwerksbetrieb per Video zu überwachen, ist ein besonders heikles Thema. Wir müssen drei Szenarien unterscheiden, an deren Rechtswirksamkeit der Gesetzgeber unterschiedliche Anforderungen stellt: die offene Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume, zum Beispiel ein Ladengeschäft, die offene Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher Räume, zum Beispiel ein Materiallager, und die heimliche Videoüberwachung. Gerade Letzteres ist nur unter strengsten Voraussetzungen zulässig. In Fällen unzulässiger Videoüberwachung droht wiederum ein Verwertungsverbot für so gewonnene Beweise. Aber auf jeden Fall vorher Rechtsrat einholen.
DHZ: Auf dem Markt tummeln sich zunehmend Detekteien ähnliche Anbieter, die offensiv damit werben, Beweise für Unternehmensdelikte, die Mitarbeiter begangen haben könnten, zu sammeln. Da geht es um Einsätze sowohl in Konzernen als auch kleineren Betrieben. Wie sollten Handwerksunternehmer mit solchen Angeboten umgehen?
Heinze: Bei der Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv stellen sich ebenfalls Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Einschaltung einer Detektei möglich, dies ist jedoch stets eine Frage des Einzelfalls.
Volker Heinze ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Heinze Lange v. Senden.
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