Kommentar Bewahrt unsere Betriebe vor dem Untergang

Die Politik verschärft die Regeln, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob es wirklich zielführend und verhältnismäßig ist, Kosmetikstudios und Friseursalons zu schließen. Die Lage fürs Handwerk spitzt sich bedrohlich zu.

Frank Hüpers

Die Stühle bleiben leer. Es sind düstere Tage für viele Handwerksbetriebe. - © adrianad - stock.adobe.com

Die Bayerische Staatsregierung hat erwartungsgemäß den harten Lockdown bis – zunächst – Ende Januar 2021 beschlossen. Nach Zustimmung des Landtags gilt die geänderte Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung seit dem 11. Januar 2021. In anderen Ländern ist entsprechend verfahren worden, teils schon um einen Tag früher. Das setzt den davon betroffenen Betrieben – stationärer Einzelhandel, Restaurants, Hotels – sehr zu. Auch immer mehr Handwerksbetriebe geraten in existenzielle Schwierigkeiten. Da sind die Kosmetikstudios, die als erste schließen mussten, Friseure, das Ladenhandwerk in seiner ganzen Vielfalt.

Vor einigen Tagen hatte der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, Gabriel Felbermayr, Zweifel an der Eignung der Corona-Schutzmaßnahmen angemeldet und formuliert: "Wir können unsere Altenheime nicht schützen, aber wir schließen Friseursalons“. In der Tat mehren sich auch bei den Handwerkskammern besorgte Anfragen und geharnischte Kritik der betroffenen Branchen, ob so manche Schutzregel tatsächlich sinnhaft ist.

Die Politik muss stets gut begründen, dass die angeordneten einschneidenden Grundrechtseinschränkungen – hier die Freiheit der Berufsausübung – noch verhältnismäßig sind. Sind die Maßnahmen geeignet, das mildeste Mittel und insgesamt angemessen?

Einige Fehler korrigiert

Eine in diesem Sinne notwendige, gleichwohl begrüßenswerte Regeländerung stellt die (Wieder-) Zulassung des "click and collect“ in Bayern dar. Es war nie recht einzusehen, warum Kunden sich zwar ihr Essen im Restaurant abholen konnten, nicht aber die reparierte Uhr beim Uhrmacher. In einem kleinen, aber wichtigen Punkt ist jetzt auch eine unerträgliche Wettbewerbsverzerrung beseitigt worden. Fotostudios waren und sind geschlossen. Mitarbeiter von Drogeriemärkten durften aber durchgehend Passbilder anfertigen. Pass- und Ausweisbilder sind das Brot- und Buttergeschäft der besser qualifizierten Handwerksbetriebe. Diese Tätigkeit ist den Fotografen nun wieder gestattet.

Frank Hüpers ist stellvertretender Chefredakteur der Deutschen Handwerks Zeitung. - © HWK München

Doch die Frage muss erlaubt sein, ob die fortdauernden Schließverfügungen gegenüber Kosmetikern, Friseuren und Fotografen sinnvolle und zielgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens sind.

Weder Kosmetikstudios noch Friseursalons sind je als Corona-Hotspots aufgefallen. Vielmehr liegen für diese Bereiche der körpernahen Dienstleistungen überzeugende, mit den Berufsgenossenschaften abgestimmte Schutz- und Hygienekonzepte vor, die in den Betrieben genau umgesetzt worden sind. Trotzdem sind im so genannten Teil-Lockdown ab dem 2. November 2020 zunächst die Kosmetikbetriebe und mit dem harten Lockdown (16. Dezember 2020) auch die Friseure geschlossen worden. Zwar war diese unterschiedliche Behandlung von Kosmetikern und Friseuren im Teillockdown schon nicht gerechtfertigt. Wenige aber wagten es, diesen Widerspruch anzuprangern: aus Sorge, dass dann eben gleich auch die Friseure geschlossen werden könnten. Warnendes Beispiel war hier die erfolgreiche Klage eines Fitnessstudios gegen seine Schließung. Die Politik hatte auf die Niederlage vor Gericht bekanntlich nicht mit Öffnung der Fitnessstudios, sondern mit Schließung des Individualsports reagiert.

Unreguliertes Reisegewerbe und Schwarzarbeit

Jetzt sind zwar Kosmetiker und Friseure gleichermaßen geschlossen, aber ist das überzeugend? Es ist zu hören, dass kosmetische Behandlungen in wachsendem Umfang in Hautarztpraxen stattfinden, die von den Schließungen nicht betroffen sind. Es mehren sich auch Hinweise, dass diese Tätigkeiten im unregulierten Reisegewerbe und in Schwarzarbeit zunehmen. Ist es aber aus infektiologischer Sicht nicht geradezu kontraproduktiv, dass die mit ausgefeilten Konzepten ausgestatteten Studios und Salons geschlossen sind und die verbotenen Dienstleistungen in Wohnungen und hygienisch fragwürdigen Privaträumen ausgeübt werden? Man fühlt sich an Auswirkungen der amerikanischen Prohibition erinnert.

Mit jeder weiteren Verlängerung der Schließungsverfügungen droht mehr Betrieben das Aus. Daher muss abschließend der Blick auf die etlichen versprochenen Hilfsprogramme des Bundes gerichtet werden. Zu lange konnten die Anträge auf die so genannte Novemberhilfe nicht bearbeitet werden, weil die Software nicht einsatzfähig war. Ähnlich sieht es bei den übrigen Hilfsprogrammen (Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe III) aus. Es gibt lediglich Abschlagszahlungen, die aber nicht ausreichen. Zudem kommen Friseurbetriebe für die Dezemberhilfe wohl gar nicht in Betracht, weil sie erst zur Monatsmitte schließen mussten. Für die Handwerksbetriebe ist jeder weitere Tag mit Tätigkeitsverbot und ohne Liquidität fatal. Der Gesetzgeber sollte deshalb auch schnell die erweiterten Verlustrückträge im Steuerrecht ermöglichen, um für frisches Geld in den Unternehmen zu sorgen.

Die Lage ist ernst

Die Politik ist gefordert, einen Hoffnung gebenden, Perspektiven aufzeigenden Strategiefahrplan vorzulegen. Ordnungspolitisch wichtig ist, dass die verordneten Maßnahmen ausgewogen, widerspruchsfrei, transparent und nachvollziebar sind. Die Grundrechtsbeschränkungen dürfen nicht auch noch gleichheitswidrig sein und damit den Wettbewerb verzerren. Das ist zumal im deutschen Föderalismus eine Herausforderung, in dem jedes Land eigenständig agieren kann.

Die Lage ist ernst für das Handwerk und den Mittelstand. Vielen Unternehmen geht in diesen Tagen das Geld aus. Die Existenz Tausender gut geführter Betriebe steht auf dem Spiel, die unverschuldet in Not geraten sind. Es liegt an der Politik, diese Unternehmen vor dem Untergang zu bewahren.