Trotz getrübter Konjunkturaussichten für die Gesamtwirtschaft sind die Auftragsbücher in der Baubranche voll. Doch eine aktuelle Analyse zeigt, dass manches Problem die Betriebe zunehmend belastet.
Steffen Guthardt

Wer in nächster Zeit einen Bauhandwerker benötigt, darf sich auf lange Wartezeiten einstellen. Im Bau- und Ausbauhandwerk sind die Termine teilweise mehrere Monate im Voraus komplett ausgebucht. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als gäbe es keinen Grund, der die gute Stimmung in der Branche trüben könnte. Doch der Schein trügt. Die Personalnot ist mit großem Abstand das beherrschende Thema der Bauwirtschaft.
Mitarbeiter in der Baubranche händeringend gesucht
Mehr als jeder zweite Bauakteur (54 Prozent) zählt den Fachkräftemangel zu den drei wichtigsten Entwicklungen, die die Baubranche in den nächsten Jahren bestimmen werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Jahresanalyse 2019/2020 des Marktforschungsunternehmens Bau-Info-Consult. Im SHK-Handwerk ist die Situation offenbar noch angespannter als in der gesamten Bauwirtschaft. Hier bewerten 63 Prozent der Befragten den Fachkräftemangel als die bestimmende Entwicklung in der Branche. Bereits heute müssen viele Unternehmen lukrative Aufträge ablehnen, weil es ihnen an ausführenden Handwerkern mangelt. Damit gehen Umsätze verloren, die für wichtige Investitionen in die Zukunft der Betriebe, wie zum Beispiel die Digitalisierung, genutzt werden könnten.
Auf Platz zwei der wichtigsten Trends führen die befragten Bauakteure Energieeinsparung/Energieeffizienz an. Jeder vierte Betrieb (25 Prozent) zählt das Thema zu den drei wichtigsten Entwicklungen für 2020. Die in diesem Jahr durch die "Fridays-for-Future"-Bewegung stärker in den gesellschaftlichen Fokus gerückte Debatte um den Klimaschutz hat die Sensibilität für den Energieverbrauch offenbar verstärkt. Hinzu kommen die gesetzlichen Vorgaben. Nach Ansicht der Bauakteure sind es insbesondere zwei Baukomponenten, die in den nächsten Jahren im Mittelpunkt stehen werden: Die Fassade/das Mauerwerk (46 Prozent) und die Heizanlage (45 Prozent). Immerhin noch knapp jeder dritte Befragte sieht beim Dach große Einsparpotenziale.
Ein weiterer Trend, der den Bauakteuren zunehmend Sorgen bereitet, sind die steigenden Materialkosten. Mehr als jeder fünfte Bauakteur (21 Prozent) zählt das Thema zu den drei wichtigsten Entwicklungen für 2020. Die deutlichsten Preissteigerungen für die kommenden Jahre erwarten die Befragten bei den Heizanlagen. Starke Preissprünge werden zudem bei den Fassaden und Dämmungen angenommen. Dahinter folgt der Bereiche Bad/Sanitär und Dach sowie Klima- und Lüftungsanlagen. Preisstabil schätzen die Bauakteure hingegen die Gebäudeteile Brandschutz, Haustechnik, Keller und Fußböden ein.
Neben den genannten Topthemen Fachkräftemangel, Energieeinsparung/Energieeffizienz und erhöhte Baupreise werden von den Bauakteuren auch nachhaltiges Bauen und die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln und -zertifikaten als wichtiger Bestandteil der künftigen Arbeit eingeschätzt. Zu den Dauerbrennern in der Branche zählt zudem das barrierefreie Bauen. Vor allem das SHK-Handwerk darf sich über viele Aufträge im Bereich senioren- und behindertengerechtes Bad freuen. Die Installation bodenebener Duschen oder unterfahrbarer Waschtische wird im Zuge des demografischen Wandels immer beliebter. Daneben wird Barrierefreiheit auch im Bereich Türen/Eingänge, Treppenhäuser und Aufzüge stärker nachgefragt.
Das vernetzte Wohnen ist noch wenig verbreitet
Nicht zuletzt wird die Digitalisierung das Bauen der Zukunft prägen, sind die befragten Unternehmen überzeugt. Neben dem softwarebasierten Bauen nach dem Verfahren BIM (Building Information Modeling) beschäftigt vor allem das Smart Home die Betriebe. Allerdings noch auf niedrigem Niveau. So gibt unter den befragten Verbrauchern zwar im Schnitt jeder Dritte an, grundsätzlich an Smart-Home-Lösungen wie intelligent vernetzten Schaltern, Heizungen oder Lampen interessiert zu sein, jedoch haben im Schnitt weniger als zehn Prozent diese bereits in ihrem Zuhause integriert. Etwa zehn Prozent der befragten Verbraucher planen eine solche Anschaffung für 2020. Dies deckt sich mit den Angaben der befragten Architekten. Eine Mehrheit von 63 Prozent gibt an, nur in 0 bis 5 Prozent ihrer Projekte im Wohnungsbau bereits Smart-Home-Komponenten geplant zu haben. 16 Prozent der Architekten geben an, bereits in mehr als jedem fünften Projekt Smart-Home-Dienste zu berücksichtigen. Jedoch herrscht bei jenen Kunden, die an Smart Home interessiert sind, häufig die Bereitschaft, 5.000 Euro und mehr dafür auszugeben. 42 Prozent wären zu einer solchen Investition bereit.
Ökologische Baumaterialien werden immer beliebter
Die Analysten von Bau-Info-Consult haben die Bauakteure auch nach den wichtigsten Produkttrends am Bau befragt. Hier schlagen sich die Klimadebatte und ein steigendes ökologisches Bewusstsein in der Bevölkerung ebenfalls nieder. So erwartet jeder fünfte Bauunternehmer (22 Prozent), dass die Nachfrage nach Fassadendämmung bis 2022 zunehmen wird. Dabei werden besonders natürliche und umweltfreundliche Dämmstoffe an Bedeutung gewinnen. Die Bauunternehmer nennen diese zwei Eigenschaften als die wichtigsten Trends im Bereich Dämmung. Maler und Trockenbauer sehen ökologische Farben als den Produkttrend der Branche. SHK-Installateure erwarten in der Heiztechnik erneuerbare Energien als bestimmendes Thema in den nächsten drei Jahren. Auch die befragten Architekten schließen sich dem allgemein zunehmenden Ökotrend an und sehen unter anderem in Dachbegrünungen einen großen Nachfragetrend entstehen.
Die Bauunternehmer wurden zudem befragt, welche Aspekte ihnen bei der Entscheidung für einen Hersteller bzw. eine Marke von Baumaterialien besonders wichtig sind. Dabei liegt die Qualität (56 Prozent) leicht vor dem Preis-Leistungs-Verhältnis (54 Prozent). Die Unternehmen legen auch auf eine schnelle Lieferung wert. Deutlich weniger wichtig ist das Design der Produkte.
Die Jahresanalyse 2018/2019 kann unter www.bauinfoconsult.de bestellt werden