Experimentalbau Carbonbeton: Grundstein für eine neue Bauweise gelegt

Das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton in Dresden wird bald fertig. Der Verzicht auf Bewehrung aus Metall verbessert die CO2-Bilanz von Beton deutlich.

Cube, das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton
Experimentalbau der TU Dresden: Der Cube mit einer Nutzfläche von rund 200 m2 wird nach seiner Fertigstellung zu einem Versuchsstand, in dem die Langzeittauglichkeit von Carbonbeton erforscht wird. - © Carbon Concrete Composite

In Dresden geht der Bau eines der spektakulärsten Häuser, die ge­genwärtig in Deutschland entstehen, in seine finale Phase. Der sogenannte Cube auf dem Campus der Technischen Universität besticht dabei weniger durch seine Größe als durch das einzigartige Bauverfahren. Das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton soll einen Meilenstein in der Baugeschichte markieren. Denn der Verzicht auf Metall als Bewehrung bringt gleich mehrere Vorteile mit sich.

Beton gilt als Klimasünder. Allein die Herstellung des Bindemittels Zement verursacht rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Da Carbonbeton viermal leichter und sechsmal tragfähiger ist als Stahlbeton, lässt sich viel Material einsparen. Dünnwandigere Bauteile können dicke Betonklötze ersetzen. Und weil Bewehrung mit Kohlenstofffasern nicht rostet, erhöht sich die Lebensdauer.

Energieverbrauch um die Hälfte reduziert

Alles in allem reduziert sich der Energieverbrauch und damit der CO2-Ausstoß durch den Einsatz von Carbonbeton gegenüber dem konventionellen Betonbau um die Hälfte. Das hat die Initiative Carbon Concrete Composite (C3) errechnet. Außerdem erlaubt Carbonbeton flexiblere Formen, was die gestalterischen Möglichkeiten am Bau enorm erweitert.

Das fällt auch am Cube nahe dem Dresdner Fritz-Förster-Platz dem Be­­trachter sofort ins Auge. Von beiden Seiten winden sich die Wände und werden zum Dach. Als Twist haben die Planer diese mehrschichtige, in sich verdrehte Dach-Wand-Konstruktion bezeichnet, die höchste Anforderungen an die ausführende Baufirma stellte. "Bei der millimetergenauen Herstellung der räumlich gekrümmten Schalung für den Twist mussten wir unser Know-how ständig erweitern. Einbau und Verarbeitung des Spritzbetons haben uns dann bei jedem Arbeitsschritt neue Ideen und schweißtreibende Techniken abverlangt. Nun sind wir stolz auf unseren handwerklichen Anteil daran", sagte Heiko Panzner zum Richtfest für den Experimentalbau.

Panzner ist Polier bei Hentschke Bau in Bautzen. Der Handwerksbetrieb möchte als Partner der Initiative C3 die Low-Carbon-Bauweise aktiv vorantreiben. "Mit dem Cube haben wir den Grundstein für eine zukünftige Bauweise gelegt. Das Gebäude ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass mit Carbonbeton viele neue anspruchsvolle Projekte möglich werden", betont Jens Kretzschmar, der zuständige Projektleiter von Hentschke Bau.

Bauliche Meisterleistung erbracht

Dabei soll der Cube nicht nur die konstruktiven Möglichkeiten des Carbonbetons mit bisher nur schwer umsetzbaren Geometrien aufzeigen. Auch bezüglich seiner Wirtschaftlichkeit muss sich das Gebäude nicht verstecken. Deutlich wird das an der sogenannten Box, dem quaderförmigen Grundgerüst des Gebäudes. Die Wände wurden in einem Betonfertigteilwerk halbautomatisch hergestellt. Vor Ort wurde die Box anschließend von der Firma Bendl Hoch- und Tiefbau aus Sebnitz (HTS) aufgestellt. "Mit dem Bau der Box konnten wir beweisen, dass eine massentaugliche Bauweise mit Carbonbeton jetzt schon möglich ist", sagte Ludwig Pickert, Projektleiter bei Bendl HTS.

Treibende Kraft hinter der Entwicklung von Carbonbeton ist Manfred Curbach, Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden und Vorsitzender von C3. Als Bauherr des Cube lobte er die Bereitschaft der beteiligten Baufirmen, mit dem völlig neuen Material zu arbeiten. "Die Beschäftigten von Hentschke Bau und Bendl HTS haben eine bauliche Meisterleistung erbracht. Durch ihr großes Fachwissen, handwerkliches Geschick und Innovationskraft ha­­ben sie der Carbonbetonbauweise Leben eingehaucht", sagte Curbach.

Bis zum Sommer sollen alle Arbeiten am Cube abgeschlossen sein, bevor das knapp 25 m lange Gebäude im September offiziell eingeweiht wird. Anschließend soll der Cube als Versuchsstand dienen, in dem Wissenschaftler die Langzeittauglichkeit von Carbonbeton aus konstruktiver, statischer und bauphysikalischer Sicht erforschen. Dabei sollen auch Betriebs- und Lebenszykluskosten beurteilt werden.