Energiepreise Gasumlage: Bundesregierung will Mehrwertsteuer auf Gas senken

Auf Gaskunden kommt wegen des Ukraine-Kriegs eine Umlage zu. Von einem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Gas rückt die Bundesregierung aber ab. Dafür müssen ab Oktober noch weitere Zusatzkosten geschultert werden, vor allem für Gas-Regelenergie.

Druckmesser auf Gas-Pipeline.
Die Mehrwertsteuer auf Erdgas soll für einen befristeten Zeitraum nur sieben Prozent betragen. - © SerPak - stock.adobe.com

Die Bundesregierung will für einen befristeten Zeitraum einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Erdgas verlangen. Die Steuer solle von bisher 19 auf sieben Prozent verringert werden, kündigte Kanzler Olaf Scholz am 18. August an. Mit dem Schritt würden die Gaskunden insgesamt deutlich stärker entlastet als sie durch die staatliche Gasumlage belastet würden. Er erwarte von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucher weitergäben, sagte der SPD-Politiker. "Dies ist ein weiterer Schritt zur Entlastung."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte die Ankündigung von Scholz. "Es war immer klar: Wir wollen nicht, dass die Menschen noch zusätzlich durch die Mehrwertsteuer auf die Gas-Umlagen belastet werden. Da eine direkte Steuerbefreiung europarechtlich nicht möglich ist, ist eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas folgerichtig."

Auch er dringt darauf, dass die angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas weitergegeben wird. "Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie diese Senkung 1:1 an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben", erklärte Habeck am 18. August in Berlin.

Habeck kündigt drittes Entlastungspaket an

Die Senkung der Mehrwertsteuer sei aber nur ein Schritt. "Es wird ein drittes Entlastungspaket geben, um den großen Druck, der auf vielen Menschen und Unternehmen lastet, zu senken. Dieser Druck ist umso größer, je weniger Einkommen man hat." Zielgenauigkeit sei hier wichtig. "Auch ein Teil der Unternehmen spürt die Auswirkungen der Energiekrise enorm, gerade auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen", so Habeck. Entsprechende Hilfsprogramme sollten verlängert und wenn nötig angepasst werden.

Hintergrund ist die Gasumlage, mit der Importeure ab Oktober wegen des Ukraine-Kriegs erhöhte Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben können. Zahlen müssen dann alle Gasnutzer, ob Privatleute oder Unternehmen – und zwar zunächst etwa 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Auf die Umlage fällt zudem Mehrwertsteuer an.

Mehrwertsteuer auf Gas: Bundesregierung entscheidet sich für sieben statt fünf Prozent

Die Bundesregierung wollte das eigentlich verhindern und so dafür sorgen, dass der Staat nicht mitverdient. Nach europäischem Recht ist es aber nicht vorgesehen, auf die Mehrwertsteuer zu verzichten. Der rechtliche Rahmen lasse keine Ausnahme zu, schrieb EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in einem Brief an Finanzminister Christian Lindner. Die Bundesregierung habe allerdings die Möglichkeit, die geltende Mehrwertsteuer auf den EU-Mindestsatz von fünf Prozent zu senken.

Diesen Schritt wählt die Ampel-Koalition nun nicht. Stattdessen will sie den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent nutzen. In Deutschland gilt in der Regel ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Auf ausgewählte Waren fallen aber sieben Prozent an. Die jetzt verkündete Steuererleichterung soll für den Zeitraum der Gasumlage gelten, also bis Ende März 2024.

Weitere Umlagen für Gaskunden festgelegt

Neben der Gasumlage kommen ab Oktober noch weitere Umlagen zu. So muss ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden ab Oktober für Regelenergie und Gasspeicherbefüllung bei sieben Prozent Mehrwertsteuer mit insgesamt knapp 135 Euro zusätzlichen Kosten pro Jahr rechnen. Die Umlagen kommen zu der bereits veröffentlichten Gasumlage hinzu. Sie bedeutet für den Musterhaushalt bei sieben Prozent Mehrwertsteuer knapp 518 Euro Mehrkosten pro Jahr.

Vom 1. Oktober an müssen Gasversorger auf jede von Haushalten und kleinen Firmen verbrauchte Kilowattstunde Erdgas 0,57 Cent für sogenannte Regelenergie zahlen, wie das Unternehmen Trading Hub Europe (THE) am 18. August in Ratingen mitteilte. Bei großen Firmen beträgt die Umlage 0,39 Cent je Kilowattstunde. "Diese Umlagen sind regelmäßig Bestandteil der Kosten der Gaslieferanten und damit der Gaspreise für Letztverbraucher", teilte der Stadtwerkeverband VKU mit. Die Mehrwertsteuer ist in den genannten Beträgen noch nicht enthalten. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeutet die Umlage bei einem Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent 121,98 Euro Mehrkosten.

Regelenergie, also Gas, wird eingesetzt, um das Gasnetz stabil zu halten. Die Regelenergieumlage gibt es schon mehrere Jahre. Sie wird jedes Jahr neu festgesetzt. Aktuell liegt sie bei null Euro. Hauptgrund für den Anstieg sind laut THE die stark gestiegenen Gaspreise im Großhandel.

Gaskunden müssen Gasspeicherumlage zahlen

Neu ist die Gasspeicherumlage. Auch ihre Höhe wurde am 18. August veröffentlicht. Sie beträgt 0,059 Cent je Kilowattstunde. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden verursacht sie Mehrkosten von 12,63 Euro bei sieben Prozent Mehrwertsteuer. Die Gasspeicherumlage soll THE die Kosten ersetzen, die zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, etwa für den Gaseinkauf. Das Unternehmen veröffentlichte am 18. August noch weitere Umlagehöhen, die jedoch nicht auf alle Gaskunden umgelegt werden.

Die Speicherumlage sei notwendig, betonte VKU-Chef Ingbert Liebing. "Je voller unsere Speicher, desto besser unsere Ausgangslage bei der Versorgungssicherheit im Winter", sagte er. Die Stadtwerke würden die Gasspeicher- und Gasbeschaffungsumlage leider weitergeben müssen. Die Umlagen machten im Verhältnis zu den allgemeinen Preissteigerungen an den Märkten aber eher den kleineren Anteil aus, betonte er.

THE ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Ferngas-Netzbetreiber. Es spielt eine zentrale Rolle im Gasmarkt, indem es etwa Abrechnungen der Gasunternehmen untereinander ermöglicht. In der Gaskrise fallen THE besondere Aufgaben zu, etwa beim Erreichen vorgeschriebener Gasspeicher-Füllstände. THE hat dafür unter anderem Optionen auf Gasmengen gekauft, die im Winter abgerufen werden können. Auch für den direkten Einkauf von Gas durch THE zur Speicherbefüllung fallen Kosten an. Die Gasspeicher sollen am 1. November zu mindestens 95 Prozent gefüllt sein. dpa

Energiepreise belasten Bildungszentren des Handwerks und Ausbildungsbetriebe

Anlässlich der beschlossenen Gasumlage hatten mehrere Handwerksvertreter auf enorme Mehrkosten für die Betriebe hingewiesen und daraus resultierende Betriebsschließungen prognostiziert. Steigende Energiepreise, gepaart mit der Gaspreisumlage, belasten aber nicht nur Handwerksunternehmen, sondern auch die Berufsschulen. Hermann Hubing, Geschäftsführer der Holzfachschule Bad Wildungen, sieht darin eine ernsthafte Gefährdung auch für die Ausbildungsbereitschaft der Handwerksbetriebe.

Die Bildungszentren müssten die höheren Kosten für Strom und Heizung an die Ausbildungsbetriebe weitergeben. Hubing rechnet vor, dass die Energiekosten für seine Schule in diesem Jahr um rund 180.000 Euro höher sein werden als im Vorjahr. Selbst unter Berücksichtigung möglicher Einsparungspotentiale, wie gesenkter Raumtemperatur, müssten die Lehrgangsgebühren erhöht werden. Betriebe müssten mit Mehrkosten von rund 300 Euro pro Lehrling rechnen. "Wenn der Staat nicht schnellstmöglich eingreift, werden die Ausbildungsverhältnisse im Handwerk deutlich zurückgehen und der Facharbeitermangel größer", so Hubing. ew